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GßüNDRISS ZUR GESCHICHTE

DER

PROVENZALISCHEN LITERATUR

VON

KARL BARTSCH.

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ELBERFELD.

Verlag tob K. L. Friderichs. 1873.

Druck Tou B. L. Frldericlis i. Comp. In Klberfeld.

Vor^;^^ort.

Die Einleitung zu meinem Provenzalischen Lesebuche in seiner ersten Bearbeitung (1855) gab eine kurzgefasste Ueber- sicht der Literaturdenkmäler. Diese, in der zweiten Auflage weggeblieben, erscheint hier in selbständiger und völlig mnge- arbeiteter Gestalt, die den Fortgang der Forschung seit 1855 überall erkennen lassen wird. Wie in der Neubearbeitung der Chrestomathie an Stelle der sachlichen eine chronologische An- ordnung getreten ist, Avie dort die Grenzen bis an den Schluss des Mittelalters erweitert wurden, so auch in dem Grundriss. Die innige Wechselbeziehung zwischen beiden Büchern wünschte ich festzuhalten, der Grundriss soll die Chrestomathie, und diese jenen erläutern; daher habe ich in den Anmerkungen auf die Textauswahl der Chrestomathie yorzugSAveise verwiesen und die Belege ihr entnommen.

Das vollständige Verzeichniss aller Troubadours mit Angabe ihrer Lieder, der Handschriften, in denen sie sich finden, und der Bücher, in denen sie gedruckt sind, wird hoffentlich keine unwillkommene Beigabe sein. Es ist durchaus nach den Hand- schriften selbst gearbeitet und wird, denke ich, diesen quellen- mässigen Charakter nicht verleugnen. Eine Ausnahme bildet nur die Liederhandschrift N, deren Inhalt ich durch Mahns Gefäl- ligkeit kenne. Aufgenommen sind in das Verzeichniss auch die Namen derjenigen Dichter, von denen uns keine Lieder aufbe- be wahrt sind, denn in der Geschichte der Literatur haben die- selben das gleiche Recht genannt zu werden, me die übrigen. Den fragmentarischen Druck eines Liedes habe ich nur dann (imd dann in Klammem) erwähnt, wenn es anderweitig über- haupt noch nicht gedruckt Avar.

IV

Möge dieser Grundriss dem Studium der provenzalischen Literatur neue Freunde gewinnen, nicht allein in Deutschland, sondern auch, wiewohl nicht in ihrer Sprache geschrieben, bei unsem westlichen Nachbarn. Romanische und deutsche Gelehrte haben zur Kenntniss der occitanischen Poesie durch gemeinsame Arbeit beigetragen; so sei das Buch, welches diese Forschungen verzeichnet, ein Freundes- und Friedensgruss deutscher Wissen- schaft an die Mitforscher in Frankreich.

Heidelberg, 15. October 1871.

Karl Bartsch.

Inhaltsübersicht.

Einleitung.

§ 1. Provenzalisches Sprachgebiet. Entstehung der provenzalischen

Sprache. Cultiir von Südfrankreich.

§ 2. Aelteste Anwendung der provenzalischen Sprache. Urkunden. Glossare.

§ 3. Zeiträume der provenzalischen Literaturgeschichte.

Erste Periode.

Das zehnte und elfte Jahrhundert.

§ 4. Die Poesie in den Händen der Geistlichen.

§5. Epische Poesie. Karl der Grosse. Roland. Karl Martell und Karl der Kahle. Girart von Rossilho. Guillaume d'Orange. Aucasin und Nicolette. Provenzalisches und nordfranzösisches Epos.

§ 6. Kleinere epische Volksgesänge. Romanzen,

§ 7. Poesie der Geistlichen. Bibel- und Legendenstoffe. Passion Christi. Leodegar. Amandus. Fides. Magdalena.

§ 8. Boethius.

§ 9. Alberichs von Besan^on Alexander.

§ 10. Lyrische Poesie. Geistliche Lyrik. Mariendichtungen. Epitres farcies. Zwischengesang in der Weihnachtsmesse.

§ 11. Didaktische Poesie. Glaubens- und Beichtbekenntuiss.

§ 12. Prosa. Evangelium Johannis. » § 13. Sprache und Verskunst.

Zweite Periode.

Das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert.

§ 14. Das Zeitalter der Kreuzzüge. Charakteristik desselben.

§ 15. Epische Poesie. Girart von Rossilho. Fierabras.

§ 16. Historische Dichtungen. Guillem Bechada. Guillem IX von Poitou. Chanson d'Antiocha? Albigeuserchronik, Izarn, las nov^s del heretge. Guillem Anelier.

§ 17. Thiersage.

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§ 18. Komans d'aventures. Artusroraane. Jaiifre. Lancelet? Daniel von Blumenthal. Perceval. Blandin de Cornoalha und Guilhera de Miramar. Flamenca. Andrieu. Floris und Biancaflor.

§ 19. Novellen. Raimon Vidal. Arnaut de Carcasses. Peire Guillem. Hofhalt der Liebe. Eoman des sept sages.

§ 20. Geistliche Epik Passion. Marienklage. Gui Folqueys. Bertran de Marseilla. Raimoii Feraut. Maria Aegyptiaca.

§21. Lyrische Poesie. Troubadours und Jongleurs.

§ 22. Volksthümliche Lyrik.

§ 23. Pflege der Kunstlyrik.

§ 24. Die Liederhandschriften.

§ 25. Vers. Canzone. Sirventes. Kreuzlied. Klagelied. Tenzone.

§ 26. Romanze. Tanzlied. Retroensa. Tagelied. Serena. Pastourelle.

§ 27. Kirchliche Liederdichtung. Marienlieder. Weihnachtslied. Descort.

§ 28. Seltenere lyrische Gattungen. Sextine , Sonett , Rund- canzone u. s. w.

§ 29. Liebesbriefe.

§ 30. Einfluss auf die nordfranzösische, deutsche, italienische, cata- lanische und portugiesische Lyrik.

§ 31. Didaktische Poesie. Geistliche Lehre. Daude de Pradas. Matfre Ermengau. Guillem de Cerveira. Senoca. Coblas esparsas.

§ 32. Weltliche Lehre. Arnaut de Maroil. Peire Cardenal. Sordel. Serveri. Folquet de Lunel. Guiraut Riquier. Nat de Mons.

§ 33. Enseignamens. Garin der Braune. Guiraut de Cabreira. Guiraut de Calanso. Bertran de Paris. Arnaut Guillem de Marsan. Amanieu des Escas.

§ 34. Wissenschaftliche Lehrgedichte. Daude de Pradas. Raimon Feraut. Peire de Corbiac. Matfre Ermengau.

§ 35. Dramatische Poesie. Mysterium von den klugen und thörichten Jungfrauen. Bethlehemitischer Kindermord.

§ 36. Prosa, Sprichwörter. ^

§ 37. Geistliche Prosa. Predigten. Bibelübersetzungen. Si^hs Sendung. Zerstörung Jerusalems. Marienwunder. Visionen. Heiligen- Leben. Doucelina. Catharina.

§ 38. Benedictinerregel. Beda's Liber scintillarum.

§ 39. Geschichtliche Prosa. Biographien der Troubadours. Rai- mon von Anjou. Raembaut. Blanchemain.

§ 40. Albigenserkrieg. Tiirpin. Philomena.

§ 41. Wissenschaftliche Prosa. Philologische Werke. Grammatiken. Uc Faidit. Raimon Vidal. Poetik. Wörterbücher.

§ 42. Naturgeschichtliche Werke. Räthselfragen. Physiologns. Lapidarius. Medizinische Werke. Roger von Parma u. a.

Vit

§ 43. Kechtshistorische Werke. Codex Justiniani. Statuten von Montpellier u. s. w.

§ 44. Sprache und Verskunst.

Dritte Periode.

Das vierzehnte und fünfzehnte Jahrhundert.

§ 45. Charakteristik des ganzen Zeitraums.

§ 46. Epische Poesie. Arnaut Vidal.

§ 47. Geistliche Stoffe. Evangelien. Kindheit Jesu. Legenden. Alexius. Trophimus. Georg.

§ 48. Lyrische Poesie. Gesellschaft des Gai saber in Toulouse.

§ 49. 50. Die lyrischen Dichter und Dichtungsarten dieses Zeitraums.

§ 51. Didaktische Poesie. Geistliche Lehre. Psalm 108. Jüngstes Gericht. Körper und Seele. Poesien der Waldenser. Nobla leyczon. La Barca u. s. w.

§ 52. Weltliche Lehre. Lunel von Moncog. Wissenschaftliche Lehrgedichte. Kaimon de Cornet.

§ 53. Dramatische Poesie. Sancta Agnes. Ludus S. Jacobi.

§ 54. Prosa. Geistliche Prosa. Predigt. Bibelübersetzung. Bibli- sche Geschichte. Legenden. Jacobu"s a Voragine. Barlaam und Josaphat, Florus. Honorat.

§ 55. Glaubens- und Sittenlehre. Bruder Laurent.

§ 56. Weltliche Prosa. Philologische Werke. Leys d'amors. Wörterbücher.

§ 57. Lucidarius. Sydrac. Bruder Philipp. Priester Johannes.

§ 58. Medizinische Werke. Abulcasis. Stephanus Aldebaldi. Gui de Chauliac. Politische Werke. Honore Bonnet.

§ 59. Kechtsquellen.

§ 60. Sprache und Verskunst.

Alphabetisches Verzeichniss der lyrischen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts Seite 97.

Kegister Seite 205.

Abkttrzungen.

Arch. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen,

herausgeg. von L. Herrig. Chr. Chrestomathie proven^ale par K. Bartsch. edition. Delius. Ungedruckte provenzalische Lieder, herausgeg. von N. Delius. Dkm. Denkmäler der provenzalischen Litteratur, herausgeg. von K. Bartsch. Galv. Galvani, Osservazioni suUa poesia de' trovatori. LB. Provenzalisches Lesebuch, herausgeg. von K. Bartsch. LR. Lexique Roman ou dictionnaire de la langue des troubadours par

M. Raynouard. Wenn ohne Angabe des Bandes citiert, ist der

erste Band gemeint. Meyer. Les derniers troubadours de la Provence par P. Meyer. MG. Gedichte der Troubadours, herausgeg. von C. A. F. Mahn. Milä. De los trovadores en Espana par D.. Manuel Milä y Fontanals. Muss. Mussafia, Del codice Estense di rime provenzali. MW. Die Werke der Troubadours, herausgeg. von C. A. F. Mahn. PO. Le Parnasse Occitanien ou choix des poesies originales des troubadours. R. Choix des poesies originales des troubadours par M. Raynouard. Tarbe. Les oeuvres de Blondel de Neele.

Einleitung.

§. 1.

riine geographische Linie, welche am Nordrande von Dauphine, Auvergne, Limousin und Perigord hinläuft^ theilt Prankreich in zwei sprachlich gesonderte Gebiete, die nach der Verschiedenheit der Bejahung bezeichnet werden. Das südliche Gebiet ist das der lengua cUoc, das nördliche das der langue (Hoil. Nach Süden erstreckt sich jenes nach Spanien hinein und umfasst Catalonien, nach Osten hin gehört Savoyen und ein kleiner Theil der südwestlichen Schweiz dazu. Die übliche Bezeichnung der südfranzösischen Sprache ist in älterer Zeit romans^ oder lengua romana^, d. h. Volkssprache im Gegensatz zur Gelehrten- sprache, dem Latein, also eine ähnliche Bezeichnung wie althoch- deutsches diutish, Deutsch, und ebenso anwendbar auf jede andere romanische Sprache^. Ausserdem findet man, jedoch später, die Aus- drücke la lengua proensal, lo jjroensal, lo proensales, vulgär proensal und lemosi*'. Diese provenzalische Sprache, wie sie jetzt allgemein genannt wird, entstand wie die übrigen romanischen Sprachen aus der lateinischen Vulgärsprache^ gemischt mit germanischen und in geringerem Grade mit keltischen Elementen. Westgothen, Alanen, Sueven und Burgunden nahmen das südliche Prankreich in Besitz, gaben aber früh- zeitig die heimische Sprache auf und eigneten sich mit der Bildung der Römer auch deren Sprache an. Dazu trug die in Südfrankreich herr- schende Cultur ebenso bei wie in Italien, wo aus gleichem Grunde Ost- gothen und Langobarden sich rasch romanisierten. Den Anfang zur Cultur von Südfrankreich hatten schon die griechischen Colonien gelegt : Marseille gründeten um 600 v. Chr. die Phocäer. Die römische Literatur der ersten christlichen Jahrhunderte fand hier zahlreiche, zum Theil bedeutende Vertreter: unter den Dichtern Ausonius, Petronius und Sidonius ApoUinaris, von Geschichtsschreibern Trogus Pompejus und

§. 1. Friedrich Diez, Grammatik der romanischen Sprachen, Bonn 1870, l'', 102 f. « Chrestomathie 31, 4. 207, 9. 371, 30. ^ Chrestomathie 62, 13.

207, 5. 3 Altfranzösisch romans, Chrest. fr'dwq. 72, 25. * Belegstellen

bei Diez a. a. ü. 103.

Bartsch, Oruudrisa. , ■^

Sulpicius Severus, von Rhetoren Domitius Afer u. A. Grade diese hohe Culturstufe war es aber, die die Entwicklung einer volksmässigen Sprache und Literatur hemmte, indem das Latein dadurch länger die Sprache der Literatur und des Umgangs blieb.

§•2.

Die erste Anwendung der Volkssprache finden wir in Urkunden des neunten Jahrhunderts, die, im Uebrigen lateinisch, einzelne Ausdrücke und Wendungen, meist Kechtsformeln, in romanischer Sprache einfügen ^ Die ältesten Urkunden mit überwiegend provenzalischem Texte sind vom Anfang des elften Jahrhunderts ^ ; ganz provenzalische finden sich nicht vor dem zwölften -^

Aehnlichen Zwecken der Vermittelung dienen die Glossare. In die älteste Epoche gehören die Wiener Glossen *; sie sind von einem Deutschen aufgezeichnet, die romanischen Worte tragen theils italieni- sches, theils provenzalisches Gepräge. So wichtig in sprachlicher Be- ziehung dergleichen Aufzeichnungen sind, zu den Literaturdenkmälern können sie kaum gerechnet werden.

§.3.

Die provenzalische Literatur zerfällt in drei Perioden, deren erste die Anfänge, ' die zweite die ßlüthe, die dritte den Verfall der Poesie bezeichnet.

Erste Periode. Das zehnte und elfte Jahrhundert.

Zweite Periode. Das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert.

Dritte Periode. Das vierzehnte und fünfzehnte Jahrhundert.

Das Fortleben der Sprache in mundartlichen Denkmälern auch nach dem 15. Jahrhundert, das Wiederaufleben der provenzalischen Poesie in neuerer und neuester Zeit^ fällt ausserhalb des Kreises unserer Betrachtung, die es nur mit der wirklich nationalen, den Süden Frank- reichs beherrschenden Sprache und Literatur zu thun hat.

§. 2. * Auszüge der provenzalischen Wendungen und Sätze aus Urkunden von 860—1080 bei Eaynouard, Choix des poesies originales des troubadours (6 voll. Paris 1816—21) 2, 40—72. - Eine solche um 1025: Chrest. 7. ^ Zwischen

1101 1110: Revue des societes savantes, 4 serie, t. X, durch L. Blancard mit- getheilt; eine von 1122: Chrest. 45; vor 1144: Chrest. 53; von 1174: Chrest. 93; von 1178 : Chrest. 95. * Aus der Wiener Hs. R. 8355, Bl. 234—236 heraus-

gegeben von Fr. Diez, Jahrbuch für romani.sclie und englische Literatur 8, 1 13. Vergl. desselben Altromanische Glossare, Bonn 1865. 8, und dazu Rönsch im Jahr- buch 8, 65—74.

§. 3. * Vgl. über diese Ed. Böhmer, Die provenzalische Poesie der Gegen- wart, Halle 1870. 8.

^rste Periode.

Das zehnte und elfte Jahrhundert.

§. 4. Die Poesie, soweit sie aufgezeichnet wurde, ruhte während dieser Periode in den Händen der Geistlichen, der einzigen Träger der Bil- dung, während die vom Volke gesungenen epischen Stoffe nicht zur Aufzeichnung gelangten und daher untergiengen. Sie trägt einen über- wiegend geistlichen Charakter, meist in epischer Form; auch die di- daktische Dichtung nimmt diese an. Legenden bilden die Hauptstoffe. Daneben aber griff die Poesie auch schon nach weltlichen Stoffen. Die Sprache, noch im Werden begriffen, ist von hoher Alterthümlichkeit, der dichterische Ausdruck einfach und ungesucht. Auch die dichterischen Formen sind noch sehr einfach und schmucklos.

§.5.

Die älteste Poesie bei allen Völkern ist die epische. Schon von vornherein darf das Vorhandensein einer solchen auch für den Süden Frankreichs vorausgesetzt werden. Die eingewanderten germanischen Stämme gaben mit der Sprache auch die epischen Stoffe, die sie mit- gebracht hatten, bald auf. Doch ist unter den Gestalten der deutschen Heldensage eine, die ihre Heimat in Südfrankreich hat: Walther von Aquitanien. Gleichwohl sind wir durch nichts berechtigt, sein Fort- leben in Sage und Dichtung der südfranzösischen Komanen anzunehmend Aber neue gewaltige Ereignisse boten Stoff zu epischem Gesänge. Vor allem die Kriege gegen die von Spanien her vordringenden Araber seit dem 8. Jahrhundert,, die nicht nur den Süden Frankreichs, sondern das ganze Frankreich, ja das ganze christliche Europa in Mitleidenscliaft zogen. Specieller nationales Gepräge haben die Kämpfe, welche Süd- frankreich um seine durch die Karolinger bedrohte Selbständigkeit führte. Karl Martell, der Sieger von Poitiers (732), und Karl der Grosse waren Helden des fränkischen Stammes, der zweite wurde der eigentliche Nationalheld Nordfrankreichs, der Mittelpunkt seiner epischen Poesie, Seine siegreichen Unternehmungen gegen die Araber waren auch Siege für den von grosser Gefahr befreiten Süden ; der in Liedern gefeierte Fall Rolands und seiner Genossen bei Roncesvals konnte auch im Süden Gegenstand des Gesanges werden. Bestimmte Beweise für das Vorhandensein provenzalischer Rolandslieder haben wir nicht,

§. 5. * Wie Fauriel, Histoire de la poesie proven^ale (Paris 1846) I 3S1 418 will, der den provenzalischeu Ursprung des lateinischen Waltharius bi'hauptet. Vgl. A. Üeyder in Haupts Zi'itsiluift 9, 145.

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aber das Fortleben von Sagen über ihn in den Pjrenäen lässt schliessen, dass einst auch von ihm gesungen wurde. Er hat der Sage nach die grossen Felsblöcke^ welche jetzt auf den niederen Bergrücken liegen, aus dem höheren Gebirge herabgeschleudert, den gigantischen Halbmond aus der Mauer des Marbore ausgemeisselt ; sein Koss konnte von Berg zu Berg springen ; in Lourdes, wo es einmal Koland abwarf, haben noch zwei Teiche die Gestalt seines Fusses und seines Knies; auf einem Berge der Arrensschlucht sieht man den Abdruck _ seines Leibes, anders- wo die Einschnitte, die er mit seinem Schwerte in den Felsen hieb^.

Karl Martells Name ist durch Verwechselung mit Karl dem Kahlen in eine andere Sage verflochten, die ihren Schauplatz in Südfrankreich hat: die Kämpfe Karls mit seinem Vasallen, dem Grafen Girart von ßossilho, bilden den Inhalt des gleichnamigen, zwar erst dem Beginn der folgenden Periode angehörenden epischen Gedichtes, dessen historische Grundlagen aber in das 9. Jahrhundert hinaufreichen. Ohne Frage beruht das Gedicht auf älteren Traditionen, die bis ins zehnte Jahr- hundert zurückgehen; es wird auch nicht die erste poetische Darstellung der Sage gewesen sein, es wird Lieder von geringerem Umfange gegeben haben, die Girarts Thaten feierten.

Gleichfalls dem Süden gehört der Sagencyclus von Guillaume d' Orange an. In ihm vereinigen sich die beiden Kichtungen, die Sara- zenenkämpfe und die theilweise feindliche Stellung der südfranzösischen Grossen zu den Karolingern. Wilhelm von Aquitanien, den die Kirche als Heiligen verehrte, fällt in die Lebenszeit Karls des Grossen, er starb 812. Die Sage aber hat Karl verdrängt und seinen Sohn, Ludwig den Frommen, an die Stelle gesetzt. In zahlreichen nordfranzösischen Dichtungen des 11. bis 13. Jahrhunderts liegt dieser Sagencyclus vor^: für die Existenz provenzalischer Lieder desselben Inhalts sprechen innere wie äussere Gründe. Einmal die Parteinahme für den südfranzösischen Helden gegen den karolingischen König, die durch das Ganze hindurch- sreht, sodann die Namen von mehreren der Helden. Zu Guillaume's Vater wird von der Sage Aimeri de Narbonne gemacht, den Albericus Trium Fontium Nemertcus, d. i. provenzalisch NAimeric, nennt*, eine Form, die auch wirklich in den französischen Handschriften hin und wieder (naimeri) vorkommt. Ebenso provenzalisch ist der Name von Aimer le chetif^ es ist provenzalisch Amiar aus Ademar. Das

2 Vgl. A. Cordier, Bulletin trimestriel de la societe Kainond, Bagnieres de la Bigorre 1870. ^ Guillaume d'Orange. Chansons de geste des XI et XII«

siecles, publiees par W. J. A. Jonckbloet, La Haye 1854, 2 voll. 8. L. Clarus, Herzog Wilhelm von Aquitanien, Münster 1865. 8. L. Gautier, Les epopees frau- 9aises, T. III, Paris 1868. 8. * G. Paris, Histoire poetique de Charlemagne,

Paris 1865. 8, S, 81. Die Einwände von P. Meyer, Recherches sur l'epöpee Iran- 9aise, Paris 1867, S. 43, widerlegen nicht.

Vorhandensein von Liedern dieses Cyclus ist im 10. und 11. Jahrhundert durcli die Vita S. Willelmi^ und durch Ordericus Vitalis^ bestätigt. Allerdings gab es im 10. Jahrhundert auch schon nordfranzösische Dichtungen dieses Cyclus, denn auf solchen, nicht auf provenzalischen, beruht das aus Hexametern in Prosa aufgelöste Haager Fragmente

Eine gleichfalls in Südfrankreich spielende Erzählung ist die lieb- liche Novelle von Aucasin und Nicolette, die wir in französischer Fassung besitzen^: ihren provenzalischen Ursprung bezeugen Oertlich* keilen wie Valence, Bcaucaire, bezeugt ihr ganzer Charakter^; eine poetische Darstellung in provenzalischer Sprache ist wahrscheinlich vor- handen gewesen, aber die französische Fassung ist keineswegs als eine unmittelbare Bearbeitung darnach zu betrachten. Auch für die Ge- schichte von Peter von Provence und der schönen Magelone, die als romanisches und deutsches Volksbuch sehr beliebt war und noch ist, kann man mit FaurieP" den provenzalischen Ursprung aus stofflichen Gründen in Anspruch nehmen. Beide Dichtungen gehören aber erst der folgenden Periode an und sind nur im Zusammenhange hier erwähnt worden.

Das Vorhandensein einer zahlreichen provenzalischen epischen Poesie ist wiederholt behauptet und vertheidigt worden: von Kaynouard^^, FaurieP'^ und zuletzt von G. Paris ^^ Dagegen haben sich P. Paris ^*, Victor le Giere ^^ und P. Meyer ^^ ausgesprochen. In beschränktem Sinne, wie wir es gethan, darf man jener Behauptung beipflichten ; auch ist sie von G. Paris nicht entfernt so ausgedehnt Avorden wie von seinen Vorgängern. Am wenigsten darf man mit Fauriel aus den zahlreichen Erwähnungen^^ bei provenzalischen Dichtern des 12. und 13. Jahr- hunderts auf die Existenz einer Menge von Epen aus allen Kreisen der Sage schliessen, da in jener Epoche die Verbreitung französischer Dich-

^ Qaae enim regna, quae provinciae, quae genies, quae urbes Willelmi potentiam non loquuntur . . . qui chori juvenutn, qui convenius populorum, praecipue miliium ac nobilium virorum, quae vigiliae sanctwum non resonant et modulatis vocibus de- cantani qualia et quanins fuit. Acta SS. Maj. 6, 811. ® Vulgo canitur a jocula-

ioribus de illo caniilefna, sed jure praeferenda est relatio auihentica : ürd. Vit. lib. VI.

' Vgl. Pertz, Monumcnta Geimaniae III, 708 710. G. Paris a. a. 0. S. .50. 84. * Herausgegeben von Meon, Fabliaux et Contes I, 380 418; besser

in den Nouvellos fran9oises du XI 11« siecle p. p. Moland und d'Hericault, Paris 1856, S. 231— 3!)9. " Fauriol III, 183—218. Nouvelles franfoises S. XXXIX f.

'" Fauriel III, 181 f. " Choix 2, 294—319 und im Journal des Savants 1833,

Aug. und Sept. ^^ Histoire de la poesie prov, II und III. " Histoire poetique

de Charlemagne S. 79—91. '* Garin le Loherain S. VI. '^ Histoire litteraire de la France 24, 436. '* Recherches sur l'epopee fran^aise, Paris 1867. 8. " Samm- lungen derselben, die freilich sehr vermehrt werden können, in Rayn. Choix 2, 295 bis 319, und Fauriel a. a. 0. 3, 453 515. Hauptquellen die Gedichte von Guiraut de Cabreira und Guiraut de Calauson, m. Denkmäler der provenzalischen Litteratur, Stuttgart 1856. S. 88-101.

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tungen auch im Süden schon sehr gross war. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist eine Aeusserung des Grammatikers Raimon Vidal, der die französische Sprache für besonders geeignet zu Romanen und Pastourellen, die provenzalische zu Versen, Canzonen und Sirventes erklärt^*. So konnte um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein literarisch bewanderter Mann nicht schreiben, dem eine reiche provenzalische Epik vorlag : dass sie damals schon untergegangen war, kann durch nichts bewiesen oder wahrscheinlich gemacht werden.

§• 6.

Neben grösseren epischen Dichtungen gab es kleiuere epische Volks- gesänge, aus denen jene zum Theil wohl sich entwickelt haben. Nicht alle bildeten sich zu Epopöen heran, auch das unbedeutendere Ereigniss fand seinen Wiederklang im Liede. Solcher volksthümlicher Romanzen gab es auch im südlichen Frankreich, aber sie sind uns verloren. Nur die Anfänge von einigen haben sich in einem späteren Denkmal erhalten, ohne dass sich bestimmen liesse, ob sie dieser oder der folgenden Epoche angehören. In dem geistlichen Schauspiel Sancta Agnes werden zwei Zeilen einer solchen Romanze citiert, deren Melodie einem geistlichen Texte untergelegt wurde:

El hose dt Ardena justal^ palais ausor

a la fenestra de la phis auta tor, in vierzeiligen Strophen, die mit einem kürzeren Verse schlössen^. Ein anderes Original, beginnend AI pe de la montana, war in Alexandrinern verfasst, also wohl jünger als das erste^; ein drittes, in mehr lyrischer Haltung, begann Bei paires cars, non vos vei res am mi"^, ein viertes Vein, aura douza, que vens doutra la 77iar^, ein fünftes Lassa, en can grieu peita^; von mehreren anderen ist nur die geistliche Nach- ahmung erhalten, aber der Anfang des OriginalsWom Schreiber nicht mitgetheilt^. Die Stoffe, soweit sich aus den Anfängen darauf schliessen lässt, sind, wie auch in den nordfranzösischen Volksromanzen ^ vorzugs- weise der Liebe gewidmet : die Klagen eines verlassenen Mädchens und Aehnliches, was das Volkslied aller Zeiten und Völker gerne be- handelt hat.

" La parladura francesca val mais et es plus acinens a far romanz et pastu- rel/as, mas cella de Lemosin val mais per far vers et cansons et servenles. Giani- maires provciKjales p. p. Guessard, edit. p. 71

§. 6. ' Gebessert von P. Meyer, Revue critique 1869, II, 185. ^ Sancta

Agnes 520, vgl. S. XXVI— XXVIII. « Ebenda 643. 1412, vgl. S. XXIX.

Ebenda 026, vgl. S. XXVIII. ^ Ebenda 1061, vgl. S. XXIX. « Ebenda

1395, Tgl. S. XXX. ' Ebenda S. XXX— XXXII. Meine Altfranzösischen

Romanzen und Pastourellen, Leipzig 1870. 8.

§. 7.

Der epische Volksgesang gelangte erst spät zu Aufzeichnungen ; die Lieder wurden gesmigen, von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, aber nicht aufgezeichnet. Der Stand, der im Besitz der literarischen Hilfs- mittel war, der geistliche, nahm an ihm geringes Interesse, die gelehr- ten Schriftsteller blicken mit Verachtung darauf herab. Doch sehen wir seit dem 10. Jahrhundert die Geistlichkeit der Volkssprache sich an- nehmen. Die erste Anregung dazu hatte Karl der Grosse durch Ver- ordnungen, zuerst auf dem Concil zu Arles, gegeben, indem er das Predigen in der Volkssprache empfahl. So erklärt es sich, dass die ältesten uns erhaltenen Denkmäler von Geistlichen verfasst sind und geistlichen Charakter tragen.

In der Poesie der Geistlichen bilden die Stoife der Bibel und Legende den Hauptinhalt. So wurde im 10. Jahrhundert die Passion Christi^ in vierzeiligen Strophen aus achtsilbigen Versen bearbeitet. Die einzige Hs. in Clermont - Ferrand, in der Auvergne, bezeichnet auch ungefähr die Heimat, die an der Grenze des nord- und südfran- zösischen Idioms liegt, wie die sprachliche Mischung aus beiden Ele- menten beweist; das französische Element ist jedoch vorwiegend.

Noch mehr herrscht das französische Idiom in dem wenig jüngeren lieben des heil. Leo de gar (Lethgier), welches in derselben Hs. und den genannten Ausgaben^ sich findet. Hier sind je sechs Zeilen zu einer Strophe verbunden. Die frei benutzte Quelle ist wohl in einer der lateinischen Vitae des Heiligen zu suchen; doch mögen daneben mündliche Ueberlieferungen zu Grunde liegen. St. Leger war Abt in St. Maixent bei Poitiers, daher auch dort vermuthlich die Heimat des Gedichtes ist.

Dagegen sind in rein provenzalischer Sprache die folgenden Legen- den verfasst:

Das Leben des heil. Amandus, Bischof von Eodes, nach Kaynouard aus dem 11. Jahrhundert, aber sicherlich jünger und kaum noch dieser Periode angehörig, da es in Alexandrinern geschrieben ist; ein Bruch- stück, welches in zwei Schriften von Dominicy^ sich mitgetheilt findet, mit der Bemerkung, dass es vor 600 Jahren verfasst und nach dem Latein bearbeitet sei*.

§. 7. * Aufgefunden und herausgegeben durch ChampoUion-Figeac, Documents hisloriques inedits T. IV, Paris 1848, mil einem Facsimilc. Kritisch bearbeitet von Fr. Dicz, Zwei altronianische Gedichte, Bonn 1852. 8, S. 1—34. Dazu C. Hotmann in den Gel. Anzeigen der bayr. Akademie 1855, Nr. 5 ; Diez im Jahrbuch 7, 361 380; C. Hofraann in den Sitzungsberichten der bayr. Akademie 1867, H, 199 ft'. Ein Stück Chrest. fran9. 7—14. ''' Bei Diez S. 35—51 ; ein Stück Chrest. fran?.

13 18. ^ Disquisitio de praerogativä allodiorum in provinciis Narbonensi et

Aquitanicä, Paris 1645. 4, und Ansberti familia rcdiviva, Paris 1648, 4. Danach bei Raynouard II, 152 154, vgl. S. CXLVIII— CL. * Asserit veius auctor qni

Das Leben der heil. Fides von Agen, Bruchstück von 20 acht- silbigen Versen, die zwei einreiniige Tiraden von verschiedener Länge bilden, mitgetheilt von Fauchet ^ und von viel alterthümlichereni Charakter, so dass die Bemerkung der Bibliotheque historique de la France ^ es sei 1080 verfasst, wohl darauf passen könnte.

Das Bruchstück eines gereimten Lebens der heil. Fides von Ko- vergue, die Wunderthaten der Heiligen betreffend, von CateF mit- getheilt, aber ohne nähere Angabe über das Alter. .

Das Leben der heiL Magdalena*: auch hier scheint mir das Alter sehr zweifelhaft. Trotzdem wird nach den wenigen sicheren Belegen das Vorhandensein einer provenzalischen Legendeupoesie in diesem Zeit- raum behauptet werden dürfen.

§.8.

Die Dichtung der Geistlichen griff aber auch nach profanen Stoffen. Auf der Grenze zwischen geistlichem und weltlichem Gebiete liegt das älteste rein provenzalische Denkmal, Boethius^ ein Bruchstück von 258 zehnsilbigen Versen, in Tiraden von ungleicher Länge. Die Hs. ist aus der berühmten Abtei Fleury nach verschiedenen Schick- salen in die Bibliothek von Orleans gekommen, wo Kaynouard sie 1813 entdeckte. Sie gehört dem 11. Jahrhundert an und gibt das proven- zalische Bruchstück am Schlüsse von lateinischen Predigten. Die Auf- zeichnung ist aber keine originale, sondern weist auf eine ältere Vor- lage. Der Vergleich mit provenzalischen Sprach- und Wortformen, die in Urkunden seit 960 erscheinen, berechtigt, das Denkmal nicht später als um 950 zu setzend Der erzählende Theil bildet nur die Ein- leitung, der Hauptinhalt war didaktisch, philosophische Betrachtungen

h. Amantii Ruthenensis episcopi viiam versibus rhythmicis jain asexcentis annis ex veteri latino auctore in rusticam romanam linguam transtulisse metrico sermotie iesiaiur. Für eine viel spätere Zeit spricht aber der einsilbige Gebrauch von j>aor % 154. ^ Ori- gine de la langue et poesie fran^aises, 1581. 4. Danach bei Raynouard II, 144-— 145, vgl. S. CXLVI, ® Nr. 4412: Vie de sainte Fides d'Agen, en vers rimes eu

langue provengale, semblable ä la catalane, ecrite en 1080. '' Histoire des

comtes de Toulouse, Toul. 1623, S. 104 ff. * Im Almanaque historique de

Marseille 1773. Dazu vgl. Cantinella provenfale du XP siecle en l'honneur de la Madeleine chantee annuellement ä Marseille le jour de Päques jusque en 1712. In- troduction, traduction, commentaires et recherches historiques par J. F. Bory, Mar- seille 1862. 8 (mir nicht zugänglich).

.§.8. * Zuerst erwähnt von Loboeuf in seinem ßecueil de dissertations su l'histoire de Paris, II, 1741. Herausgegeben in urkundlichem und bearbeitetem Teite von Raynouard, II, 4-39, vgl. S. CXXVII— CXXXVI. Am besten in Diez, Altromanische Sprachdenkmale, Bonn 1846, S. 39—72; Chrest. 1—8. Zur Text- kritik: Delius in N. Jenaische Lit. Zeitung 1847, S. 743—744. Eine Abhandlung: Histoire litteraire XVI, 601—614. ^ Diez a. a. 0. S. 35.

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über die Nichtigkeit des Irdischen, entiiomnien aus Boethius bekauutem Werke de consolatione philosophiae ; aber von diesem Haupttheile ist nur der Anfang erhalten. In dem vorderen Theile ist die lateinische Vita Boetii benutzt^.

§.9. Ganz dem Profangebiete fällt dagegen des Mönchs Alberich von Besannen Alexander zu, von welchem leider nm* der Anfang erhalten ist^ Das Bruchstück findet sich in der Laurenzianischen Hs. Plut. LXIV. 35, Bl. 115-116, von einer Hand des 12. Jahrhunderts geschrieben. Es sind die ersten 105 Verse des Gedichtes, welches, auf lateinischen Quellen fussend, die älteste Bearbeitung der Alexandersage in einer mittelalterlichen Volkssprache ist; die Form sind Tiraden aus achtsilbigen Versen. Auf ihm beruht theilweise eine französische Bearbeitung, welche in einer Hs. des Arsenals zu Paris und einer zwei- ten des Museo civico in Venedig sich findet^). In letzterer wird auch der Name des Dichters, Auberin le Meine, genannt; den voll- ständigen Namen kennen wir nur aus der deutschen Nachdichtung des Pfaffen Lamprecht ^. Das romanische Gedicht gehört sicherlieh wenig- stens dem 11. Jahrhundert an, da die deutsche Bearbeitung aus der ersten Hälfte des zwölften ist. Die Sprache zeigt dieselbe Mischung nord- und südfranzösischer Formen wie die Passion und Leodegar, doch ist auch hier das Französische vorherrschend. Der Untergang dieses Gedichtes ist sehr zu beklagen, da es unter allen romanischen Alexander- dichtungen nicht nur das älteste, sondern auch das dichterisch bedeu- tendste' war.

§. 10.

Von der Lyrik dieses Zeitraums haben wir nur wenige Spuren. Die Kunstlyrik, welche unmittelbar am Beginn der zweiten Periode uns entgegentritt, zeigt sich dort formell und inhaltlich auf einer Stufe, die auf eine schon durchlaufene Strecke schliessen lässt. Die Anfänge der Lyrik werden wir im Volksgesange zu suchen haben. Mehrere halb lyrische, halb epische Gedichte von volksthümlichem Charakter haben wir oben (§. 6) erwähnt. Erhalten hat sich von dieser ältesten Lyrik

3 C. Hofraann in den Sitzungsberichten der bayr. Akad. 1870, II. 175—182.

§. 9. * Entdeckt und herausgegeben von Paul Heyse, Romanische Inedita, Berlin 1856, S. 1 6, dazu meine Collation im Jahrbuch 11, 159. Chrest. de l'ancieu fran^ais Sp. 25—28. Heber das Gedicht und zur Textkritik vgl. noch A. Rochat in Pfeiffers Germania 1, 273—290; C. Hofmann 2, 95—96; A. Tobler 2, 441-444, und meine Abhandlung Alberich von Besanfon 2, 449 464. * Jahrbuch 11,

167—172; vgl. P. Meyer, Eevue critique 1868, I, 68 f. ^ Den Nachweis dieses

Zusammenhanges lieferte Fr. Pfeiffer in Menzels Literaturblatt 1856, Nr. 18. Die Worte Lamprechts lauten Eiberich von Bisenzün dei- brähte uns diz liet zu Alex. W. 13,

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so wenig etwas wie von der ältesten Epik. So sehr der Geschmack der folgenden Zeit das lyrische Element begünstigte, so abhold zeigte er sich dem volksthümlichen.

Dagegen besitzen wir einige Denkmäler geistlicher Lyrik. Das älteste derselben ist ein Marienlied^ in zwölf vierzeiligen, paar- weise gereimten Strophen von sechssilbigen Versen, in einer Hs. ans St. Martial in Liraoges, jetzt in Paris, ms. lat. 1139, nach Kaynouard aus dem 11., nach Meyer aus dem 12. Jahrhundert,

Sodann ein Hymnus auf Maria^ in Form und Melodie des la- teinischen In Jioc anni circulo, mit dessen Strophen sich die proven- zalischen ablösen, die letzten vier sind aber nur provenzalisch ; im Ganzen 19 vierzeilige Strophen, 8 lateinische und 11 romanische. Der liefrain der letzteren ist lateinisch, und lautet de cinjine Maria, mit kleinen Abweichungen. Die Hs. ist die des vorigen Stückes.

Wahrscheinlich sind diese Lieder wirklich beim Gottesdienste zur Verwendung gekommen. Sicher ist dies nur bei dem Planck de Haut Esteoe^ einer sogenannten epitre farcie, d. h. einem in den Gottesdienst nach der Epistel eingeschobenen liturgischen Stücke, entweder in la- teinischer oder häufiger in der Volkssprache. Der Tag des heiligen Stephan war namentlich dafür beliebt: auch die älteste französische epitre farcie'* aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts bezieht sich auf sein Fest. Neben dieser französischen macht der provenzalische Planc- tus in vierzeiligen Strophen von achtsilbigen Versen den Eindruck gleicher Alterthümlichkeit und Einfachheit. In beiden beginnt der Dichter wie vor einem weltlichen Publicum mit der Aufforderung an die ,Herren'^ sich zu setzen und still zu sein. Es ist im Wesentlichen eine kurze Darstellung des Lebens und Leidens des Heiligen. Die Aufzeich- nungen gehören jüngerer Zeit an, wir besitzen deren fünf: a, in einem Martyrologium von 1318 in Aix; b, in einer Hs. des Capitels von Agen; c, in einem Missale des 14. bis 15. Jahrhunderts in Koussillon; d, eine catalanische in einem gedruckten Missale der Kirche zu Eine von 1511; e, in der Pariser Hs. LaValliere 151, aus dem 17. Jahrhundert. Schon

§. 10. * Leboeuf, Academie des iiiscriptions 17, 717. Kaynouard 2, lo5 188 vgl. S. CXLV. Rochegude, Parn. Occit. XX— XXII. E. du Meril, Poesies inedites du moyeii-äge, Paris 1854, S. 334 - 337. Am besten bei P. Meyer, Änciennes poesies religieuses en langue d'oc, Paris 1860, S. 18 f., und Chrest. 17 20. ^ Gedruckt

bei Kochegude a. a. 0. XXII f. (nur theilweise^; Du Meril a. a. 0. 337 f. P. Meyer a. a. 0. S. 15 17. Bloss die provenzalischen Strophen Chrest. 15 18.

3 Gedruckt Raynonard 2, 146 151 mit dem lateinischen Texte, vgl. S. CXLVI bis CXLVIII. Varietes religieuses ou choix de poesies provengalcs avec notes, Aix 1860, S. 183 ff. Societti agricole et litteraire des Pyrenees orientales, Perpignan 1866, XIV, 174 ft". P. Meyer in der Revue des societes savantes des departements, 4" serie, V, 299—301. Chrest. 21—24. * Herausgegeben von G. Paris im Jahrbnoh 4,

311 317. Chrest. frany. ed. 49-52. ^ Ira französischen üaiguos barun.

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diese Aufzeichiiimgen verschiedener Jahrhunderte beweisen, wie lange das Gedicht im kirchlichen Gebrauche blieb: dies bestätigt auch das Zeugniss des Nostradamns für Aix^. Benutzt wurde der Planctus in der Sancta Agnes ^ was die Popularität desselben am Anfange des 14. Jahrhunderts beweist.

Von einer zweiten derartigen Epistel, auf den Evangelisten Johannes*, besitzen wir nur die zwei ersten Strophen, die beiden ersten Zeilen der ersten sind dazu unleserlich. Die Einrichtung und Form ist ganz die- selbe, auch sie begann wahrscheinlich mit Senhors^.

Ein provenzalischer Zwischengesang in der Weihnachtsmesse, bestehend aus sechs zehnsilbigen Versen, ist in der mehrfach erwähnten Hs. von St. Martial erhalten ^^ Er wurde nach einem Stücke in selir hoher Tonart gesungen, daraus erklärt sich der Ausdruck ,ich bin etwas müde, denn zu hoch war die Melodie' ^^

Von mehreren geistlichen Liedern, deren Alter sich nicht genau feststellen lässt, die aber jedenfalls sehr verbreitet und populär waren, sind in der Sancta Agnes die Anfangszeilen bewahrt. Das eine beginnt Bei seiner jjaire glorios Cid tot quant es deu ohesir^'^ ', ein zweites Jha non ti quier que mi fasas perdo D'aquest pecat seyner quieu hanc feses^^.

Wenn diese und mehrere der envähnten vielleicht auch erst der folgenden Periode angehören, da die Handschriften nicht über das 12. Jahrhundert zurückreichen, so bezeichnen :5ie doch den Charakter der ältesten geistlichen Dichtung in lyrischer Form.

§. 11. Die didaktische Dichtung dieses Zeitraums beschränkt sich auf die geistliche Lehre: es galt dem Laien in ihm verständlicher und leichtfasslicher Form die Glaubenslehre beizubringen. Diesem Zwecke dient ein Glaubensbekenntniss, in Versen von ungleicliem Masse. Es findet sich auf die leeren Blätter eines Horaz und Persius des 12. Jahrhunderts (Pariser Bibliothek, suppl. lat. 1743) eingetragen ^ Daran schliesst sich unmittelbar, wohl von demselben Verfasser herrührend, und auch in ähnlicher Mischung der Versmasse, ein B ei cht bekenn t- niss^. Zweifelhaft ist bei beiden Stücken das Alter, und vielleicht sind sie erst zu der folgenden Periode zu rechnen.

« Vgl. Sancta Agnes S. XX, Änm. 1. ^ V. 1420—27; vgl. S. XX— XXIII.

* Erhalten in der Aufzeichnung d der Epistel von St. Stephan, gedruckt Societe agricole etc., Meyer a a. 0. 300 f. ^ Der erste Buchstabe ist S. *" Gedruckt

im Parn. Occ. XX. Rayn. 2. 134. P. Meyer, Änciennes potjsies S. 16. " Un

ßauc toi las, que irop fo aut lo sos. ** Sancta Agnes V. 1388, vgl. S. XXIII f.

" \. 1022, doch vgl. S. XXIII.

§. 11. * Gedruckt bei P, Meyer, Änciennes poesies S. 6 10. ' Bei Meyer

a. a. 0. S. 10—14; ein Stück daraus Chrest. 19—22.

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§. 12. Das einzige prosaischeDenkmal, wenn wir die Urkunden, die mit der Literatur nichts zu thun haben, bei Seite lassen, ist die Ueber- setznng des 13. bis 17. Capitels des Evangeliums Johannis^ welche C. Hofmann in einer Hs. des British Museum (Bibl. Harl. 2928, 11. bis 12. Jahrhundert) entdeckte und herausgab. Auf dem drittletzten Blatte der Hs. findet sich ein Eintrag von jüngerer Hand, auf das Jahr 1135 bezüglich. Nach P. Meyer ^ ist das Denkmal in waldensischem Dialekte geschrieben. Wenn dies richtig, dann beweist schon vor der Gründung der waldensischen Secte dieses Bruchstück ein auf Popula- risierung der heil. Schrift gerichtetes Bestreben im 11. Jahrhundert.

§. 13.

Die Denkmäler der ersten Periode zeigen die Sprache noch im Werden; häufig werden noch halb- und ganzlateinische Worte unter- gemischt. Noch hat sie keine Festigkeit erlangt, die mundartliche Färbung überwiegt: kaum ein Denkmal gleicht dem andern in seiner sprachlichen Gestaltung. Nichts deutet auf eine auch nur annähernd ausgebildete und allgemeine Literatursprache. ^Mehrere, dem Grenz- gebiete der langne d'oc und langue d'oil angehörend, schwanken zwischen den sprachlichen Erscheinungen beider Gebiete. Ueberhaupt waren die beiden Sprachen damals noch nicht so scharf gesondert wie in späterer Zeit.

In der Metrik finden sich die Hauptformen der jüngeren Poesie bereits vor. Der achtsilbige Vers, paarweise gereimt und zu vierzeiligen Strophen, oder mehrfach gereimt zu einreimigen Tiraden verbunden, steht mit der ältesten christlichen Hymnenpoesie, und diese mit dem römischen Volksgesange in Zusammenhang. Der zehnsilbige Vers, mit einer Cäsur nach der vierten, wenn weiblich, nach der fünften Silbe, liat nur an dieser Stelle und im Keime feste Acc^nte, im Uebrigen ist er, wie die romanischen Verse überhaupt, nur nach Silben gezählt, wenn auch von allgemeinem rhythmischen Gefühl geleitet. Seltener verwendet werden der viersilbige, sechs- und siebensilbige Vers, der letztere nur in einer Nachahmung eines lateinischen Hymnus (§. 10, 2), der erstere nur in verdoppelter Form, oder, wenn einzeln, nur am Schluss der Strophe (§. 6, 2). Der Alexandriner kommt wohl kaum schon in diesem Zeiträume vor (§. 7). Der Keim ist überwiegend stumpf, häufig noch assonierend, aber schon in dem ältesten provenzalischen Denkmal^ dem Boethius, von einer auffallenden Reinheit.

§. 12. ' Gelehrte Anzeigen der kgl. bayr. Akademie 1858, Juli, S. 73—78, 81—85. ehrest. 7—16. Vgl. dazu Diez im Jahrbuch 1, 363— 36G. Wenig correct bei Fr. Michel, Libri psalraorum versio antiqua gallica, Oxonii 1860, S. 369—376.

* Uibliotheque de l'Bcole des chartes 11, serie, p. 540.

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Zweite Periode.

Das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert.

§. 14.

Es ist das Zeitalter der Kreuzzüge, die Periode der reichsten Ent- faltung aller geistigen und materiellen Kräfte des Mittelalters. Der Süden Frankreichs erfasste die Idee der Kreuzzüge gleich mit grosser Lebhaftigkeit. Der Träger der Zeitgedanken ist das Kitterthum, welches in Franb-eich zur Ausbildung gelangte, und dessen Ideen bald ganz Europa durchdrangen und beherrschten. Es bildete eine überschwängliche Frauenverehrung zu einem förmlichen System der Liebeskunst aus. Die provenzalische Poesie, in welcher der Geist des romantischen Mittelalters sich zuerst entfaltete, erreicht in dieser Periode ihren Höhepunkt; doch lässt sich innerhalb ihrer ein Steigen und Absinken wahrnehmen. Um 1200 ist ihre Blüthezeit zu setzen: die Vollendung der dichterischen Form, die Ausbildung des Inhaltes der Lyrik kommt zum Gipfelpunkte der Verfeinerung. Mächtige Herren, Könige und Fürsten, beschützen die Dichtkunst und treten zum Theil selbst in die Keihen der Troubadours. Die Sänger ziehen von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, überall wohl aufgenommen und geehrt. Wandernd gehen sie weit über die Grenzen des provenzalischen Sprach- gebietes hinaus und tragen südfranzösische Poesie und Sitte nach fremden Ländern. Es ist das Zeitalter der vollendeten Kunstpoesie.

Das dreizehnte Jahrhundert bezeichnet das allmähliche Absteigen von dieser Höhe. Die politischen Verhältnisse sind die Hauptursache desselben. Die Fürsten, mehr mit dem Ernst der Zeit beschäftigt als zur Freude am Gesänge aufgelegt, ziehen sich mehr und mehr von der Theilnahme an der Poesie zurück. Daher häufen sich die Klagen der Dichter über abnehmende Förderung. Der Albigenserkrieg ver- nichtet den inneren wie den äusseren Frieden des südlichen Frankreichs. Doch schon in der Poesie selbst lagen die Keime ihres Verfalls. Sie hatte eine Subtilität des Inhalts und der Form erreicht, deren Ueber- bietung nothwendig zum Ungeschmack führen und einen Sturz nach sich ziehen musste. Ueberkünstlichkeit der Form neben Leere des Inhalts ist der vorherrschende Charakter. Mit dem Ernste der Zeit schlägt aber auch die Poesie ernstere Töne an, sie predigt mit zürnen- der und strafender Stimme. Seit der Mitte des Jahrhunderts wendet man sich mehr der wissenschaftlichen Poesie zu: grosse Lehrge- dichte, die encyklopädisch das ganze Wissen der Zeit umfassen, ent- stehen; Gelehrsamkeit sucht den Mangel an Poesie zu ersetzen. Da- neben wird die Legende und die Prosa cultiviert, und damit kehrt die

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Literatur zum Charakter des vorigen Zeitraums zurück, ohne dessen Einfachheit »u haben.

§. 15.

In der epischen Poesie begegnen wir hier zum ersten Male einem Denkmal aus dem Kreise der nationalen Sage, das in seiner Grundlage und seinen Quellen in den vorigen Zeitraum (§. 5) hin- aufreicht.

Girart von Rossilho, von einem ungenannten Dichter, jeden- falls nach dem ersten Kreuzzuge, aber wohl nicht später als im An- fang des 12. Jahrhunderts verfasst: eine Perle im Kranze der epischen Dichtung Frankreichs und ein glänzender Beweis, dass Südfrankreich keineswegs unempfänglich für den Geist des Epos war. Den Inhalt bilden die Kämpfe zwischen Karl Martell, der durch Vermischung der Zeiten für Karl den Kahlen eintrat, und seinem Vasallen, dem Grafen Girart von Rossilho, das Unglück, die jahrelange Verbannung desselben, in welche sein treues Weib ihn begleitet, und die schliessliche Ver- söhnung mit dem König. Die Sprache ist von edler Einfachheit, die ganze Darstellung gedrungen und kräftig. Der mundartliche Charakter der Ueberlieferung weist die Heimat auf die Grenze beider Sprach- gebiete. Wir besitzen eine vollständige, zwei i^nvollständige Hand- schriften und ein kleines Bruchstück \ A, Hs. der Bodleiana in Oxford, canon. misc. 63, 13. bis 14. Jahrhundert^. B, Pariser Hs. frany. 2180, anc. 7991. 7, zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts: es fehlen etwa die ersten 560 Verse ^. C, Londoner Hs., Bibl. Harleiana 4334, Anfang des 14. Jahrhunderts ; nur 3529 Verse *. D, Fragment von Passy, 5 Blätter, Anfang des 13. Jahrhunderts, im Besitze von P. Meyer ^ Von diesen ist nur B in rein provenzalischer Sprache, C und D fast ganz ins Französische umgeschrieben, A in einem Mischdialekte, der wahrschein- lich dem ursprünglichen am nächsten kommt, wie auch der Text von A der beste und vollständigste ist. Eine kritische Ausgabe steht noch bevor *. Nichts gemein hat mit dem provenzalischen Gedichte ein

§, 15. * Uebcr das Verhältniss der Hss. vgl. P. Meyer im Jahrbuch 11, 121 142.

* Abdruck der ersten 3190 Verse bei Mahn, Gedichte der Troubadours, Nr. 300 und 401. 3 Danach herausgegeben von C. Hofmann. Berlin 1855—57. Weniger

correct von Fr. Michel. Paris 1856, Im Auszuge Lex. Roman. 1, 174 224.

'' Abdruck in Fr. Michels Ausgabe S. 285—396. " Abdruck eines Stückes

im Jahrbuch 11, 126—128. ° Versuch einer Bearbeitung nach mehreren Hss.

im LB. 3—25. Chrest. 31—44. Eine Uebersetzung hat P. Meyer begonnen in der Eevue de Gascogne, Bd. X. XI (Auch 18G9-70); früher gab eine solche, aber sehr mangelhaft, Märy-Lafon in der Revue de Toulouse 1858. Vgl. über das Ge- dicht noch Fauriel, Histoire litteraire 22, 167—180. P. Meyer, Etudes sur la chanson de Girart de Rossilho, Hibliotheque de l'Ecole des ehartes 1859. Kanne- giesser im Archiv für das Studium der neueren Sprachen 2-1, ^69 384.

-^ 15

altfranzösisches des 14. Jahrhunderts in paarweise gereimten Alexan- drinern, welches in zahlreichen Handschriften erhalten ist und auf einer lateinischen Chronik beruht ', wie auch eine französische Prosa, welche 1447 Jehan Vauquelin übersetzte *.

Aus dem Französischen ins Provenzalische übertragen^ ist ein anderes Gedicht des karolingischen Sagenkreises, Fierabras, von dem es eine provenzalische Handschrift in der Wallersteiner Bibliothek zu May hingen gibt ^^. Ueber die Mchtursprünglichkeit des Provenzalischen waltet jetzt kein Zweifel mehr; die Veröffentlichung des französischen Originals hat das Verhältniss ins Klare gesetzt ^ ^

§. 16.

Die geschichtlichen Ereignisse dieses Zeitraums fanden ebenfalls ihr Spiegelbild in der Poesie. Am bedeutsamsten in ihren Wirkungen waren die Kreuzzüge und der Albigenserkrieg, daher wir mit ihnen die historische Dichtung beschäftigt sehen.

Guillem Bechada^^ aus ritterlichem Geschlechte in Limousin, verfasste frühestens 1118, sicherlich vor 1137, auf Veranlassung des Bischofs Eustorgius von Limoges^ ein provenzalisches Gedicht, welches die Eroberung von Jerusalem durch die Kreuzfahrer zum Gegenstande hatte ^ Zwölf Jahre verwendete er auf das W^erk, welches uns leider nicht erhalten ist. Nach P. Paris * beruht ein Theil der französischen Geste des Schwanenritters, die Einnahme von Jerusalem, möglicherweise auf Guillems Werke.

Graf Guillem IX von Poitou, den wir als lyrischen Dichter kennen lernen werden, erzählte in gereimten Versen nach seiner ßück-

' Le Roman en vers tres-excellent, puissant et noble homme Girart de Roussillon, publ. par Mignard, 1858, nach den Handschriften von Paris (suppl. fran^ais 254. 2), Sens und Troyes (Nr. 7421 ; vgl. dazu Littre's Recension im Journal des Savants, April 1859. Andere Hss. sind in Montpellier (Nr. 244 und 349), Brüssel (Nr. «23: Auszug danach in Mone's Anzeiger 4, 208 222) und Bern (Sinners Katalog 2, 185)

^ Wiener Handschrift 2549. * Wie ich schon 1855 für wahrscheinlich er-

klärte. LB. X. *o Entdeckt von Lachmann. Herausgegeben von J. jBekker,

Abhandlungen der Berliner Akademie 1829, S. 129—278. Auszug im Lex. Rom. 1. 290—314. »' Ausgabe von A. Kroeber und G. Servois, Paris 1860. Dazu

G. Groeber, Die handschriftliche Gestaltung der Chanson de geste .Fierabras'. Leipzig 18G9, und Jahrbuch 11, 219—224 (K.B.), Uoxue critique 1869, II, 121— 12G (G. Paris). Vgl. noch Fauriel, Histoire litteraire 22, 190—212. Sachs in Herrige Archiv 26, 141— 16.^.

§. 16. Histoire litteraire 10, 403 heisst er fälschlich Gregoire Bechade.

2 Er war Bischof 1106—1137. ^ G. coynomenio Bechada de castro de Tunibus, professione viiles, iubtüissimi ingenii vir, aliqitanlulum imbutus litteris, horum gesta prieliorum, materna, ut ita dlxerim, l'mgua, rhyihmo vulgari, ut populus plentter In- telligeret, ingens rohivien decenter composnit Gottfried von Vigeois. Hist. litt. 10, 553. * Histoire litteraire 22, 353.

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kehr aus dem heiligen Lande in Gegenwart von Fürsten und Herren die Erlebnisse und Unglücksfälle seines Zuges von 1 101 ^ Auch von diesem Berichte, der vielleicht nur improvisiert war, hat sich nichts erhalten.

Die Frage ist aufgeworfen worden *', ob es eine provenzalische Chanson d'Antiocha, über die Belagerung und Einnahme von Antiochien, (1098) gegeben, auf welche in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Guiraut von Cabreira ' und im Anfang des 13. die Albigenserchronik ^ anspielen. Indess beide Beziehungen sind mit grösserem Rechte, ebenso wie die meisten anderen der Troubadours, auf französische Chansons de geste zu deuten.

Erhalten ist dagegen die poetische Darstellung des Albigenser- krieges, in Alexandrinern von zwei Dichtern verfasst, von denen sich der eine Guillem de Tudela nennt. Beide unterscheiden sich sprachlich und metrisch, letzteres dadurch, dass der Halbvers, welcher die Tiraden schliesst, beim ersten Dichter mit der folgenden Tirade gereimt, beim zweiten, ungereimt, dem Inhalte nach im ersten Verse der nächsten Tirade wiederholt wird^. Die einzige Handschrift be- findet sich in Paris, La Valliere 91, anc. 2788**^; ein Fragment einer zweiten besass Raynouard ^ ^ . Als secundäres Hilfsmittel dient die prosaische Auflösung (§. 40), welche auf einen vollständigeren Text hinweist.

Wir schliessen daran ein dem Inhalte nach verwandtes Denkmal, ein Ketzerverhör, welches ein Mönch Izarn mit einem albigensischen Ritter Sicart de Figueiras vornimmt, der sich schliesslich auch zur Reue bekehrt. Es führt in der einzigen Hs. La Vall. 14, Bl. 122, die Aufschrift Las novas del heretge ^^, und ist in Alexandrinern ver- fasst, mit derselben metrischen Eigenthümlichkeit, die der erste Verfasser der Albigenserchronik zeigt, jedenfalls von einem Zeit-

* Plclavensis vero dux . . . miserias captivitatis suae, ut erat jocundus et lepidiis, jwstmodum prosperitate fultus, corain regibus et magnatis atque christianis coetibus, muüotiens retulit rhythmids versibus cum facetis modulationibus Orderic. Vital. VI, p. 703. Histoire litteraire 22, 354 f. ' Denkmäler 91, 25 d'Äntiocha

non sabs re ja. * V. 28 f. Senhora, esta canso es faita daital guia com sela

dAniiocha e ayssis versifia. ® P. Meyer, Recharches sur les auteurs de la chanson de la croisade Albigeoise, ßibliotheque de l'Ecole des chartes 6* serie, T. I. Dazu Cenac-Moncaut, De la veritable origine de l'auteur de la cansos de la croxada, L'investigateur 1868, und Lettre ä Mr. P. Meyer sur l'auteur de la chanson de la croisade Albigeoise en particulier et sur certains procedes de critique en general. Paris 1869. 8. " Ausgabe von Fauriel in der CoUection des documents inedits.

Paris 1837. 4; im Auszuge Lex, Rom. 1, 225—289. Ein Stück Chrest. 179—186. Vergl. noch Fauriel, Histoire litteraire 22, 240—258. G. Guibal, Le poeme de la croisade contre les Albigeois, Toulouse 1863, und dazu Heidelb. Jahrbücher 1865, Mai. Lex. Rom. 1, 226. *^ Ein Stück daraus LB. 123—127. Chrest.

185-190. Im Auszug bei Raynouard 5, 228—234.

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genossen, wahrscheinlich dem Prior Izarn, auf welchen jene Chronik ^^ sich beruft.

Der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gehört die gleichfalls von einem Zeitgenossen verfasste gereimte Darstellmig des navarrischen Krieges von 1276 und 1277 durch Guillem Anelier aus Toulouse, den wir auch als Lyriker kennen^*. Das weitläufige Werk steht an Lebendigkeit der Darstellung hinter der Albigenserchronik sehr zurück, der es auch im Interesse, das der Stoff erweckt, nicht gleichkommt.

§. 17.

Die Thiersage wird zwar von den Troubadours oft in Bezug genommen, indem Bainart und Isengri sprichwörtlich häufig erwähnt werden ^ ; aber nichts beweist die Existenz von provenzalischen Dich- tungen dieses Sagenkreises. Seine Pflege fand er vielmehr in Nord- frankreich, wo er zum ausgebildeten Epos sich entfaltete. Bemerkeus- werth ist jedoch ein provenzalisch geschriebener kleiner Abschnitt, welcher in einigen Hss. sich findete Hier ist wohl absichtlich von dem französischen Dichter dem aus Granmont kommenden Bruder Bernart, der den zum Tode bestimmten Beinhart losbittet, das südliche Idiom in den Mund gelegt.

§. 18.

Die höfische Erzählungskunst griff nicht nach nationalen Stoffen, sondern nach den Romans d'aventures. Unter diesen nehmen die Er- zählungen von Artus und der Tafelrunde die oberste Stelle ein. Artus, der Nationalheld von Wales, wurde zum idealen Mittelpunkte des Ritter- thums : seine Tafelrunde vereinigte die Ideale ritterlicher Tapferkeit und Höflichkeit. Von Wales wanderten jene Erzählungen nach der Bretagne und kamen von da nach Nordfrankreibh, wo Crestien de Troies (zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts) ihr Hauptbearbeiter und Verbreiter wurde. Durch Vermittelung Nordfrankreichs wurde auch der Süden damit bekannt, doch hat er es zu selbständigen Dichtungen nur spärlich gebracht.

Der einzige erhaltene Roman dieses Kreises ist Jaufre, von einem ungenannten Verfasser nicht vor der Mitte des 13. Jahrhunderts verfasst, wie die Sprache beweist. Die einzige Beziehung darauf bei Lanfranc Cigala,

'' V. 1887 so me comtec nizarns qu'era adoncs prior de trastot vielh Mores.

" Histoire de la gucne de Navarre, publ. avec une traduction, une introduction et des iiotes par Fr, Michel, Paris 1856. 4. (Collection des Documents inedits.)

§. 17. ' Fauriel 3, 513. Ändere Erwähnungen von Bainart sind bei Peire Cardenal, Rayn. 4, 346; Folquet de Romans, Lex. Rom. 1, 493; Guillem von Berguedau, Mahn, Gedichte 50; Serveri, ebend. 777; Flamenca 3695: von Isenyri bei Peire Cardenal, Rayn. 4, 343. 361. '^ In den Hss. des fonds Gange 68

und 195; in Chabaille's Supplement zum Roman du Renart, Paris 183'), S. 177. Dazu Jahrbuch 12, 1. Heft.

Bartsch, Grundriss. 2

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der Estout de Vertfoill, einen der Helden des Komans, erwähnt \ stimmt zu dieser Datierung. Früher '^ deutete man mit Unrecht den nicht mit Namen genannten König von Aragon, an dessen Hofe der Dichter die Erzählung vernommen haben will, auf Petrus H (f 1213), richtiger wohl auf Jacob I oder Petrus HI. Der Stoif ist aus andern Bear- beitungen nicht bekannt und wahrscheinlich eine freie Erfindung des Dichters oder seines Gewährsmannes. Die Abenteuer des Kitters der Tafelrunde Jaufre, seine Liebe zu der schönen Brünessen von Monbrun, und deren schliessliche Erlangung bilden den Inhalt. Darin vorkommende Ortsnamen, wie Monbrun und Vertfoill, suchen die Geschichte auf südfranzösischem Boden zu localisieren, beweisen aber gerade dadurch die Erfindung. Erhalten ist das Gedicht in drei Handschriften: A, Pariser Hs. fran9. 2164, anc. 7988; B, Pariser Hs. fran9. 12571, anc. suppl. fran9, 468; C, Vaticanische Hs. 3206, nur ein grösseres Bruchstück auf Bl. 84 99. Eine vollständige Ausgabe besitzen wir noch nicht ^.

Die öfter aufgeworfene Frage*, ob Arnaut Daniel einen proven- zalischen Lancelet verfasst habe, muss entschieden verneinend beantwortet werden. Denn das Zeugniss von Torquato Tasso kann nicht ins Ge- wicht fallen, und die Aeusserung Dante's, der Arnaut versi dJamore e prose dl romanzi beilegt ^ kann höchstens beweisen, dass Arnaut wirk- lich noch Anderes als lyrische Gedichte verfasst hat.

Als Verfasser seiner Quelle nennt der Stricker, ein deutscher Dichter zwischen 1230 und 1250, in seinem Daniel von Blumenthal" den Dichter des Alexander (§. 9), Alberich von Besan9on '^. Diese Angabe ist als eine Fälschung erwiesen ^; aber damit fällt die Mög- lichkeit nicht weg, dass der Stricker eine südfranzösische Quelle be- nutzte ; sie wird vielmehr durch die Betrachtung der Eigennamen seines Gedichtes zu hoher Wahrscheinlichkeit, denn Namen wie Beiamts, Matür, Clüse, Madagran finden ihre Erklärung in den pr(^venzalischen Beiamis, Madur, Clusa, Matagram-, auch der Name Valflor, dem Bluomenfal entsprechend, kommt im Provenzalischen vor ^.

§. 18. * et faullas d! Estort de Vertfoill Rayn. 2, 290. Mit Estout bei Guiraut von (Jabreira (Denkmäler 90, 28) ist wohl nicht, wie Eaynouard (a. a, ü.) will, dieser gemeint, ^ Kaynouard 2, 286 f, Histoire litteraire 22, 224. ^ Gedruckt,

mit zahlreichen Lücken, Lex. Rom. 1, 48 173. Ergänzungen dazu gab C. Hof- mann in den Sitzungsberichten der Münchener Akademie 1868, II, 167—198. 343—366, Ein Stück, nach allen drei Hss. bearbeitet, Chrest. 241—254. Vgl, noch Fauriel, Histoire litteraire 22, 224—234. * Ueber dieselbe vgl, Diez, Poesie der Trou-

badours 207—212. Fauriel, Histoire litteraire 22, 212-223, G. Paris in der Biblio- theque de l'Ecole des ckartes, 26^ annee, I, 250 254, C, Hofmann in den Münchener Sitzungsberichten 1870, II, 48-51. Vgl. auch Baechtold, der Lanzelet des Ulrich von Zatzikhofen 1870, ' Purgatorio 26, 118, * Auszug desselben

in meiner Ausgabe von Strickers Karl S. VIII— XXIV. * von Biaenze meister

Albrlch der brühte eine rede an mi^h ü« weihischer zungen Germania 2, 29, * Durch Holtzmann, Germania a. a. 0. » Vgl. meinen Nachweis, Germania 2, 451 f.

19

Noch wichtiger ist das Vorhandensein eines wenn auch nicht rein provenzalischen Perceval. Wolfram von Eschenbach nennt neben Crestien de Troies, dessen conte del graal wir besitzen, als zweite von ihm benutzte Quelle den Provenzalen Kiot d. h. Guiot ^°. Die Betrachtung der Eigennamen in Wolframs Parzival und Titurel ^ ^ führt zu dem Ergebniss, dass das Gedicht Guiots auf der Grenze des nord- und süd- französischen Sprachgebietes verfasst war, im Dienste Heinrichs II von England, aus dem Hause Anjou, weshalb der Dichter das Geschlecht der Gralköuige in Anjou heimisch sein Hess, um seinen Gönner damit zu verherrlichen ^^. Die ältesten Beziehungen auf die Sage in Süd- frankreich gehen ins zwölfte Jahrhundert zurück ^^ Von rein provenza- lischen Namen ist der des Hundes Gardemaz, d. h. Garda-vias, im Titurel zu nennen, den Wolfram durch Hüete der verte übersetzt ^*.

Ganz ohne Anlehnung an einen bestehenden Sagencyclus ist der in einer Turiner Handschrift (E. IL 34) erhaltene Roman von Bland in de Cornoalha (Cornwallis) und Guilhem de Miramar^'', den schon Nostradamus kannte und erwähnt ^''. Den Inhalt bilden die Thaten der beiden genannten Ritter und ihre Liebe zu Brianda^ beziehungsweise Irlanda. Das Werk des ungenannten Dichters ist von geringem Um- fange und mittelmässigem Werthe.

Dagegen bietet ein anderer Roman ein zwar nicht stoffliches, wohl aber culturhistorisches Interesse: Flamenca, wohl nicht früher als um die Mitte des 13. Jahrhunderts verfasst, ebenfalls nur in einer einzigen Handschrift in Carcassonne erhalten ^\ Der Stoff beruht, trotz der vielen geschichtlichen Namen, die darin begegnen, auf keiner histori- schen Grundlage, sondern ist freie Erfindung des Dichters, der seinen Namen uns verschwiegen hat ^^. Der Hauptreiz liegt auf der sitten- geschichtlichen Seite, in dem uns vergönnten Einblick in das Leben und Denken der damaligen Zeit. Die Erfindung selbst ist ziemlich dürftig, die Erzählung zieht sich sehr in die Länge; nachdem die Liebenden durch List an das Ziel ihrer Wünsche gelangt sind, erkaltet

'" K'iot ist ein ProvenziU, der dise äventinr von Parzival heidensch getchriben sack, atoaz er en franzoys da von gesprach, daz sage ich tituchen fiirbaz Parz. VIII, 565—570. Vgl. IX, G05. G11.6G2. XVI, 1205. " Vgl. meine demnächst erscheinende Ab-

handlung in der Germania. *' Parzival I, S. XXVII XXIX. " Die früheste Lei Raimbaut de Vaqueiras, der auf Percevals Abenteuer mit dem rothen Ritter anspielt. Mahn, Werke 1, 3G6. " Parzival I, S. XXVIII. '= Auszug im

Lex. Rom. 1, 315—320. Vgl. dazu HLstoire litteraire 22, 234-236. »« Vies

des plus celebres poetes provensaux, S. 139. " Le Roman de Flamenca publie

par !P. Meyer, Paris 18G5. 8. Dazu meine Kritik im Jahrbuch 7, 188—205. A. Tobler in üötting. Gel. Anzeigen 1866, S. 1767—90. A. Mussafia im Jahr- buch 8, 113—119. Auszug im Lex. Rom. 1, 1—47. Ein Stück in meiner Chrest. 287—292. Abhandlung in Histoire litteraire 19, 776—787. "* Der V. 1740

genannte Bemardet kann nicht wohl der Verfasser sein.

2*=

20

das Interesse, und die neu angebahnten Verwickelungen, deren Ausgang nicht erhalten ist ^^, vermögen nicht zu fesseln. Archambaut, ein Herr von Bourbon, gewinnt die Hand der schönen Grafentochter Flaraenca, und schliesst sie aus Eifersucht ein, was aber nicht ver- hindert, dass ein Ritter, Guillem von Nevers, der sich in sie verliebt hat, doch zu ihr zu gelangen weiss. Die sinnreichen und subtilen Mittel, wodurch die Liebenden ihre Vereinigung bewerkstelligen, nehmen den grössten Theil des Gedichtes ein.

Noch haben wir von einem Romanstoffe Kunde, der in Südfrank- reich ausserordentlich populär und verbreitet war. Er behandelt die Liebe eines Edelknappen Andrieu zu einer Königin von Frankreich, welche Liebe ihm das Leben kostete. Er wird von den Troubadours als Beispiel einer überschwenglichen, ja unsinnigen Liebe hingestellt ^^. Nostradamus führt Pons de Brueil, in welchem leicht Pons de Cap- dueil zu erkennen ist ^ S als den Verfasser eines Romans de las amours enrabyadas de Andrieu de Fransa, qui mourut par trop aymer, (S, 83) an. Dies beruht auf einer Verwechselung: Pons de Capdueil führt nirgend Andrieu de Fransa an, wohl aber den Verstecknamen Mon Andrieu 2^, woraus Nostradamus seine Notiz geschmiedet hat, indem ihn wohl das mon dazu veranlasste. Nostradamus bemerkt, er habe den Roman noch nicht wieder aufgefunden. Dass es aber Dichtungen über Andrieu gegeben, geht aus dem Ausdrucke Gaucelm Faidits cel Andrieus quom romansa"^^ liervor; und dass sie provenzalisch waren, beweisen die zahlreichen Anspielungen der Troubadours, denen keine französischen gegenüberstehen.

Auch eine provenzalische Bearbeitung der Geschichte von Floris und Biancaflor muss es gegeben haben., da auf den Stoff schon die Gräfin Beatrix von Dia, die Geliebte des Grafen Raimbaut von Orange (f 1173), anspielt'-**, zu einer Zeit, die über die erhaltenen Bearbeii^ungen in französischer Sprache um mehrere Jahrzehnte hinaufreicht. Auf diese provenzalische Dichtung wird sich daher auch wohl Guiraut de Cabreira^^ beziehen.

§. 19.

So wenig wie in Bezug auf das Epos und den Roman, kann sich hinsichtlich der Novelle, provenzalisch wova« oder comte^ das südliche Frankreich mit dem nördlichen messen. Der reich entwickelten Literatur der Fabliaux und Contes, die sich durch gewandte und pikante Dar-

*^ Die Hs. bricht ab; auch der Anfang des Gedichtes, aber nicht viel, fehlt.

Eine Sammlung solcher Stellen bei Raynouard 2, 299—301. Fauriel 3, 497 f.; sie lassen sich aber bedeutend vermehren. *' Diez, Poesie der Troubadours

S. 212. 22 Mahn, Werke 1, 339. 345. Gedichte der Troubadours 1037, 7.

Raynouard % 800. " Mahn, Werke 1, 88. -* Denkmäler 92, 33.

Andere jüngere Erwähnungen bei Rayn, 2, 304 f. Fauriel 3, 459—461.

21

Stellung auszeichnen, freilich oft auch ins Frivole und Obscöne ver- fallen, und deren Einfluss sich in allen mittelalterlichen Literaturen bemerkbar macht, steht eine spärliche provenzalische Novellendichtung zur Seite.

Der bedeutendste Novellendichter ist Raimon Vidal aus Besaudun, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts lebte und dichtete. Von ihm besitzen wir drei Erzählungen. Castia-gilos, der bestrafte Eifersüchtige, in der Pariser Hs. La Valliere 14, Bl. 132 \ Der Dichter erzählt nach dem Berichte eines Jongleurs am Hofe des Königs Alfons von Castilien ^ einen Liebeshandel, welchen ein ara- gonischer Ritter, Bascol de Cotanda, mit Alvira, der Frau eines eifer- süchtigen Landsmannes, Alfons von Barbastre, hat. Das Minnegericht, in zwei Handschriften erhalten ^, der Pariser La Valliere 14, Bl. 180, und der Vaticanischen 3206, Bl. 71—80, in letzterer unvollständig, eine mit Citaten aus Liedern der Troubadours durchflochtene Erzählung, bei welcher das Erzählte jedoch die Nebensache, die Liebeslehren die Hauptsache sind, hat demnach überwiegend literar- und culturhistori- schen Werth. Der Dichter ist darin ein Vorgänger von dem perilhos tractat damors im Breviari d'amors. Als dritte kommt dazu eine didaktische Erzählung vom Verfalle der Poesie*, in Form eines Ge- spräches, welches der Dichter mit einem ihn besuchenden Jongleur führt. Sie gehört nur ihrer Einkleidung nach hierher, dem Inhalte nach zu den Lehrgedichten. Der Dichter blickt zurück auf die vergangene Blüthezeit der Troubadoursdichtung ; auch hier werden Stellen aus Liedern eingeflochten. Erhalten ist sie in der Hs. La Valliere 14, Bl. 136.

Ein zweiter Novellendichter ist Arnaut de Carcasses, also aus der Gegend von Carcassonne. In seinen Novas del papagai^ spielt ein Papagei als Liebesbote und Liebesvermittler eine Hauptrolle; der Held ist ein Königssohn Antiphanor, und nach dem griechisch klingenden Namen dürfte man auf eine griechische Quelle schliessen, wozu auch das griechische Feuer ^ und die Rolle des Papageien stimmt. Vollständig erhalten nur in der Hs. La Valliere 14, Bl. 143, ein Stück des Anfangs auch in der Ambrosianischen Hs. R.^71 sup. Bl. 127.

§. 19. ' Gedruckt Rayn. 3, 398—413. Galvani 391—409. LB. 29—34.

'^ Da seine Gemahlin Eleonore genannt wird (LB. 29, 22), so kann nur Alfons IX gemeint sein, der mit Eleonore, Tocht«r Heinrichs II von England, verheirathet war und 1188 1214 regierte. * Gedruckt nach der ersten bei Mahn, Gedichte 341; der Anfang nach beiden kritisch bearbeitet Chrest. 213—224. * Herausgegeben

Denkmäler 144—192; im Auszuge bei ßayuouard 5, 342—348, und danach Mahn, Werke 1, 250—254, von beiden fälschlich Peire Vidal beigelegt; vgl. P. Vidal S. XCV. » Herausgegeben LB. 25—29, Chrest. 253—260. Im Auszüge bei

Raynouard 2, 275—282; überall nach der erstgenannten Hs. ^ fuoc grezesc

Chrest. 257, 23.

_ 22

Wiederum allegorischen und lehrhaften Charakter trägt eine Er- zählung vonPeire Guillem', vor 1253 verfasst^ in der Pariser Hs. La Valliere 14, Bl. 147. Den Inhalt hildet eine Allegorie der Liehe, in deren Gefolge Frau Gnade, Scham und Leichter-Sinn auftreten. Die Erzählung, wie die übrigen in Keimpaaren von achtsilbigen Versen, aber hier mit kürzeren Versen untermischt, bricht unvollständig ab'. Ob einer der als Lyriker bekannten Peire Guillems, der aus Toulouse, oder der aus Lucerna gemeint ist, lässt sich nicht entscheiden.

Denselben Charakter hat die Erzählung eines Ungenannten vom Hof halt der Liebe in der Hs. von Sir Thomas Phillips, früher in Middlehill, jetzt in Cheltenham, Bl. 30 ^°. Auch hier werden die Eigenschaften der Liebe personificiert und es treten nach einander Solatz, Ärdimen, Cortezia, Lar<jneza u. a. auf.

Von einer Uebersetzung des Kom an de sept sages, des berühmtesten Novelleübuches im Mittelalter, die sich in einer Handschrift zu Car- pentrab befinden solP', vermag ich Näheres nicht zu sagen: wenn sie provenzalisch ist, dann ist sie wohl aus dem Altfranzösischen übertragen.

§. 20.

Die geistlichen Stoffe in der erzählenden Poesie treten wäh- rend der Blüthezeit der provenzalischen Literatur zurück und erst gegen das Ende dieses Zeitraums Avieder mehr in den Vordergrund. Kein biblischer Stoff, weder des alten noch des neuen Testamentes, hat sich in dichterischer Bearbeitung erhalten. Ein Gedicht über die Passion verfasste Kaimon Feraut, Mönch im Kloster Lerins: wir kennen es nur aus seiner Erwähnung, und wissen nicht einmal, ob es erzählend oder nicht vielmehr lyrisch war '.

Die Marienklage, welche nach einem dem heiL Augustinus zugeschriebenen lateinischen Originale ein unge^iannter Dichter in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasste, trägt einen mehr lyrischen als erzählenden Charakter. Sie findet sich in drei Pariser Handscliriften : A, La Valliere 14, Bl. 123; B, fonds fran9. 1745, anc. 7693, Bl. 137; C, fonds Gaignieres Nr. 41 ^.

"> In der Handschrift Pdre W., was man früher irrig für Peire Vidal nahm ; vgl. LB. XI. P. Vidal S. XCIV. » Da König Thibaut von Navarra als noch

lebend erwähnt wird. ® Gedruckt Lex. Eom. 1, 405 417, und danach Mahn,

Werke 1, 241—250. Ergänzungen und Berichtigungen aus der Hs. P. Vidal S. XCIV f. Ein Stück vom Anlang Chrest. 259—266. »" Zum Theil ge-

druckt bei Mahn, Gedichte 279. LB. 34—38. " Libri's Bericht über

eeine Untersuchung französischer Provinzialbibliotheken im Journal des Savants, Januar 1842.

§. 20. ' Lex. Korn. 1, 573 cell que . . . los verses del lay fetz de la Passion. Der Ausdruck lay passt ebenso gut auf eine lyrische wie auf eine epische Behandlung.

' Anfang Ad Iionor de la irinilat.

d

23

Dieselben drei Handschriften enthalten ein Gedicht über die sieben Freuden Marias von Gui Folqueys, dem nachmaligen Papste Clemens IV (1265 1271), welcher nach der Aufschrift der ersten Hs., nachdem er Papst geworden, demjenigen hundert Tage Ablass gewährte, der diese sieben Freuden hersagte ^.

Die zweite Handschrift (fran^. 1745) enthält ein anderes Gedicht desselben Inhalts mit dem Anfang E nom del 2>ayr omnipoten *.

Auch die Heiligenlegende fand erst am Schlüsse der Periode einige Pflege. Bertran de Marseille verfasste in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wie die Sprache ausweist, nach dem Lateinischen das Leben der heil. Enimia^ auf Veranlassung des Priors des nach der Heiligen benannten Klosters am Tarn. Die einzige Hs. befindet sich in der Arsenalbibliothek zu Paris, ms. espagnol 7.

Am Ausgange des Zeitraums verfasste Raimon Feraut, dessen wir eben erwähnten, das Leben des heil. Honorat, des Schutzheiligen seines Klosters; vollendet wurde es im Jahre 1300. Er widmete sein nach dem Lateinischen gearbeitetes Werk der Gemahlin Karls II von Neapel, Maria. Abweichend von dem gewöhnlichen Gebrauche bediente er sich verschiedener Versmasse, sechs-, acht- und zwölfsilbiger Verse. Das Gedicht, welches nicht ohne dichterischen Werth ist, besitzen wir in vier Handschriften: 1. Pariser Hs. La Valliere 152; 2. franf. 13509; 3. frany. 2098, anc. 7958; 4. Hs. im Privatbesitze ßaynouards. Eine Ausgabe mangelt noch ^.

Derselbe Dichter hatte schon früher ein Leben des heil. Alb an, wahrscheinlich auch nach lateinischer Quelle, gedichtet, das aber nur aus der Erwähnung im Honorat bekannt ist ''. Die Legende, eine Art mittelalterlicher Oedipussage und mit der von Gregorius auf dem Steine verwandt, ist von anziehendem Inhalt und insofern der Verlust des Gedichtes zu bedauernd

Ein Leben der Maria Aegyptiaca ist nur in spanischer Uebersetzung erhalten, deren Original wahrscheinlich auf der Grenze des provenza-

^ Ein Stück vom Anfang, nach den ersten beiden Hss. bearbeitet, Chrest. 285—288. * Bl. 127—130; vgl. Catalogue des Manuscrits fran^ais, Paris 1868,

I, 302. ^ Herausgegeben Denkmäler 215 270, und selbständig von C. Sachs,

La vie de sainte Enimie, Berlin 1857, 8; vgl, dazu meine Eecension, Germania 3, 383 f, ^ Einzelne Stücke daraus sind gedruckt im Catalogue de la Bibliotheque

La Valliere 2, 243, Raynouard 5, 372—374, Lex. Born. 1, 573 f. Sardou, La vie de S. Honorat, Coulommiers 1858, G. Paris, Histoire poetique de Charle- magnc, Paris 1865, S, 496—500, vgl, S, 88. Chrest. 329—334, nach den ersten beiden Hss, bearbeitet. Ungenau ist die Notiz von Fauriel, Histoire litteraire 22, 236—240. Das Werk war auch Nostradamus bekannt; er erwähnt es S. 172.

^ ceU que volc romanaar la vida sant Alba Lex. Rom. 1, 573. ' Ueber

die Legende vgl R. Köhler in der Germania 14, 300—304.

24

lisclien und französischen Sprachgebietes gedichtet war : die Reime weisen auf die eine wie auf die andere Sprache hin ^

§. 21.

Der Schwerpunkt der Poesie dieser Periode liegt in der Lyrik, nicht nur was die Zahl, sondern auch was die Bedeutung der Dichter betrifft. Ihren Mittelpunkt bildet naturgemäss die Liebe, die in diesem Zeitalter des Frauencultus zu einem vollständigen System, einer ars amandi, ausgebildet wurde. Die Lyrik ist im Wesentlichen eine ritterliche : Ritter sind zum grossen Theile die Dichter. Selbst Könige und Grafen finden wir in ziemlicher Anzahl in den Reihen der Troubadours vertreten. Durch diese unmittelbare Betheiligung der Fürsten am Gesänge wurden die Höfe die natürlichen Mittelpunkte der Poesie, sie ist daher im eigentlichen Sinne eine höfische. Aber auch das Bürgerthum hat in Südfrankreich ein bedeutendes Contingent von Troubadours gestellt, und unter den bürgerlichen sind gerade die bedeutendsten Dichter, Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts finden wir fast ausschliesslich bürgerliche Sänger; die Fürsten und der Adel ziehen sich, hauptsäch- lich iii Folge der veränderten politischen Verhältnisse, von der Poesie zurück, und die Städte mit ihrem erstarkenden Bürgerthum werden die Pflegestätten der Dichtkunst.

Der höfische Kunstdichter hiess trohaire, obliq. trobador ^, von trohar, finden, also Erfinder: diesen Namen verdiente, wer neue rhyth- mische und musikalische Formen ersann und dadurch seinen Beruf als schaffender Dichter bethätigte. In den meisten Fällen waren die Dichter auch die Componisten ihrer Lieder: sie verfassten Text und Melodie; von der Musik war damals jedes Lied unzertrennlich. Der Text liiess mot, die Melodie so ^,_ entsprechend den deutschen Ausdrücken wort und wise. Von manchen Troubadours, wie von Peiire Vidal^, wird be- sonders hervorgehoben, dass sie gute Melodien machten, von andern dagegen bemerkt, dass sie zwar gute Verse, aber schlechte Töne dichteten, und wieder von andern, dass sie nicht zu componieren ver- standen und die musikalische Begleitung von einem andern anfertigen Hessen.

Dem Troubadour gegenüber steht der Jongleur, provenzalischj'o^y/rtr*, vom lateinischen joculator, der Spielmann. Dieser macht aus der Poesie

8 A. Mussafia, lieber die Quelle der altspanischen Vida de S. Maria Egipciaca. Wien 1863. 8, und meine Kecension im Jahrbuch 5, 421—424. Milä y Fontanals, De los Trovadores en Espafla, Barcelona 1861, S. .511.

§. 21. * ehrest. 75, 23. 111, 7. 279, 40. -^ c'ajos oblidat los motz el son

ehrest. 81, 19. Unrichtig ist mot erklärt von Raynouard und Diez, Poesie der Troubadours S. 106, Anm. « Biographie Z. 5, < Chrest. 76, 6. 79, 19. 111,

7. 212, 3. 236, 3. 297, 13,

25

ein Gewerbe, das ihm seinen Lebensunterhalt verschafft ; der Troubadour übt sie als freie Kunst, was jedoch nicht ausschliesst, dass auch er sehr gern Geschenke von seinem Gönner annimmt. Der Jongleur trägt die vom Troubadour verfassten Lieder und ebenso grössere und kleinere epische Gedichte vor ; daher finden wir, dass mancher Troubadour einen oder mehrere Spielleute mit sich führte ^. Am Schlüsse des Liedes wendet der Dichter sich oft an den Spielmann mit dem Auftrage, sein Lied vor Jemand zu singen. Der Mangel an Mitteln veranlasste mit- unter einen Troubadour, zu dem Leben eines Jongleurs herabzusteigen '. Aber der Kreis der Thätigkeit des Spielmannes geht viel weiter: er musste eine ziemlich bedeutende Anzahl musikalischer Instrumente spielen können und die verschiedensten Jongleurkünste verstehen, tanzen, Messer werfen, den Gesang der Vögel nachahmen, durch Reifen springen, Affen und Hunde mit sich führen, mit Marionetten allerhand Auf- führungen veranstalten, um auf diese Weise das Publicum zu belustigen ''.

Guiraut Riquier wendet sich 1275 mit einem poetischen Bitt- gesuche an König Alfons X von Castilien, er möge die verschiedenen Classen von Menschen, die an der Dichtkunst betheiligt sind, durch besondere Namen unterscheiden. Er schlägt vor, diejenigen, die nur die erwähnten Gaukler- und Jongleurkünste treiben, nach italienischem Vorgange Buffos zu nennen, den Namen jogla/r auf diejenigen zu be- schränken, die Erzählungen und Lieder Anderer vortragen; die Erfinder von Liedern und Melodien seien mit dem Namen trohaire, Troubadour, zu bezeichnen, und die vorzüglichsten unter ihnen, die in ihren Ge- dichten lehren, wie edle Höfe und hohe Thaten beschaffen sein müssen, durch den Namen doctor de trohar, Lehrer des Dichtens, zu ehren ^.

An beiden Classen, den Troubadours und Jongleurs, finden wir die Frauen betheiligt, als Kunstdichterinnen und als Spielweiber. Jene sind meist hochstehende Damen, wir finden unter ihnen mehrere Gräfinnen ^ ; diese gehören den untersten Schichten an und standen in keinem besonderen sittlichen Rufe.

§. 22.

Die Jongleurs waren auch die Pfleger der Volkspoesie, des Volks- liedes. Sie trugen an den Höfen wie auf den Märkten der Städte die nationalen epischeu Gedichte vor, auch diese mit einer gewissen musikalischen Begleitung, namentlich der Geige oder Fiedel ^

* So Guiraut von Borneil: Mahn, Werke 1, 184. * Wie Peirol that:

Mahn, Werke 2, 1. '' Guiraut von Calanson, Denkmäler 94— 96. ^ Mahn,

Werke 4, 163—182, mit dem vermuthlich auch von Guiraut verfassten Bescheide des Königs 182—191. Vgl. Diez, Poesie der Trouhadours S. 75-83. « Die

Gräfin Beatrix von Dia, eine Gräfin von Provence, eine Vizgräfin von Vent^idoru.

§. 22. * giga Christ. 292, X3. ttVa Lex. Rom. 5, 560,

_ 26 -

Von volksthümlicher Lyrik hat sich so gut wie nichts er- halten: einige der von den Kunstdichtern gepflegten Gattungen be- ruhen indess auf volksthümlicher Grundlage, wir können sagen, alle diejenigen, in denen der Kefrain ein wesentlicher und regelmässiger Bestandtheil ist; denn dem Volksliede vor allem ist der Eefrain eigen- thümlich^. Volksmässigen Charakter trägt ein lateinisch-romanisches Liedchen, das sicherlich in der Form und Melodie einem Volksliede nachgebildet ist, erhalten in einer Bencdictbeuerer Hs. des 13. Jahr- hunderts^ Das Romanische schwankt zwischen Nord- und Südfranzösisch, doch ist letzteres wohl da:^ ursprüngliche; der Text ist von dem deutschen Schreiber arg entstellt worden, die Reime sind mehrfach noch Assonanzen*.

§. 23.

Die Kunstdichtung fand ihre hauptsächliche Pflege an den zahl- losen kleinen Höfen des südlichen Frankreichs, aber auch an den spanischen Königshöfen von Castilien und Aragonien, bei den italieni- schen Fürsten und in Italiens aufblühenden Städten. In der Zahl jener kleinen Höfe nehmen einige eine hervorragende Stellung ein und bilden Mittel- und Centralpunkte der Poesie. Vor allen Toulouse, wo nament- lich die Grafen Raimund V und Raimund VI als eifrige Förderer der Dichtkunst zu nennen sind. Ferner Montpellier, wo Graf Wilhelm VIII (t 1204) gastlich aufnalim. In Rhodez Graf Hugo IV, der Freund von Uc de Saint Circ, und später Heinrich II, Gönner von Guiraut Riquier. In Marseille der Vizgraf Barral (f 1192), der Beschützer und Freund von Peire Vidal und Folquet von Marseille. In Narbonne die Vizgrafen Amalrich IV und Almarich V, bei denen Guiraut Riquier in gutem Ansehen stand. Aber keiner ist vielleicht so gefeiert worden, wie Blacatz, der selbst Dichter war, wie sein Sohh Blacasset. Von mächtigeren Häuptern ist zu nennen König Heinrich II von England, dessen Gemahlin Eleonore von Poitou, die Tochter des Grafen Wilhelm IX, von den Troubadours viel gefeiert wurde. Unter seinen Söhnen waren der früh verstorbene Heinrich, und namentlich Richard Löwenherz Freunde der Poesie, der letztere dichtete selbst. In Italien bildeten die Höfe von Montferrat und von Este geistige Mittelpunkte, dort Markgraf Bonifaz II, hier Azzo VI und Azzo VII. Auch Friedrich II zog viele Troubadoujs an seinen Hof nach Italien. In Spanien sind es die Höfe von Aragonien, wo Alfons II und Petrus II, sowie Petrus III selbst dichteten, und von Castilien, wo Alfons III und Alfons VIII,

» P. Heyse, Stadia Jlomanensja. Particula I. Berol. 1852. 8. ' Carraina

Burana, Stuttgart 1847, S. 167, Nr. 81. * Vgl. meinen Herstellungsversuch

jjn Jahrbuch 12, 1. Heft,

27

namentlich aber Alfons X den Dichtern ein Asyl eröffneten: letzterer der sinkenden Zeit angehörig und in ihr ein glänzender Stern vor dem Untergehen.

§. 24.

Die Lieder der Troubadours sind uns in einer bedeutenden Reibe von Lieder bandschriften aufbewahrt, von denen die älteren aus einzelnen Liederheften der Dichter, die jüngeren aus in einander ver- arbeiteten grossen Sammlungen^ älteren Liederhandschriften, entstanden sind. Die Handschriften reichen in die Mitte des 13. Jahrhunderts hinauf, aber schon in der ersten Hälfte desselben wurden solche Samm- lungen angelegt. Sie sind entweder sachlich oder nach Dichtern ge- ordnet. Die sachlich geordneten zerfallen in drei Hauptabtheilungen: Canzonen, Sirventese und Tenzonen; man findet daneben kleinere Ab- theilungen für Descorts und Klagelieder. Diese Anordnung haben die ältesten und werthvollsten Liederhandschriften; innerhalb der einzelnen Abtheilungen stehen die einem Dichter gehörigen Lieder zusammen. Die nur nach Dichtern geordneten haben keine bestimmte Reihenfolge, eine alphabetische Anordnung haben nur E und d.

Die Handschriften sind, nach dem ungefähren Werthe ^ den sie für die Kritik haben, bezeichnet, folgende:

A. Die Vaticanische Handschrift Nr. 5232, 13. Jahrhundert, 217 Pergamentblätter in Folio, mit Miniaturen von einem italienischen Künstler ^.

A^- Ein Pergamentblatt in Quart, 13. Jahrhundert, auf der Pariser Bibliothek, aus einer Hs., die mit A in nächstem Zusammenhange steht. Enthält den Schluss der Lieder von Elias Cairel, den Anfang von Albertet. Neuerdings angebunden an Hs. M.

B. Die Pariser, fran^. 1592, anc. 7614; 13. Jahrhundert, 123 Pergamentblätter in Quart, für Miniaturen bestimmt, die aber nicht ausgeführt sind, überhaupt nicht vollendet, da die 21 Tenzonen, welche das Register enthält, gar nicht geschrieben wurden 3. Wohl von dem- selben Schreiber wie A.

C. Die Pariser, fran9. 856, anc. 7226, 14. Jahrhundert, 396 Pergamentblätter in Folio, mit zwei Registern, einem nach Autoren und einem alphabetischen*.

D. Die Estensische, in Modena, 260 Pergamentblätter in Folio, mit einem angehängten Papiercodex. Der ältere Theil, vom Jahre 1254,

§. 24. ^ Nur ungefähr lässt derselbe sich deshalb angeben, weil je nach den benutzten Quellen die Liedersammlung eines Dichters in einer Hs. grösseren oder geringeren Werth haben kann und hat. ' Beschreibung und Inhaltsangabe

in Herrigs Archiv 34, 141—161. Dazu vgl. Jahrbuch 11, 19 21. ' Beschreibung und Inhalt: Catalogue des Mss. fran^ais 1, 264 266. Catalogue d?s Mss,

franjais 1, 129—143.

-^ 28

besteht aus zwei Sammlungen, deren zweite (D ^) die erste ergänzt, dem Tesaur von Peire de Corbiac und einer Sammlung altfranzösischer Lieder. Der jüngere Theil enthält eine Sammlung von Liedern des Peire Cardenal (D ^) und eine Blumenlese von Ferrari (D ^) ^.

E. Die Pariser, frany. 1749, anc. 7698, 232 Pergamentseiten in Quart, 14. Jahrhundert, mit Ausnahme der ersten sechs Dichter in alphabetischer Ordnung der Dichter, mit einer Sammlung von Biographien und Tenzonen ^.

F. Die Hs. L. IV. 106 der Bibliothek des Fürsten Chigi in Rom, 102 Pergamentblätter in Quart, 14. Jahrhundert, bestehend aus einer Blumenlese und einer Sammlung von Liedern Bertrans de Born nebst Biographie dieses Dichters'.

G. Die Hs. R. 71 sup. der Arabrosiana in Mailand, 14. Jahr- hundert, 141 Pergamentblätter in Quart, von denen die letzten elf jedoch von jüngerer Hand geschrieben sind^.

H. Die Vaticanische Nr. 3207, 14. Jahrhundert, 61 Pergament- blätter in Quart®, mit mehrfachen Lücken; mit biographischen Notizen über einzelne Dichter u. s. w.

I. Die Pariser, frany. 854, anc. 7225, 13. Jahrhundert, 199 Pergamentblätter in Folio, mit Miniaturen. Ein Blatt fehlt zwischen 116 und 117 ^\

R. Die Pariser, suppl, frany. 2032, ehemals Vatican. 3204, 13. Jahrhundert, 189 Pergamentblätter in Folio; nicht, wie Raynouard ^^ will, eine Abschrift der vorigen, sondern beide aus derselben Vorlage stammend.

L. Die Vaticanische Nr. 3206, 14. Jahrhundert, 148 Pergament- blätter in Octav,' nicht nur Lieder, sondern auch grössere Gedichte enthaltend, mit mehreren Lücken ^^.

M. Die Pariser, suppl. frany. 2033, ehemals Vatican. 3794, 268 Pergamentblätter in Quart, 14. Jahrhundert; mit Miniaturen und italienischen Randbemerkungen.

N. Die Handschrift von Sir Thomas Phillips, früher in Middlehill, jetzt in Cheltenham, ehemals Mac-Carty in Toulouse gehörig ^*, 14. Jahrhundert, Pergament in Quart, aus mehreren Theilen bestehend und von verschiedenen Händen geschrieben; enthält auch erzählende und didaktische Sachen.

^ Ad. Mussafia, Del codice Estense di rime provenzali, Vienna 1867. 8.

" Catalogue des Mss. frangais 1, 304—309. '' Jahrbuch 11, 24—32. « Archiv für das Studium der neueren Sprachen 32, 389—399. » Raynouard % S. CLX

gibt 134 Blätter an, wohl ein Irrthum, denn unmöglich kann so viel fehlen.

" Archiv 34, 385—392; vgl. Jahrbuch 11, 21—23. " Catalogue des Mss.

fran9ais 1, 119-129. ''^ Choix 2, S. CXLVIII. »^ Archiv 34, 419-424;

vgl. Jahrbuch^Xl, 23, " Raynouard, 2, S. CLIX.

29

0. Die Vaticanische Hs. 3208, 14. Jahrhundert, 96 Pergaraent- seiten in Folio, mit mehreren vom Schreiber verschuldeten Lücken ^^

P. Die Laurenzianische, Plut. XLI, cod. 42, 14. Jahrhundert (1310), 92 Pergamentblätter in Klein-Folio, bestehend aus einer Liedersamm- lung, deren Schluss fehlt, einer Sammlung von Biographien, einer von Coblas esparsas, grammatischen, auch altfranzösischen Sachen ^^.

Q. Die Handschrift 2909 der Kiccardiana in Florenz, 14. Jahr- hundert, 111 Pergamentblätter in Quart, mit Nachträgen des 14. und 15. Jahrhunderts auf leergelassenen Blättern ^^

R. Die Pariser Hs. La Valliere 14, früher 2701, um 1300 ge- schrieben, 147 Pergamentblätter in grösstem Folio, enthält ausser .Lie- dern Biographien, didaktische und erzählende Gedichte, Briefe, auch Prosa*". S. Die Oxforder Handschrift, Douce 269, 14. Jahrhundert, 250 Pergamentseiten in Octav*^.

T. Die Pariser, suppl. fran?. 683, früher 1091, 14. Jahrhundert, 280 Pergamentblätter in Octav, enthält ausser dem französischen Prosa- roman von Merlin eine Sammlung Lieder von Peire Cardenal, dann von jüngerer italienischer Hand eine Sammlung (T*) von Liedern verschie- dener Dichter, Tenzonen und Coblas ^°.

U. Die Laurenzianische, Plut. XLI, cod. 43, 14. Jahrhundert, 143 Pergamentblätter in Quart ^^

V. Die Venezianische, Bibl. Marc, append. cod. XI, vom Jahre 1268, 125 Pergamentblätter in Folio, alt bezeichnet 24-129, also am Anfang und auch im Innern lückenhaft, mit schlechtem Texte trotz des Alters ^^.

W. Die Pariser, fran?. 844, anc. 7222, 13. Jahrhundert, 215 Pergamentblätter in Folio, eine altfranzösische Liederhandschrift, die aber auch, zum Theil von jüngerer Hand, provenzalische Lieder und Lais enthält ^^.

X. Die Pariser, fran9. 20050, sonst St. Germain 1989, 13. Jahr- hundert, 173 Pergamentblätter in Octav, ebenfalls altfranzösische Lieder- handschrift, mit einer kleinen Sammlung provenzalischer Lieder.

Y. Die Pariser, fran^. 795, anc. 7192, 13. Jahrhundert, Polio, französisch, enthält auf einigen Vorsatzblättern provenzalische Lieder und Strophen-*.

" Archiv 34, 368—372 ; vgl. Jahrbuch 11, 23 f. Archiv 33, 299 bis

304; vgl. Jahrbuch 11, 5-8. " Archiv 33, 412—420; vgl. Jahrbuch 11,

9 11. ** Beschreibung und Inhaltsangabe am Schluss von P. Meyers Lea der-

niers Troubadours de la Provence. Beschreibung und Inhaltsangabe in P.

Meyers 3' rapport sur une mission litteraire (1868) S. 164 167 und S. 251—266.

20 Vgl. Raynouard 2, S. CLIX. " Beschreibung und Inhalt Archiv 33, 288

bis 293; vollständiger Abdruck Archiv 35, 343—462; vgl. Jahrbuch 11, 5. " Be-

schreibung Archiv 35, 99; beinahe vollständiger Abdruck 36, 379—455; vgl. Jahr- buch 11, 59-61. ■" Catalogue des Mss. fran9ais 1, 98—105. «* Catalogue

-" 30

Z. Die Pariser, fran9. 1745, anc. 7603, 14. Jahrhundert, ent- hält von lyrischen Sachen nur ein paar Marienlieder ^^

a. Die Handschrift 2814 der Kiccardiana, Papier, besteht aus zwei Theilen, der vordere, 16. Jahrhundert, aus 3 unpaginierten Blättern und 251 Seiten, der hintere, 17. Jalirhundert, aus 40 Blättern, mit Biographien und Grammatiken. Theilweise Abschrift eines werthvollen von Bernart Amoros geschriebenen Codex, den Nostradamus kannte und benutzte^''.

b. Die Handschrift XLVI. 29 der Biblioteca Barberina in Rom, Papier, Bl. 1—6 im 18., Bl. 9—53 im 16. Jahrhundert geschrieben, der letztere Theil aus einer verlorenen reichen Hs. stammend^''.

c. Die Laurenzianische Handschrift, Plnt. XC, inf. 26, 90 Papier- blätter in Quart, 15. Jahrhundert, aus mehreren verlorenen Quellen zusammengestellt ^ ^

d. Der Papiercodex der Estensischen Handschrift (D), Bl. 262 bis 345 derselben umfassend, 15. Jahrhundert, in alphabetischer Reihenfolge der Dichter ^^.

e. Die Handschrift XLV. 59, Papier, 18 und 258 Seiten in Quart, 19, Jahrhundert, von dem Bibliothekar Pia nach zum Theil verlorenen Quellen geschrieben, mit italienischer Uebersetzung^".

f. Die Pariser, fran9. 12472, ehemals Giraud gehörig, 14, Jahr- hundert, 79 Blätter in Polio, Papier; von Nostradamus gekannt und benutzt^ ^

g. Der Anhang von vier Blättern der Vaticanischen Hs. 3205, einer Abschrift von M, worin jener aus anderer Quelle stammende An- hang nicht vorkommt ^^.

a. Die zahlreichen Strophen in dem tractat perilhos des Breviari d'amor^^

ß. Die Citate in zwei Erzählungen von Raimon Vidal (§. 19, Anm. 3 und 4).

y. Die Pariser Hs., fran9. 1049, anc, 7337, mit einem histori- schen Liede^*.

d. Die Pariser Hs., fran^. 12645, sonst suppl. fran9. 184, altfran- zösische Liederhandschrift, mit ein paar lyrischen Lais.

e. Der Roman von Guillaume de Dole, in der Vaticanischen Hs, Reginensis 1725, mit zahlreichen Liederfragmeuten, worunter auch ein paar provenzalische^''.

des Mss. fran9ais 1, 83. " Catalogue 1, 303. «« Archiv 33, 427—433;

Jahrbuch 11, 11-19. " Jahrbuch 11, 32—36. •^» Archiv 33, 407—412;

Jahrbuch 11, 8 f. ^ Inhalt bei Mussafia a. a. 0. S. 412—421. "" Jahr-

buch 11, 37 42. ^' Beschreibung und Inhaltsangabe in P. Meyers Les der-

niers Troubadours de la Provence. '-* Archiv 35, 9G f. =" Zum grösseren

Theile gedruckt in Mahns Gedichten der Troubadours 1, 181—217. ** Catalogue

des Mss. fran9ai9 1, 179. »"^ Jahrbuch 11, 159—167.

31

^. Die Berner Handschrift 389, Pergament, 13. Jahrhundert, alt- französische Liederhandschrift, mit einem provenzalischen Liede.

jy. Die Vaticanische Handschrift Keginensis 1659, mit einem ins Französische umgeschriebenen I.iede^^

^. Die Venezianische Hs. der Marcus-Bibliothek, suppl. gall. VIII, mit einem in venezianischen Dialekt umgeschriebenen Liede ^^

i. Francesco Barberino's Documentum amoris, mit einigen proven- zalischen, andern ins Lateinische übersetzten Versen ^^

Eine kritische Ausgabe sämmtlicher Lyriker unter Benutzung aller dieser Quellen besitzen wir noch nicht. Die Texte, nach einzelnen Hand- schriften abgedruckt oder eklektisch bearbeitet, sind zum grössten Theile herausgegeben durch Raynouard"^^, Rochegude^**, Galvani"*^, Mahn*^, Brinkmeyer*^, Delius**, Grüzmacher*^ und mich^^. Kritische Bearbei- tungen einzelner Dichter gibt es erst selir wenige, so von Guiraut Riquier*' und Feire Vidal^^ Mehr ist nach der literarhistorischen Seite geschehen: hier sind, von den Darstellungen der gesammt^n Literatur durch Millot und Fauriel und den Arbeiten Raynouards abgesehen, vor Allem die Arbeiten von Diez zu nennen*". Von einzelnen Dichtern sind vollständig bearbeitet, mit mehr oder weniger Geschick, Bertran de Born^", Cerca- mon^\ Garin der Braune^^, Gaucelm Faidit^^ Guillem von Berguedan^*, Guillem von Cabestaing ''•'', Guiraut Riquier^" und Peire VidaP'. In

KeUers Rpmvart 425. «7 Jahrbuch 8, 216—217. ^8 Jahrbuch 11,

42—55. 3" Choix des poesies originales des Troubadours, Band 2 5, Paris

1816 ff. Lexique Roman, Band 1, Paris 1838. Le Parnasse Occitanieu,

Toulouse 1819. *^ üsservazioni sulla poesia de' Trovatori, Modena 1829.

^2 Die Werke der Troubadours, 1. 2. und 4. Band, Berlin 1846—55. Gedichte der Troubadours, 1,-4. Band, Berlin 1856—71. ** Blumenlese aus den Werken

der Troubadours, Halle 1849, ** Ungedruckte provenzalische Lieder, Bonn

18.53. *^ Im Archiv für das Studium der neueren Sprachen, Band 32 36.

*^ Provenzallsches Lesebuch, Elberfeld 1855 ; 2. Ausg. Chrestomathie proven9ale 1868. " Durch Pfaff in Mahns Werken der Troubadours, Bd. 4. " Heraus- gegeben von K. Bartsch, Berlin 1857. Aeltere Versuche sind : Die Lieder Guillems IX, Grafen von Peitieu, von W. Holland und A. Keller, 2. Ausgabe, Tübingen 1850. Lieder Guillems von Berguedan, von A. Keller, Mitau 1849; vgl. zu letzteren C. Sachs im Archiv 15, 245—265. « Die Poesie der Troubadours. Zwickau 1826.

Französisch von Roisin, Paris 1845. Leben und Werke der Troubadours, Zwickau 1829. Ganz unzuverlässig sind Nostradamus Vies des plus celebres poetes pro- vensaui, Lyon 1575, wiewohl er uns verlorene Quellen benutzte; auch die Artikel in den verschiedenen Bänden der Histoire litteraire de la France (Bd. 17 20) sind veraltet. ^ Mary-Lafon, Bertraud de Born. Tableau historique militaire et

litteraire du 12* siecle, 2 Bände, Paris. Laurens, Le Tyrtee du moyen-äge ou histoire de Bertrand de Born, 1863. '' Mahn, Der Troubadour Cercamon. Jahr- buch 1, 83— 100. 52 Meine Abhandlung im Jahrbuch 3, 399-409. »» A. Tobler, Ein Minnesänger der Provence. Neues Schweizerisches Museum, 5. Jahrgang, I.Heft.

** Meine Abhandlung im Jahrbuch 6, 231 278. '"^ Der Trobador Guillem de Cabestanh, von F. Hüflfer. Berlin 1869. Nebst Ausgabe seiner Lieder. ^ Meine

Abhandlung im Archiv 16, 137 147. " Einleitung zu meiner Ausgabe.

32 -

besonderer Rücksicht und Beschränkung: die Troubadours von Beziers durch Azais^^ die Troubadours in Spanien durch Milä y Fontanals^^ und die letzten Troubadours der Provence, soweit sie sich in der Hand- schrift f finden, durch P. Meyer ^*^.

§. 25.

Die älteste und einfachste Dichtungsart in lyrischer Form hiess vers. Schon die allgemeine Bezeichnung, die nichts Anderes als Gedicht überhaupt ausdrückt, deutet auf die Entstehung dieser Dichtungsart in den Anfängen der Poesie hin, auf ihren Ursprung aus dem Volksgesange, dessen einfache Formen im provenzalischen vers noch oft durch- schimmern. Eigenthümlich sind ihm der vorherrschende männliche Reim, die Verwendung des achtsilbigen Verses, wenig kunstvolle Strophen- formen, und eine gedehnte Melodie, wie sie dem Volksliede aller Völker überhaupt eigen ist. Die Bemerkung mehrerer Biographien ^ dass zur Zeit der ältesten Troubadours es noch keine Canzonen gab, sondern dass alle Lieder vers genannt wurden, beruht auf einem richtigen Factum. Die Canzone, provenzalisch cansos, chansos^, ist die eigentliche Form der höfischen Kunstlyrik; sie zeigt reicheren Wechsel zwischen männ- lichen und weiblichen Reimen, grössere Mannigfaltigkeit der Versmasse, unter denen namentlich der zehnsilbige Vers eine wichtige Stelle ein- nimmt; die Melodie war rascher und gedrungener. Aber diese Unter- schiede wurden im Laufe der Entwickeluug nicht immer beobachtet; die charakteristischen Merkmale beider Dichtungsarten schwanden mit dem Zurücktreten der Volkspoesie ganz aus dem Bewusstsein^. Den Inhalt beider Gattungen bildet vorwiegend die Liebe, doch darf der Vers auch andere Gegenstände, Moral, Zeitverhältnisse, Politik, um- fassen; die Canzone erstreckt sich ausser der Liebe auf das Lob des Gönners, namentlich der Verstorbenen, und auf religiöse Dinge. Fast alle Dichter, von denen wir eine grössere Anzahl von Liedern besitzen, haben sich in beiden Arten versucht : in der Canzone sind die vorzüg- lichsten Meister Bernart von Ventadorn, Guiraut von Borneill, Peire Vidal, Folquet von Marseille, Gaucelm Faidit, Aimeric von Peguillan, Peirol u. A.

Eine andere Benennung für Canzone ist chamoneta^, die sich in

^8 Les Troubadours de Beziers, edition, Beziers 1869. De los tro-

vadores en Espaffa, Barcelona 1861. Les derniers Troubadours de la Pro-

vence d'apres le chansonnier Giraud (noch nicht erschienen).

§. 25. ' So Marcabruns Biographie, Mahn, Werke 1, 48, und die von Peire d'Auvergne, 1, 89. « Chrest. 68, 13. 81, 22. 86, 1. 165, 17. 191, 38. 224,

14. 232,38. 592,5. 317,31. ^ gegeichnend in dieser Hinsicht sind die Aeusse- ,

rungen von Aimeric de Peguillan, Mahn, Werke 2, 172. * Chrest. 28, 23.

115, 19. 211, 3.

33

Form und Inhalt, auch in Bezug auf Länge, gar nicht unterscheidet. Dagegen verstand man unter Halbcanzone, meja chanso^, eine Can- zone von geringerer Strophenzahl, kaum mehr als drei Strophen, und so scheint es auch mteg rers'^, Halbverse, gegeben zu haben.

Dagegen ist die Liebe ausgeschlossen von der dritten Hauptgattung, dem »irventes^ auch serrentes'^ oder sirventesc^, sirventesca^ genannt. p]s bezeichnet seiner Ableitung nach ,Dienstgedicht', d. h. im Dienst eines Herrn gedichtetes Lied, und erstreckt sich auf den Ausdruck von Lob und Tadel in öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Es be- handelt daher politische Ereignisse, sittliche und religiöse Zustände, persönliche Verhältnisse des Dichters. Der Freimuth, mit welchem * die Troubadours reden, machte das Sirventes zu einer gefährlichen und gefürchteten Waffe. Die Leidenschaft und persönlicher Hass drücken sich darin oft in schärfster und verletzendster Weise aus. Keine noch so hochstehende Persönlichkeit, kein Stand wird darin geschont. Auf dem Gebiete des politischen Sirventes steht unbestritten Bertran de Born obenan, wie auf dem des moralischen Peire Cardenal. Von glühen- der Leidenschaft erfüllt ist das Kügelied, welches Guillem Figueira gegen Rom schleuderte ^°, und sehr fällt dagegen die Erwiderung ab, welche eine Dame versuchte ^^. Unter den persönlichen Rügeliedern verdienen die Satiren von Peire d'Alvergne^^ und des ihn nachahmenden Mönchs von Montaudon^^ auf die gleichzeitigen Troubadom's wegen ihrer lite- rai-ischen Bedeutung hervorgehoben zu werden. Häufig bestehen die persönlichen Angriffe nur aus einer einzelnen Strophe (cohla), auf welche in gleichem Versmasse und gleichen Reimen erwidert ward^*; dasselbe fand auch statt, wenn der Angreifende ein ganzes Lied auf seinen Gegner dichtete ^^

Die strenge Souderung der Sirventes bezeichnen die Liederhand- schriften schon dadurch, dass sie ihnen eine besondere Abtheilung zu- weisen, während Canzonen und Verse unter einander gemischt werden. Gleichwohl versuchte man die widerstrebenden Elemente zu verbinden: Peire Vidal flicht in seine Liebeslieder politische Betrachtungen ein, und schliesst seine Sirventes mit Strophen zum Lobe der Geliebten. Man erfand daher den Ausdruck Sirventes-Canzone oder gemischte Canzone^".

" Mahn, Gedichte 778. 901. « Mahn, Gedichte 778. ' Chrest. 65, 11.

191, 40. 237, 1. 351, 7. » Chrest. 80, 23. » Raynouard 5, 67. üebcr

das Sirventes vgl. Jose Coli y Vehi, la satira provenzal, Madrid 1861. 4. Pro- venzalische Streit- und ßügelieder: Grenzboten 1869, Nr. 15. Eine Sammlung ver- öffentlichte Brinkmeyer, Eügolieder der Troubadours, Halle 1847. *** Chrest. 195—202. " Gormonda von Montpellier: Raynouard 4, 319. »- Chrest. 75-78. " Raynouard 4, 368. " Ein Beispiel Chrest. 156, 6—22. '^ Vgl. z. B. die beiden Sirventes von Uc de Mataplana und Eaimon de Miraval: Archiv .^J4, 195. "^ ckanson sin^entes und chana mesclaiz: Diez, Poesie S. HD. Bartsch, örundriss. 3

34

Ein Sirventes von geringerer Strophenzahl hiess Halb sirventes, mieg sip)entes ^ ''.

Im Sirventes bildet eine besondere Uuterabtheilung das Kreuz- lied: theils bezieht es sich auf die Kämpfe gegen die morgenländischen Heiden, theils auf die gegen die Mauren in Spanien. Die provenzalischen Kreuzlieder sind ungleich feuriger und begeisterter als die französischen oder die deutschen. Peire Vidal, Pons de Capdoill, Raimbaut de Vaqueiras, Peirol, Gaucelm Faidit u. A. haben vorzügliche Kreuzlieder gedichtet.

Dem Gebiete des Sirventes gehört auch das Klagelied auf den Tod eines Gönners an, provenzalisch jjlanh^^, später complancha^^ . Da die Gönner meist hochstehende Männer waren, so trägt es überwiegend einen politischen Charakter. Mehr privater Natur sind die Klagelieder um eine Geliebte oder einen Freund ^\ Kein politisch, leidenschaft- lich und heftig, ausserdem durch eigenthüraliche Einkleidung hervor- stechend sind die Klagelieder, die sich an den Tod von Blacatz an- schliessend ^ Das Versmass, in welchem die meisten Klagelieder gedichtet sind, ist der zehnsilbige Vers, der durch seine feierliche Haltung sich besonders dazu eignete. Mitunter bilden die Klagelieder eine besondere Abtheilung in den Handschriften-^.

Die vierte Hauptgattung der Lyrik ist die Tenzone, provenzalisch tensos^^, d. h. Streit, in dramatischer Form. Ein Dichter legt einem andern zwei Sätze vor, die in der Regel sich widerstreiten, und fordert ihn auf, sich für den einen zu entscheiden. Der Angeredete verficht seine Meinung, worauf der erste widerlegend antwortet: so streiten sie Strophe um Strophe, bis sie zuletzt einen oder mehrere Schiedsrichter bestimmen, die entscheiden sollen, wer Recht habe. Es kommen auch die Ausdrücke contensos'^'' oder Joes partttz'^^', getheiltes Spiel, auch partimens oder jjartida vor^^. Die Tenzone heilst tomejamens, wenn mehr als zwei Theilnehmer streiten^**; in diesem Falle sind der Sätze, die vertheidigt werden, so viel als streitende Personen. Der haupt- sächlich behandelte Gegenstand ist die Liebe. Die ganze Gattung zeigt das dialektische Element, das auch sonst in der provenzalischen Lyrik hervortritt, am meisten entwickelt. Die aufgestellten Streitfragen selbst beweisen, dass man die Tenzone mehr als ein Spiel des Witzes betrachtete, als dass man ernstliche Fragen damit hätte lösen wollen^". Fast alle \

" Kaynouard 5, 124. Mahn, Werke 1, 311. Gedichte 328. »» Chrest. 870,

27. 893, 35. •» Nach dem französischen complainte : Chrest. 364, 37. 366, 6.

»0 So von Pons de Capdoill: Chrest. 119, 29. '^' Wie von Guiraut de Bor-

neill um Ignaure: Mahn, Gedichte 126. " Chrest. 203, 11. Eayn. 4, 68. 4, 70.

23 So in IK. 2* Chrest. 368, 29. «s Ohrest. 80, 28. «« Chrest. 27, 6.

Eayn. 4, 31. " Chrest. 369, 11. partida Guiraut Riquier 87, 7. 51. 91, 1.

partia Eayn. 2, 198. ^^ So heisst die Chrest. 151—154 gedruckte Tenzone

in C. *9 Eine Auswahl solcher Streitfragen gibt Diez, Poesie S. 192 f.

35

bedeutenden Dichter haben sich auch in dieser Gattung versucht, die ihren Anfängen nach wohl schon in die vorige Periode zurückreicht. Die älteste Tenzone, die wir besitzen, ist die zwischen Graf Wilhelm IX von Poitou und dem Vizgrafen Eble von Ventadorn^". Unzweifelhaft rührt die Tenzone von mehreren Verfassern her; doch gibt es auch solche, die nur einen Verfasser haben, nämlich wenn der Dichter mit einem nicht lebenden Wesen, z. B. mit einem Mantel ^\ ein erdichtetes Gespräch hat. In den Handschriften bilden die Tenzonen in der Regel auch eine besondere Abtheilung.

§. 26.

Einige Dichtungsgattungen benihen auf volksthümlicher Grund- l^e: sie charakterisieren sich hauptsächlich durch den Refrain (§. 22, 2).

Die Romanze, von erzählendem Inhalt, aber in lyrischer Form, führt den Dichter in erster Person redend und erzählend ein: gewöhn- lich berichtet er ein Liebesabenteuer, das ihm begegnet. Das älteste Beispiel ist ein sehr lasciv endendes Gedicht des Grafen Wilhelm von Poitou^; andere Belege gewähren Marcabrun- und Raimon der Schreiber^. Im Ganzen war die Gattung bei den Provenzalen nicht so beliebt wie bei den Franzosen, deren Lyrik überhaupt mehr Volksmässiges hat.

Ebenfalls echt volksthümlich ist die halada und dansa^x beide Namen bedeuten dasselbe: Tanzlied^, nur sind halar und dansar ver- schiedene Arten des Tanzens, die sich verhalten wie im deutschen Mittel- alter reien und tanzen. Sie bestehen meistens aus drei Strophen, denen ein Thema voraufgeht, welches am Schlüsse jeder Strophe refrain- artig in Form und Melodie aufgenommen wurde. Die meisten der uns erhaltenen sind von Guiraut d'Espagna verfasst^, einige sind anonym, darunter auch eine sehr niedliche von einer Fraul

Auch die retroensa^ entbehrt des Refrains nicht, und scheint davon ihren Namen, von retroientia, bekommen zu haben. Die wenigen er- haltenen Beispiele gehören sämmtlich der spätesten Zeit der Troubadours- poesie an: von Guiraut Riquier^ und Johan Esteve^". Die retroensa entspricht der französischen retrouange, die auch eine populäre Gattung und sehr verbreitet gewesen zu sein scheint.

Die alha"^^ schildert, gewöhnlich in dramatischer Form, das Schei- den der Liebenden beim anbrechenden Morgen und hat davon ihren

«> Mahn, Gedichte 179. 298. Gui de Cavaillon : Archiv 34, 416.

§. 26. ' Heyse, Romanische Inedita S. 9. Mahn, Gedichte 174. LB. 105.

* ehrest. 55. ^ Chrest. 309. " balada, Chrest. 239, 17. dansa 107, 35.

212, 5. 367, 1. dam 367, 40. ' Ein dritter Name scheint balaresc zu sein:

Denkmäler 88, 30. « Vgl. Nr. 244 des Verzeichnisses. Chrest. 239, 37.

" Chrest. 80, 28. 212, 5. 275, 2. 370, 11. 18. « Chrest. 275, 2. Guiraut

Riquier 54. 55. Pam. Occit. 347. »' Vgl. meine Abhandlung über die

3*

36

Namen ^^. Die Liebenden werden von einem Freunde, der Wache ge- halten, damit sie nicht überrascht werden, oder von dem ins Geheimniss gezogenen Burgwächter geweckt, der durch seinen Ruf das Nahen des Morgens verkündet. In dem Refrain, der auch dieser Gattung ständig eigen ist, kehrt das Wort alba fast immer wieder und bildet den Schluss. Mehrere anonym überlieferte Albas haben ein besonders volksthümliches Gepräge ^^. Die späteren Dichter haben die Alba auch auf das religiöse Gebiet übertragen, und sogar schon Folquet de Marseille, wenn das ihm beigelegte Lied^^ wirklich von ihm herrührt. Der geistlichen Wendung des Tageliedes begegnen wir auch in der deutschen Poesie ^^.

Eine nur durch ein Beispiel zu belegende Abart der Alba ist die serena^^, wie es scheint eine Erfindung von Guiraut Riquier und schwer- lich volksthümlich. Sie schildert die Sehnsucht des Liebenden nach der verheissenen Liebesnacht. Sie ist wohl zu unterscheiden von der Sere- nade, der von Liedern begleiteten Abendmusik, die in den südlichen Ländern sehr verbreitet ist: diese der Geliebten von dem Liebenden dargebrachte Huldigung hat einen volksthümlichen Charakter und Ur- sprung.

Endlich die Pastourelle^^ pro venzalisch ^a«tore/a, SLiich pasto- reta^^, bei den Provenzalen weniger gepflegt als bei den Nordfranzoseu, wo sie einen sehr hervortretenden Theil der Lyrik bildet". Doch aucli in der südfranzösischen Poesie ist sie sehr alt. In der Biographie Cer- camons, eines der ältesten Troubadours (erste Hälft? des 12. Jahrb.), wird berichtet, er habe Pastourellen nach der alten Manier gedichtet-*^: darunter kann, wenn man die Zeit erwägt, nichts Anderes gemeint sein als Pastourellen in dem einfachen, volksthümlichen Tone, den so viele französische Pastourellen tragen, und der im 13. Jahrhundert, dem Zeitalter der ausschliesslichen Herrschaft der Kunstpoesie, für veraltet galt. Jenen alterthümlichen Pastourellen wird der Refrain, der in den französischen eine so grosse Rolle spielt, nicht gefehlt haben. Wie sie im Tone beschaffen waren, kann uns eine anonyme lehren, die allei- dings in Form einer Balade verfasst, aber dem Inhalte nach eine Pastourelle ist^^ Den Inhalt der Pastourelle bildet ein von dem

romanischen und deutschen Tagelieder: Album des literarischen Vereins in Nürn- berg für 1865, S. 1—75. '^ alba, Morgenroth: Chrest. 97, 3. " Chrest. 97, 1. LB. 102, 45. 103, 7. " Mahn, Werke 1, 335; vgl. Album a. a. 0. 13. »^ Album a. a. 0. 65—74. Chrest. 276, 32. i' J. Brakelmann, Die Pastourelle in der nord- und südfranzösischen Poesie: Jahrbuch 9, 155 189. 307 bis 314, aber von unrichtigen Gesichtspunkten ausgehend. ** Chrest. 212, 4. 369, 39. pastoreta Mahn, Biograph. 6.j. *^ Vgl. meine Altfranzösisclieu Ro- manzen und Pastourellen, Leipzig 1870. ^^ trobet ven e pastoretas a In usanza antiga Mahn, Biograph. 65. -' Diez, Altromanische Sprachdenkmäler S. 119.

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Dichter mit einer Schäferin, pastora, angeknüpftes Liebesgespräch, daher verläuft sie in dramatischer Form, während sie erzählend, den Dichter redend einführend, anhebt. Spätere Dichter haben sie auch zur Politik verwendet, so Faulet de Marseilla^^, aber schon Guiraut de Borneill V)ehandelt Zeitfragen und moralische Zustände darin ^^. Die sechs Pastourellen von Guiraut Riquier^* bilden einen kleinen Schäferroman, der durch das Leben des Dichters sich hindurchzieht^''.

Eine Abart der Pastourelle ist die vaquiera, in welcher eine Kuh- hirtin statt der Schäferin auftritt. Eine solche hat Johan Esteve ge- dichtet^^: sie zeigt uns zugleich die geistliche Wendung, in die die sinkende Zeit umschlug, und die wir ebenso bei den Nordfranzosen treffen^''. Andere Spielarten, die aber nur die Leys d'amors erwähnen, sind ÖIQ porquiera^^ , auquiera, cahriera, vergiera, ortolana und nionja^^, je nachdem die betheiligte Schöne SchAveine, Enten, Ziegen hütet oder eine Gärtnerin oder Nonne ist^*'.

§. 27.

Während die eben besprochenen Dichtuogsarten mit der Volks- poesie in nahem Zusammenhange stehen, weisen zwei andere Gattungen auf die kirchliche Dichtung als ihren Ausgangspunkt hin.

Die kirchliche Liederdichtung, die Lieder auf Maria und die Heiligen, hat keine bedeutende Pflege bei den Provenzalen gefunden. Sechs Lieder von einem ungenannten Dichter finden sich in einer Wolfen- büttler Handschrift (Extra vag. 268) vom Jahre 1254^: sie verrathen einen nicht ungelehrten, wahrscheinlich geistlichen Verfasser, der in dem einen Liede^ die sapphische Strophe nachbildet. Die meisten sind an Maria gerichtet, eins an Margareta, eines an die Apostel und Hei- ligen. Von Marienliedern erwähnen wir das von Peire de Corbiac^, eines von Guillem d' Autpol*, welches an die Alba anschliesst, und ein sehr schwungvolles in prächtiger vielbeliebter Form von einem ungenann- ten Dichter ^

Lieder auf die grossen kirchlichen Feste kennen wir nicht, wiewohl es unzweifelhaft deren gegeben: nur ein Weihnachtslied von ziem-

Mahn, Gedichte 514. »s Mahn, Werke 1, 198. 206. ^ Mahn, Werke

l, 83—94. 2* Vgl. Diez, Leben und Werke der Troubadours S. 507—513.

Parn. Occit. 351; vgl. Ley.s d'amors 1, 346. 2' Romanzen und Pastourellen S. XIII— XV. 28 £ii,^. solche, sehr uufläthige, steht LA. 1, 268. '''» LA.

1. 346. ^" Als vionja würden etwa die beiden Lieder, ßomanzen und Pastou-

rellen I, 33. 34 zu bezeichnen sein.

§. 27. ' Herausgegeben von J. Bekker. Provenzalische geistliche Lieder des 13. Jahrhunderts (Abhandlungen der Berliner Akademie 1842) Nr. 15 20.

* Nr. 16; dies und ein anderes (Nr. 17) in der Chrest. 271 274. ^ Chrest. 207, 1. ■• Rayn. 4, 473. * Denkmäler 63—71; vgl'Anmerk. zu 63, 26.

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lieh volksthümlichem Charakter und von einfacher Form findet sich in der Pariser Hs. La Valliere 152 ^.

Wichtiger ist eine zweite Dichtungsart, namentlich nach ihrer formellen Seite : das descort ^. Es hängt zusammen mit den kirchlichen Sequenzen» welche im 9. Jahrhundert zuerst in Deutschland aufkamen, dann auch in Frankreich sehr beliebt wurden ^. Ihre Eigenthümlichkeit besteht darin, dass sie nicht in gleichgebauten Strophen mit durchgehen- der Melodie, sondern in ungleichen Absätzen, von verschiedenen Vers- massen und verschiedener Verszahl, von denen jeder seine besondere Melodie hat, gebaut sind. In sich aber ist jeder Absatz der Theiluug fähig, fast regelmässig in zwei, selten in drei gleiche Theile: die zweitheiligen lassen oft eine weitere Gliederung in vier Theile zu. Die alte romanische Bezeichnung dafür ist lais, ein wahrscheinlich aus dem Celtischen entlehntes Wort ^, welches aber bei den Provenzalen fast immer einen allgemeinen Sinn, Gesang, hat und namentlich vom Ge- sänge der Vögel gebraucht wird, selten im französischen Sinne einer bestimmten Dichtungsart vorkommt^". Zwei provenzalische Lais haben sich erhalten, jedoch in französischer Umschreibung^^. Der gewöhnliche provenzalische Name ist descort d. h. Gedicht in abweichenden, nicht harmonierenden rhythmischen Absätzen, Jedenfalls erst hineingetragen ist die Beziehung auf die disharmonische Stimmung des Dichters, die in der Form ihren entsprechenden Ausdruck suchte ^^; daher dient es als Ausdruck unerwiderter Liebe. Aus diesem Grunde nennt ein Troubadour sein in Descortform gedichtetes Lied acort, weil er in Harmonie mit der Liebe und der Geliebten sich fühlt ^^. Ein Descort in verschiedenen Sprachen, aber mit Ausnahme der letzten in gleichgebauten Strophen, hat Raimbaut de Vaqueiras gedichtet^*, um durch die Sprachver- schiedenheit den Mangel an innerer Harmonie auszudrücken.

§. 28. \

Noch bleiben eine Anzahl künstlicherer und selten vorkommender lyrischer Formen zu erwähnen, die zum grösseren Theile ihren Namen mit Bezug auf den Inhalt tragen. Am wichtigsten darunter in lite- rarischer Hinsicht ist die Sextine, eine besondere Art der Canzone, in welcher sechs Reimwörter in bestimmter Folge durch sechs Strophen sich ablösen und eine Runde bilden. Ihr Erfinder ist Arnaut Daniel,

^ Von mir herausgegeben im Jahrbuch 12, 1. Heft. ^ Chrest. 205, 10. 292, 5. 368, 3. ^ Vgl. mein Buch Die lateinischen Sequenzen des Mittelalters. Rostock

1868, und F. Wolf, lieber die Lais, Sequenzen und Leiche, Heidelberg 1841.

« Diez, Etymologisches Wörterbuch ^ 2. 355. *<> So Chrest. 292, 5. 7, an ersterer Stelle descort ni lais. " In Hs. d, zum Theil auch in W. '* Chrest.

205, 10 ja no feira descort s'eu acort trobea ab leia qvleu am fort. '^ Pam.

Occit. 388. " Mahn, Werke 1, 371.

39 ~

dessen Sextine * von mehreren Troubadours mit Beibehaltung der Reira- worte nachgeahmt worden ist 2. Die Italiener entlehnten sie den Pro- venzalen' und gaben ihr den Namen.

Das Sonett kennen wir nur aus zwei Beispielen eines provenzalisch dichtenden Italieners, Dante da Majano * : es ist den Italienern national eigenthümlich, wenn auch vielleicht unter dem Einfluss provenzalischer Strophenbildung entstanden ^. Bei den Provenzalen bezeichnet fronet im Allgemeinen Melodie^, also identisch mit so (§. 21, 2).

Die Rundcanzone, cansos redonda ^_, hat mit der Sextine die grösste Aehnlichkeit : auch hier lösen sich die Reime in fester Folge ab, nur bleiben die Reimworte nicht dieselben ®. Auch diese Form haben die Italiener von den Provenzalen entlehnt ".

Breu-dohle '^^ nennt Guiraut Riquier ein Gedicht in drei vier- teiligen Strophen und mit einem Geleit. Der Name bedeutet ,Doppelt- kurz' und bezieht sich auf die geringe Zahl von Strophen, aus denen das Lied, und die geringe Zahl von Versen, aus denen jede Strophe besteht. Die esdemessa ist wahrscheinlich eine volksthüraliche Lieder- gattung, wie der Refrain des 'einzig erhaltenen Beispiels ^^ vermuthen lässt. Comjaf hiess ein Gedicht, worin der Dichter von seiner Herrin sich lossagte ^^; dieser Name war aber nicht an die lyrische Form gebunden, denn wir finden das Abschiednehmen auch in Briefform *^. Escondiy. d. h. Rechtfertigung, hiess ein Lied, worin der Dichter bei seiner Dame gegen Anklagen und Verleumdungen sich rechtfertigte ^^ : äevinalh, Räthsel, eins, das sich in Widersprüchen und Wortspielen bewegte ^^ Die Bezeichnungen tomei und gaJamhei sind dem Turnier entlehnt ^^; der Name carros, Streitwagen, schildert die Dame, wie sie von andern Frauen, die eifersüchtig auf ihre Schönheit sind, in ihrer Burg bestürmt wird ^^. Estampido soll nach Raynouard ^^ ein Lied auf bekannte Melodie bezeichnen: ein Beispiel liefert Raimbaut de Vaqueiras^^. Der Ausdruck entspricht dem altfranzösischen estampie,

§. 28. » Clirest. 134, 7. - Von Guillem de Saint Gregori, Mahn, Gedichte

;»40, und Bertolomeu Zorgi, Mahn. Gedichte 573. ^ Vgl. Jahrbuch der deutschen

Dantegesellschaft 3, 313. * Archiv 33, 411; das eine auch Chrest. 311.

'" Germania 2, 290. « Chrest. 78, 6. 99, 8. 137, 15. ^ Guiraut Kiquier 27.

* Beispiele im Jahrbuch für roman. Literatur 1, 186. ^ Jahrbuch der Dante- gesellschaft 3, 315. "5 Chrest. 276, 11. " Rayn. 5, 447; vgl noch Archiv :ü, 408 no fera un' endemesm. '2 Chrest. 193, 32. Rayn. 3, 242. 245. Pam. Occit. 264. Mahn, Werke 1, 327. »» Lex. Rom. 1, 489. " Chrest. 109, 2; vgl. noch Leys d'amors 1, 348. 364. " so es devinalhs Mahn, Ge- dichte 98. Vgl. schon die ähnlichen Gedichte von Wilhelm von Poitou, Mahn, Werke 1, 3, und von Guiraut de Bomeill, Gedichte 129. '•' Raimbauts de Vaqueiras Lied El so que plus niagensa. " Chrest. 124—128. ** Choix 2, 255. '9 Mahn, Gedichte 970. 971.

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dem mittelhochdeutschen stampeme, und bezeichnet ursprünglich wohl ein Tanzlied ^°. Redondeh^'^ sind die französischen Kondeaux und scheinen daher erst in späterer Zeit entlehnt : mit den erwähnten Kund- canzonen haben sie nichts gemein. Mit ihnen verwandt sind die man- delas, die wir ebenfalls nur aus den LA. kennen 2^,

Eine Menge auf den Inhalt bezüglicher Dichtungsnamen führen die Leys d'amors ^^ an, als somis, Träume, vezios^ Visionen, cossir^ als Ausdruck sehnsüchtigen Verlangens, enuegz, worin der Dichter alles AViderwärtige zusammenstellt ^^ desplazers, mit ähnlichem Inhalt, Aus- druck des Missbehagens, desconortz, Ausdruck des Verzagens, güozescm. Ausdruck der Eifersucht, u. s. w.

' Bemerkenswerth ist endlich ein Gedicht von Eaimbaut d'Aurenga^\ in welchem auf jede Strophe eine prosaische Zwischenrede folgt. Der Dichter weiss selbst keinen Namen für dieses sonderbare Product und nennt es daher am Schlüsse sein ,Ich weiss nicht was' ^^.

§. 29.

Dem Inhalte nach zur Lyrik, der Form nach zur unstrophischen Dichtung gehören die Liebesbriefe, provenzalisch hreus, htras^. Die gewöhnliche Form, in der sie verfasst sind, sind Reimpaare von achtsilbigen Versen ; Eaimon de Miraval ^ verbindet nicht je zwei, sondern je drei Verse durch den Reim, und zwar ist der erste Vers immer ein viersilbiger, nur am Anfang fehlt er, daher hier nur ein einfaches Reimpaar. Sie heissen salutz ^, Avenn sie mit einem Grusse an die Geliebte anheben, und domnejaire^, wenn sie mit domna be- ginnen und ebenso schliessen. Das eine der so benannten Gedichte ist in strophischer Form, wie wii- auch eine salut in strophischer Form besitzen ^.

Der berühmteste Dichter von Liebesbriefeix ist Arnaut de Maroill, ja vielleicht der erste, denn ein Raimbaut d'Aurenga bei- gelegter Brief ist nicht genügend bezeugt ^. Von Arnaut besitzen Avir folgende Liebesbriefe:

Zum deutschen , stampfen' gehörig. Vgl. noch Leys d'amors 1, 350.

" LA. 1, 350. *2 L^ 1^ 152, 200; 1, 350 steht dafür falscli viandelm.

LA. 1, 350. 2* Solche haben wir mehrere vom Mönch von Montaudon;

eins davon Chrestom. 130, 5. Auch ein catalanisches : Jahrbuch 2, 288 291.

^^ ehrest. 65, 9. mon no sai que s'es Chrest. 66, 24.

§. 29. ' hrma Chrest. 90, 17. letras Lex. Korn. 1, 504 und öfter bei C^uiraut liiquier. ^ Denkmäler 127—131. ^ P. Meyer, Le salut d'amour dans les

litteratures provenfale et fran^aise, Paris 1867. 8. * Archiv 34, 424. 427.

Der Ausdruck donaire, den Eayn. 2, 258 erwähnt, kommt nicht vor. '' /^wn

tcUut mi voill entremetre von Lambertin de Bonanel: Archiv 35, 100. ® Domna

cel queus es bos amics Archiv 35, 105 G.

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Gel que vos es al cor plus pres Rc, anonym LQ. Archiv 34, 429 L. R. 2, 258. 5, 46. M. 1, 173.

Domna, cel que no pot aver K.

Domna, <jenser queu no sai dir GNRc, anonym L. LB. 119 K. ehrest. 89 R. R. 3, 199. M. 1. 151. Galv. 239.

Tan niahelis em platz C.

Tota^ bonos domnas valens R. (R. 5, 47. M. 1, 174.) Ferner von Pons de Capdoill, dessen Autorschaft aber nicht sicher ist:

Domno, eu preing eomjat de vos G ; Folquet de Romans c. anonym LN. LR. 1, 489; von RaimondeMiraval:

Domna, hi genser com demanda R. Denkm. 127 131; auch hier kann man die Echtheit bezweifeln ;

von Uc de Saint Circ, wenigstens anonym zwischen seinen Liedern stehend :

Beta domna gaf e valens L. Archiv 34, 432. MG. 1136 ; und, am Schlüsse dieses Zeitraums, AmanieudesEscas, mit zwei Liebes- briefen :

Ä vos que leu am dezamatz R. LR. 1, 499. Mila 426.

Domna per cid plane e sospir R. R. 5, 20. Mila 422. Endlich mehrere anonyme:

Äi doussa domna ralens L 39% L 49^- Arch. 34, 427. MG. 1007. Als Domnejaire bezeichnet.

Bona dompna . . . . N 26, vermuthlich ein Brief.

Domna caves la seignoria N, wohl ebenso.

Domna y vos m' avetz et amors LNQ. Arch. 34, 424 N.

Eu aman jur e promef vos D^G. Arch. 35, 105 G.

Si trohes tan lejal messatgeh. Arch. 34, 430. Als Complainta bezeichnet.

Tayis salxiiz e tantas honors V. Ein Brief von Guillem de Berguedan an einen Freund und Gönner legt einen Liebeshandel vor, welchen der Dichter mit einer geliebten Dame hat^; auch die Entscheidung jenes Gönners, gleichfalls in poetischer Form, hat sich erhalten ^. Andere persönliche Beziehungen behandelt Kaimbaut de Vaqueiras in seinen an den Markgrafen Bonifaz von Monferrat gerichteten drei Briefen, die in epischem Versmasse je eine einreimige Tirade bilden'':

Honrat (Seigner) marqties, nous colli tot remembrar OER. (R. 5, 426. MW. 1, 383.)

Valen marques, Ja nvm diretz de no CER. (R. 2, 260. 5, 425. MW. 1; 381.)

' Amics seigner. nous o cal dir R. Jahrbuch 6, 236. " De far un Jut-

jamen R. Jahrbucli 6, 237. * Er beginnt und schliesst mit seigner, wie man

einen domnejaire mit domna beginnen und .schliessen Hess: Anm. 4.

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Vale7i marqu.€i<, seigner de Mnnf errat CBR. (R. 5, 424. MW. l, 380). Noch andere Briefe werden wir unter den didaktischen Poesien erwähnen.

§. 30.

Der Einfluss, welchen die provenzalische Poesie auf die übrigen mittelalterlichen Literaturen ausgeübt hat, beschränkt sich auf die Lyrik, die ja auch in der Literatur der Provenzalen den Schwerpunkt bildet. Als die am frühesten entwickelte Lyrik hat sie ihren Charakter der Kunstlyrik der übrigen europäischen Culturvölker aufgedrückt. Zunächst der Lyrik der nordfranzösischen Trouveres. Diese ist im 12. und 13. Jahrhundert, im Inhalte wie in der Form, fast durch- aus ein Spiegelbild der provenzalischen Lyrik, eine matte, verblasste Copie. Bei weitem nicht so bedeutend, bewegt sie sich in wenig in- dividuellem Ausdruck der Empfindung und verlässt selten die breit- getretenen Geleise conventioneller Gedanken. Das Sirventes erscheint nm' schwach cultiviert und hat nicht entfernt die politische Bedeutsam- keit wie im Süden. Selbständig ist die französische Lyrik dagegen auf den Gebieten, die dem volksthümlichen Elemente nahe stehen, haupt- sächlich in der Romanze und Pastourelle ^ ; die Balade tritt erst später auf, und hier wahrscheinlich unter italienischem Einfluss. Von den intimen Beziehungen beider Literaturen geben die in französische Lieder- handschriften und Dichtungen ^ aufgenommenen provenzalischen Lieder Zeugniss; das Umgekehrte, dass französische Lieder in provenzalischen Handschriften sich finden, kommt viel seltener vor ^. Den literarischen Verkehr zwischen Troubadours und Trouveres bezeugen die Strophen, welche Hugues de Bersie und Folquet de Romans mit einander wechselten^.

Mittelbar durch die französische Lyrik hat die provenzalische Poesie auf die Lyrik der deutschen Minnesänger eingewirkt; aber auch eine unmittelbare Einwirkung vermögen wir wenigstens an zwei Dichtern nachzuweisen: Friedrich von Hausen und Graf Rudolf von Neuenburg, beide dem Ende des 12. Jahrhunderts angehörig, ahmten direct pro- venzalische Lieder nach, jener ein Lied von Folquet de Marseille '', dieser Lieder von demselben Troubadour und dem gleichzeitigen Peire Vidal*. Friedrich von Hausen hat ausserdem in einem Liede genau eine ziemlich kunstreiche Strophenform von Bernart de Ventadorn nach- gebildete Dass Deutsche auch in provenzalischer Sprache gedichtet, würde durch die oft besprochenen Verse, welche Nostradamus Kaiser

§. 30. * Daher mir diese besonders zu verdienen schienen, in eine Sammlung (Leipzig 1870) vereinigt zu v?erden. -' Vgl. die Handschriften WXY«ff? unsers

Verzeichnisses. •* Ein paarmal in CR. ' Archiv 34, 403. ^ Von

mir nachgewiesen Germania 1, 480 482. " Vgl. meine Abhandlung : Zeitschrift für deutsches Alterthum 11, 145—162. ' Berthold von Holle S. XXXVII f.

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Friedrich I beilegt, erwiesen sein, wenn deren Echtheit über kritische Bedenken erhaben wäre^

Sehr bedeutend ist der Einfluss der Poesie der Troubadours auf die italienische. Derselbe zeigt sich in doppelter Weise. Italiener des 13. Jahrhunderts dichteten in provenzalischer Sprache : so König Friedrich III von Sicilien. der Venezianer Bei-toloraeu Zorgi, die Genuesen Honifaci Calvo, Lanfranc Cigala. Simon Doria und Perceval Doria, der Mautuaner Sordel, unter allen wohl der berühmteste, der Pistojer Paul Lanfranc, der Ferrarese Ferrari, ferner Graf Albert von Malaspina, Markgraf Lanza u. A. Sodann verräth der Charakter der altitalienischen Lyrik, dass die Dichter an den Liedern der Troubadours sich bildeten, sie nachahmten ^, von ihnen die Kunstformen und technischen Ausdrücke entlehnten. Die älteste Hofpoesie, am sicilianischen Hofe, trägt diesen ab- hängigen Charakter am deutlichsten ; aber auch die ältere Lyrik von Toscana verleugnet ihn nicht. Wir wissen, dass Dante ein eifriges Studium aus der provenzalischen Literatur machte, er nennt und citiert wiederholt Troubadours ^^ ja er lässt einen derselben, Arnaiit Daniel, in seinem grössten Werke provenzalisch redend auftreten ^ *. Auch hat er, wenn die dreisprachige Canzone von ihm sein sollte ^ ^ in Liedern sich der proven- zalischen Sprache bedient ^^. Zwei provenzalische Sonette eines Zeitge- nossen, Dante da Majano, wurden oben (§. 28, 4) angeführt. Nicht minder j^tudierte Francesco da Barberino die Werke der Troubadours ^*, und im 14. Jahrhundert Boccaccio und mehr noch Petrarca. Dass die italienische Poesie sich allmählich von diesem Einflüsse frei machte, verdankt sie dem an der Antike sich bildenden Geiste ihrer Dichter.

Noch stärker steht unter dem provenzalischen Einflüsse die cata- lanische Literatur ^^; ja wir können, was die ältere Zeit betrifft, geradezu sagen, dass sie nur einen dialektisch abweichenden Zweig der provenzalischen Poesie bildet. Die catalanischen Dichter des 12. Jahr- hunderts bedienten sich der provenzalischen Sprache, so Guillem de Bergue- dan u. A. Erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kommt die catalanische Mundart zu selbständigerer Geltung. Die catalanischen Lyriker des 14. und 15. Jahrhunderts zeigen nach Form und Inhalt die deut- liche Einwirkung der provenzalischen Vorbilder ^*^.

* Nostradamus, Les vies des plus celebres poetes provensaux S. 28. ® Einzelne frappante Belege bei Diez, Poesie S. 277 ff. ** In seinem Buche De vulgari

eloquio und der göttlichen Comödie. '• Purgator. 26, 140—147. '* Ai /als ri» per que traitz avetz Fraticelli, opere minori 1 '■', 219. *"* Ueber die von ihm benutzten provenzalischen Quellen vgl. meine Abhandlung im Jahrbuch der Dautegesellschaft •J; 377—384; vgl. auch Mahn, ebenda 1, 169—176. " Jahrbuch 11, 42—59.

Vgl. F. R. Carabouliu, Essai sur Thistoire de la litterature catalane, 2* ödit., Paris 1858. A. Helfferich, Raymund Lull und die Anfänge der catalonischen Literatur, Berlin 1858. Ebert im Jahrbuch 2, 241—279. Milä y Fontanals, ebenda 5. 137 170. Bartsch, der catalonische Can9oner d'amor der Pariser

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Endlich die portugiesische Lyrik ^^ In Portugal bildete sich um König Dionysius am Ende des 13. Jahrhunderts ein Kreis höfischer Dichter, und zwar höfischer im eigentlichsten Sinne, indem die Dichter Persönlichkeiten waren, die in nächster Beziehung zum Hofe standen. Auch diese Lyrik ist nach Inhalt und Form ein Abbild der Poesie der Troubadours.

Somit sehen wir keines der literarisch bedeutenden Völker des Mittelalters dem Einflüsse der provenzalischen Dichtung entzogen, und die Wichtigkeit der südfranzösischen Lyrik gewinnt dadurch in den Augen des Forschers bedeutend. Ob dieser Einfluss durchweg ein günstiger war, ist freilich eine andere Frage, die hier zu untersuchen nicht der Ort ist.

§. 31.

Die didaktische Poesie* trägt in diesem dem Weltlebeu vor- wiegend zugewandten Zeitalter auch vorzugsweise einen weltlichen Charakter. Sie geht darauf aus, den Menschen tugendhaft zu machen, ihm seine Pflichten vorzuhalten, aber doch mit nächster Beziehung aui" seine Stellung in dem Weltleben, in der höfischen Gesellschaft, deren Mitglied er ist. Die Lehren sind entweder allgemein gehalten, allge- meine Tugendlehre und Ethik, oder es sind Anweisungen für einen bestimmten Beruf und Stand: diese letzteren (emeignamens) haben culturgesehichtlich den bedeutendsten Werth durch Züge, die das da- malige Leben erläutern. Aber auch die wissenschaftlichen Gedichte mangeln nicht, sie entfalten sich zu völligen Encyklopädien des Wissens der Zeit.

Einen rein religiösen Charakter tragen die geistlichen Ge- dichte, welche in der schon oben (§. 27, 1) erwähnten Wolfenbüttler Hs. Extravag. 268 stehen: sie sind wie die lyrisijhen Sachen darin im Jahre 1254 von demselben Dichter verfasst, in Reimpaaren aus verschiedenen Versmassen, sechs-, acht- und zehnsilbigen Versen^, und zAvar 1 12 in sechssilbigen, 13—14 in achtsilbigen, 21—33 in zehn- silbigen. Es sind theils Anrufungen an Gott, Maria und die Heiligen, mitunter (11, I 14) an eine ganze Reihe von Heiligen nach Art der Litanei, theils gereimte Predigten, und in diesen tritt natürlich der lehrhafte Zug stärker hervor. Von verwandtem Charakter ist ein kürzeres Gedicht, das in der Stockholmer Handschrift Nr. XLIV,

Bibliothek: Jahrbuch 2, 280—292. " F. Diez, Ueber die erste portugiesisch^'

Kunst- und Hofpoesie, Bonn 1863.

§. 31. * Libri im Journal des 8avant8 1842, Januar, führt provenzalische Lehr- gedichte als in der Bibliothek zu Carpentras befindlich an, aber ohne sie näher zu bezeichnen. Verniuthlich die Hs. des Breviari d'araors, '•' Herausgegeben

von J. Bekker, Abhandlungen der Berliner Akademie 1842.

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auf Bl. 116 sieb findete und mit den Worten Senors e donas, gran qitonqutst beginnt.

Daude de Pradas, aus Kovergue, später Canonicus in Maguelonne, verfasste am Anfange des 13. Jabrbunderts in der üblichen Form der Reimpaare sein Gedicht von den vier Cardinaltugenden, welches sich in der Pergamenths. append. cod. XI der Marcusbibliothek zu Venedig, vom Jahre 1268, findet*. Seinen Namen nennt der Dichter am Schlüsse, indem er sein Werk au den Bischof Esteve von Chalan9on (1220 1236) sendete Die vier Tugenden sind savieza, Weisheit, rortezia, Höflichkeit, mezura, Mass, und drechura, Gerechtigkeit: sie werden sämmtlich persönlich aufgefasst und redend eingeführt. Der weltliche und höfische Zug der didaktischen Poesie macht sich schon hier geltend.

Dagegen versetzt uns wieder in die geistlichen und klösterlichen Anschauungen der Brief, welchen Matfre Ermengau aus Beziers, ein MinoritenbiTider, an seine Schwester richtete **. Derselbe hat sich in fünf Handschriften erhalten: 1, British Museum, Eeg. 19 C 1 ; 2, Pariser Hs. fran9. 1745, anc. 7693, Bl. 136; 3, Pariser Hs. fran9. 857, Bl. 235; 4, fran9. 858, Bl. 246; 5, Wiener Hs. 2583. Anknüpfend an die Sitte, sich zu W^eihnachten mit Honig und Meth, oder auch mit einem Kapauu, zu beschenken, deutet er diese Geschenke auf Christus, der uns zu W^eihnacht gegeben wurde. Abweichend von der gewöhnlichen Form der Briefe bedient sich Matfre der zehnsilbigen, paarweise gereimten Verse, und nennt sein W^erk pistola.

Eine Bearbeitung der Sprüche Salomonis lieferte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Guillem de Cerveira, Sein noch un- gedrucktes'^, in paarweise reimenden und ausserdem auch in der Cäsur gereimten Alexandrinern verfasstes W^erk ist in der Hs. fran^. I (CIV. 6) der Marcusbibliothek erhalten: seine Aeusserung, dass er mit drei Königen gewafithet über Meer gehen wolle, hat Heyse auf die Kreuz- fahrt von 1189, Milä y Fontanals^ mit grösserem Rechte auf den Zug Ludwigs IX von 1269 gedeutet. Der Dichter stammt aus einer edlen catalanischen Familie, in der allerdings ein Guillem schon 1149 vor- kommt; allein das ist offenbar zu früh, und schon der catalanische Charakter der Sprache nöthigt uns ihn dem 13. Jahrhundert zuzuweisen.

^ G. Stephens, Förteckning öfver de tornämsta Britiska och Fransyska hand- skrifterna uti kongl. Bibliotheket i Stockholm, Stockholm 1847. S. 124. Hier als zwei Gedichte bezeichnet, es ist aber der Anfang des zweiten nur ein Absatz. Von mir herausgegeben im Jahrbuch 12, I.Heft. * Jahrbuch 11, 60. * Daude de Frada« mi tramet. Auszug aus dem noch uugedruckten Werke Lex. Kom. 1, 563 570.

«> Gedruckt nach den Hss. Reg. 19 C 1 und Pariser 1745 in Denkmäler S. 81 - 85 ; vgl. S, Xni f. ' Ein Stück vom Anfang in P. Heyse, Eomanische Inedita S. 13— 2(>, ein anderes Chrest. 297—300. ** Trovadoies en Espafia S. 353.

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Am nächsten im Inhält steht ihm, aber volksthümlicheres Gepräge trägt das unter dem Namen Seneca bekannte, richtiger aber lo savP, der Weise, zu benennende Werk von einem ungenannten Dichter, wohl in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasst. Wir besitzen davon zwei verschiedene ßecensionen, die eine in der Hs. der Arsenalbibliothek, espagnol 10 ^", die andere in der Biblioteca Chigiana zu Eom, C. V. 151 ^^ Die Texte weichen in der Reihenfolge der meist aus einfachen Reim- paaren bestehenden Sprüche sehr ab und ergänzen einander. Genau dasselbe finden wir im mittelhochdeutschen Freidank, mit dem nacli Anlage und Charakter das Gedicht auffallend stimmt ^l Auch es vei- arbeitet alte Volksweisheit und Lebenserfahrung, die sich häufig in Kernsprüchen ausdrückt. Die gelehrte Bildung des Verfassers, dei- Seneca und Salamo citiert, beeinträchtigt die populäre Haltung nicht. Noch im 14. Jahrhundert war das Werk gelesen und beliebt: die Leys d'amors eitleren wiederholt Stücke daraus*^.

Der in diesen Werken hervortretende ethische Standpunkt herrscht auch in den cohlas esparsas, d. h. einzelnen Strophen, die am nächsten verwandt mit der mittelhochdeutschen Spruchpoesie sind. Während aber die deutschen Dichter ihre Gedanken meist in wenige oft angewandte Strophenformen kleiden, wechselt hier fast überall die Form. Haupt- vertreter sind Bertran Carbonel von Marseille und Guiraut del Olivier aus Arie, von denen die Hs. La Valliere 14, Bl. 111 und 112 eine ganze Sammlung solcher coblas enthält^*. Die des ersteren finden sich auch grösstentheils in P, eine Anzahl in f, die des letzteren enthält zum kleinsten Theile auch f, mit einigen in R fehlenden ^^. Trotz der künstlichen lyrischen Formen birgt auch hier t^ich viel alte Volksweisheit, wie namentlich das häufige Vorkommen der Sprichwörter darin darthut. Andere coblas esparsas sind anonym, namentlich in den Händschriften P und T, überliefert.

§. 32.

Bestimmtere Anwendung auf einen besonderen Stand oder auf be- sondere imd persönliche Verhältnisse, auf locale Sittenschilderungeu finden wir dagegen in einer Reihe anderer lehrhafter Dichtungen, die bis ins 12. Jahrhundert hinaufreichen. Wenn sie auch im Ganzen allgemein gehalten sind und meist der lebhaften Localfarbe

^ aquest libre a nom lo savi Denkmäler 215, 16. **> Danach herausgegeben

Denkmäler S. 192—215, und Stücke LB. 148—149. Chrest. 333—336. Im Auszuge Lex. Eom. 1, 538—548. " Jahrbuch 11, 32. Sancta Agnes S. IL " Vgl.

Denkmäler S. XX. »* LA. 3, 274—278; den Anfang 3, 288. " Gedruckt

Denkmäler S. 5—50, vgl. S. V— VIII. " Statt del Olivier heisst der Dichter

hier de Lobevier: Meyer, Derniers Troubadours S. 514. Vielleicht ist daraus Nostra- damus' Hugues de Lobieres (S. 84) entstanden.

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entbehren, so mangelt ihnen doch nicht die besondere Beziehung, nament- lich auf das höfische weltliche Leben.

Das älteste der hierher gehörigen Gedichte wird in den Hand- schriften ^ zum Theil als enseignamen d. h, als Unterweisung, Belehrung bezeichnet. Arnaut de Maroill, als Lieder- und Briefdichter be- kannt (§. 29), ist der Verfasser. Sein Gedicht, welches allerdings auf alle Stände berechnet, aber mehr allgemein moralisierend gehalten als auf Einzelschilderungeu des Lebens eingehend ist, findet sich in den Liederhandschrifteu D^GIKNQRcd^

Zahlreicher sind die moralischen Dichtungen des 13. Jahrhunderts. An der Spitze steht, durch sittlichen Ernst und scharfe Beurtheilung hervorragend, Peire Cardenal, aus einer edlen Familie in Veillac. Von ihm gehört zunächst hierher ein in allegorisches Gewand ge- kleidetes Gedicht, eine Fabel, wie es scheint von eigener Erfindung, mit angehängter Moral. In einer Stadt fällt ein fiegen, der alle Leute verrückt macht, nur Einer bleibt verschont und wird daher von den Uebrigen für verrückt erklärt ^. Das Gedicht nennt sich sermos, Predigt : derselbe Name kommt auch einem zweiten zu, das in den Eingangs- worten selbst an den Zusammenhang mit der Predigt erinnert^ und in einer Form verfasst ist, die auch sonst in Lehi-gedichten öfter be- gegnet : sie kommt schon in einem Gedichte des vorigen Zeitraums vor •' und beruht auf volksthümlicher Grundlage. Die strophische Eintheilung, die die Handschriften haben, in 30 sechszeillge Strophen, ist jünger, die ursprüngliche Form ist strophenlos. Von demselben Dichter besitzen wir auch ein estribot, eine Dichtungsart, die sehr alt ist*^. Die zwei uns erhaltenen Beispiele zeigen denselben Inhalt und die gleiche Form : sie sind allgemein moralisierend, in Alexandrinertiraden verfasst. Den Namen setzt Peire Cardenal mit estrieup, Steigbügel, in Verbin- dung; am Schlüsse sagt er mon estribot fenisc qu!ai trag de gram- matica e de dhinitatz . . . qv£ leu o die per dieii qiien sia plus amatz e per mal estribatz clergues '. Ein zweites so benanntes Gedicht wird in einer Hs. Palais beigelegt, in einer zweiten steht es anonym^. Ein viertes Lehrgedicht von Peire Cardenal, beginnend Cel que fe tot Card es ^, hat die Form sechssübiger Verse, die in den Lehrgedichten die beliebteste ist, und die von den Provenzalen auch die Italiener

§. 32. ' So in den Hss. IKd. * Gedruckt Rayn. 4, 405. Mahn, Werke 1, 176.

3 Es steht in den Hss. IKRTd. Gedruckt LB. 122 IRT. Chrest. 171 IßT. Kayn. 4, 366. PO. 321. MW. 2, 18y. Galv. 224. * Predicator teing per meillor in

D^tKK^Td. Gedruckt: Mahn, Gedichte 941 I. ^ §. 11. Vgl. P. Meyer,

Anciennes poesies religieuses S. 4 ff. ^ vers estribot ni »irvenies ßaimbaut

d'Aurenga Chrest. 65, 11. bons estribotz Guiraut de Cabrcira Chrest. 80, 27.

' Parn. Occit. 324; nur in K erhalten. * ün estribot farai don »ui aper-

cetcbutz DS anonym Q. » Hs. R, Bl. 136.

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entlehnt haben ^", aber bei Peire Garden al nicht paarweise gereimt, sondern in vierfachen Keimen. Ein fünftes kann ihm nicht mit Sicher- heit beigelegt werden, wiewohl die beiden Handschriften (D*T) es mitten nnter seinen Liedern haben: De paraulas es grans vtltatz^\

Der Italiener Sordel aus Mantua, ein Zeitgenosse des Vorigen, ist Verfasser eines für Ritter und Damen bestimmten Lehrgedichtes, welches in der Handschrift R 71 der Arabrosiana, Bl. 131 140 sich findet. Aus den Anfangsworten Aissi col tesaurs es lierdutz^"^ hat man die Bezeichnung Tesoro oder Thesaurus Thesaurorum entnommen, die diesem verloren geglaubten Werke Benvenuto von Imola und Landiiio geben ^^. Der Dichter bezeichnet sein in der Form achtsilbiger Reim- paare verfasstes Gedicht als enseignamen.

Der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gehört an ein nur theilweise erhaltenes Gedicht von Serveri, namenlos überliefert in der Vene- zianischen Handschrift CIV. 6^*; der Name ist aber aus V. 61 zu schliessen. Der Dichter zeigt auch in seinen lyrischen Sachen eine starke Hinneigung zum lelirhaften Elemente.

Lebhafter und ausführlicher führt uns in die Zeit ein Folquet de Lunel in seinem Strafgedichte auf die Laster der Gegenwart, aus dem Jahre 1284, worin alle Stände scharf mitgenommen werden ^^. In der Form ist das Gedicht bemerkenswerth, da es nicht in Reim- paaren, sondern in verschlungenen Reimen (a b a b a b) verfasst ist, die lange Tiraden bilden, die ungraden Verse immer männlich, die graden weiblich (aber mit acht Silben) reimend.

Die didaktischen Gedichte von Guiraut Riquier sind fast sämmtlich in Form von Briefen oder wenigstens Anreden an bestimmte Personen gekleidet: sie sind uns alle nur in der Hs. R erhalten. Eigentliche Briefe sind darunter nur vier:

AI car onrat senhor MW. 4, 143. v

AI noble mot onrat WN. 4, 123.

AI pus noble, al pus valen MW. 4, 100.

A sei que deu voler MW. 4, 125; während acht andere direct als Lehrgedichte zu bezeichnen sind:

Altan grans com devers MW. 4, 149.

A penas lunh pro te MW. 4, 157.

Per re non puesc estar MW. 4, 117.

Qui conois et enten MW. 4, 106.

** Brunetto Latin! im Tesoretto ; allerdings kommt sie auch bei den Franzosen vor, schon hei Philipp de Thaun im Bestiaire, aber viel seltener. " Denk-

mäler 139—141; vgl. Anm. zu 140, 26. Jahrbuch 11, 2 f. >•' Diez.

Leben und Werke der Troubadours S. 468. '^ Ein Stück bei Heyse, Romanische

Inedita S. 20—27. *^ In Hs. R, BI. 139. Anfang: El nom del paire glorios.

Ein Stück daraus LB. 130—132. Chrest. 301-306. Im Ganzen über 500 Verse.

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Sei que sap cocelhar MW. 4, 201.

Sim fos saber grazttz MW. 4, 131.

Siin fos tan de poder MW. 4, 205.

Tant petit vey prezar MW. 4, 191. Das vorletzte derselben wird bezeichnet als novas, ein Ausdruck, der sonst nur auf erzählende Gedichte angewendet wird; das letzte trägt Lehren und Ansichten über Poesie vor. Ein anderes ist ein Lob- gedicht auf eine Dame^^, aber doch von anderem Charakter wie etwa die früher (§. 29) besprochenen Liebesbriefe. Von bedeutendstem In- halt ist die Bittschrift, welche Guiraut an Alfons X von Castilien wegen der Unterscheidung von Troubadom*s und Jongleurs richtete^'; der darauf ertheilte Bescheid des Königs, der sich ebenfalls erhalten hat^^ und auch in gleicher poetischer Form ist, ist, wie schon Diez^^ wahrscheinlich gemacht, von Guiraut im Auftrage des Königs verfasst. Literarisches Interesse hat auch die in Versen abgefasste Erklärung einer Canzone von Guiraut de Calanso über das »kleinere Drittel der Liebe', del menor terz d!amor'^^, als einziger Beleg eines poeti- schen Commentars (expozltio). Sie beginnt Als suptäs ajjrimatz^^^ es schliesst sich daran ein Zeugniss in Versen, von Graf Heinrich It von Khodez, welcher die Canzone noch drei andern Troubadours zur Erklärung gegeben hatte, aber der Deutung von Guiraut den Vorzug ertheilte ^^. Eine formelle Eigenthümlichkeit der fast durchgängig in sechssilbigen Reimpaaren verfassten Lehrgedichte Guirauts besteht darin, dass sie mit einem reimlosen Verse schliessen, was mit dem Reim- brechen bei ihm zusammenhängt^^.

Ein Zeitgenosse Guirauts, Nat de Mons, scheint an ihm sich gebildet zu haben, wenigstens tragen seine didaktischen Sachen durch- aus ähnlichen Charakter-*. Die Lebensregeln, welche er einem Jon- gleur auf dessen Wunsch gab, sind ganz allgemein gehalten und wenig ausgiebig für dieKenntniss dieses Standes: das weitläufige, gegen 1500 Verse zählende Gedicht beginnt ßitot non es enquist^^. Ein anderes ist gegen die Verderbniss der Welt gerichtet, aber auch an lebendigen Zügen arm: es beginnt Si Nat de Mons agues und steht wie alle übrigen nur in der Hs. R. Ausserdem besitzen wir von ihm zwei Send-

Qui a sen et entendemen MW. 4, 103. *" Pub dieus mha dat saber MW.

4, 163; vgl. Diez, Poesie S. 331—34-2. Ein Stück daraus Chrest. 277—280.

»8 Sitot s'es gratis afans MW. 4, 183; vgl. Diez, Poesie S. 342— 350. »»Poesie

5. 79. '»» Chrest. 161-164. ^i mW. 4, 210. Ein Stück Chrest. 280-282.

22 E nos devem ses eeser greu MW. 4, 232. ^3 Vgl. Archiv für das Studium

der neueren Sprachen 16, 138. -* Ob sie auch jene formelle Eigenthümlich-

keit am Schlüsse haben (Anm. 23), vermag ich nicht anzugeben. ^s j^ ^ .

vgl Diez, Poesie S. 225 f., wo auch die andern Gedichte von ihm kurz er- wähnt sind.

Bartsch, Grundrisa. 4

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schreiben an den König Jacob II von Aragonien, beide moralischen Inhaltes ^^, und ein gegen 2000 Verse langes an Alfons X von Castilien, worin unter Anderem von dem Einfluss der Sterne auf das Leben des Menschen gehandelt wird^^; daran schliesst sich die Antwort des Königs, die vermuthlich vom Dichter verfasst ist.

Ein ungenannter Dichter am Ende des 13. Jahrhunderts verfasste ein Lehr- und Strafgedicht in Keimpaaren von vier und achtsilbigen Versen (doch sind die beiden ersten Zeilen achtsilbig) und gab ihm den Namen arlabecca^^, der wohl mit dem anderwärts ^^ vorkommenden Namen rebec zusammenhängt, und von Kaynouard mit dem portugie- sischen arraheQca zusammengestellt worden ist^*^: es bezeichnet also ein zur dreisaitigen Geige (rebec) gesungenes Gedicht. Dasselbe ist in zwei Handschriften erhalten: 1, Pariser Hs. fran9. 1745, Bl, 135, 14. Jahr- hundert»^ 2, latin. 10869, Bl. 30, Ende des 13. Jahrhunderts. ^ 2

Ein allegorisches Gedicht über die Liebe, sicher noch aus dem 13. Jahrhundert, führt den Titel castel d'amors^ Minneburg, ein Name, den auch ein altdeutsches Gedicht verwandten Inhalts trägt. Der Dichter vergleicht den Weg zur Liebe dem mit Hindernissen verbundenen Ein- gang in eine Burg. Es steht in der Vaticanischen Hs. 3206, Bl. 1 2^^, und ist in lyrischer Form, siebensilbigen Versen, verfasst, deren je fünf auf einen Keim ausgehend mit einem sechsten, der mit der folgenden Strophe gebunden wird, immer eine Strophe ausmachen.

§• 33.

Von ganz besonderer literarischer und culturgeschichtlicher Be- deutung sind die enseignamens : so nannten sich schon einige der bisher besprochenen didaktischen Gedichte. In speciellem Sinne verstehen wir darunter Belehrungen für einen bestimmten Stand, worin die demselben zukommenden Pflichten aufgezählt werden, aber^ nicht in allgemein moralisierender Weise, sondern in individuellen aus dem Leben gegriffe- nen Zügen. Wir besitzen deren sieben, die von der zweiten Hälfte des 12. bis zum Schlüsse des 13. Jahrhunderts reichen.

Wohl das älteste darunter ist eine von Garin dem Braunen verfasste Unterweisung für eine Dame aus ritterlichem Stande, wie sie in allen Lebensverhältnissen sich zu benehmen habe. Der Dichter war noch ein Zeitgenosse von Peire d'Alvergne^ und ist auch als Lyriker

20 AI noble rey aragones und AI bon rey senhor d\Arago. Diez deutet sie auf Jacob I. ^''' Anfang AI bon rey de Castela. ^s Denkmäler 75, 23. 79, 13.

28 Leys d'amors 1, 348. ^** Lex. Rom. 2, 121. ^i Danach gedruckt

Denkmäler 75—79. ^^ Herausgegeben von P. Meyer im Jahrbuch 5, 393- 397,

mit den Varianten der andern. ='* Jahrbuch 11, 23. Ein Stück daraus Chrest.

267—268.

§. 33. * Vgl. meine Abhandlung Garin der Braune im Jahrbuch 3, 399—409.

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bekannt. Sein Enseignamen ist uns anonym in den Handschriften GN überliefert^; den Namen des Verfassers hat uns Matfre Ermengau er- halten, der in sein Breviari d'amor eine Anzahl längerer Stellen auf- genommen hat'.

Drei andere enseignamens beziehen sich auf den Stand der Spiel- leute, denen ausführlich gesagt wird, was in den Bereich ihrer Kennt- nisse gehört. Das älteste verfasste Guiraut de Cabreira, ein catalanischer Edler, Zeitgenosse von Bertran de Born und Peire Vidal, zur Belehrung des Spielmannes Cabra (Bock): wohl nicht später als 1170, wie man aus den literarischen Anspielungen ersieht"^. Es findet sich in der Estensischen Handschrift zu Modena, Bl. 103^, und trägt die rhythmische Eorm wie das oben (§. 32, 4) erwähnte Lehrgedicht von Peire Cardenal.

Eine Nachahmung dieser Unterweisung, in gleicher rhythmischer Form, richtete am Anfang des 13. Jahrhunderts GuirautdeCalanso an den Spielmann Fadet (der Dümmling): sie ist erhalten in den Handschriften DR*'. Eine Menge musikalischer Instrumente, sehen wir daraus, musste ein Jongleur zu spielen verstehen, in einer Menge von Gaukelkünsten bewandert sein und eine grosse Zahl epischer Stoffe in sein Gedächtniss aufnehmen.

Das dritte Gedicht, von Bertran de Paris aus Eovergue für einen Spielmann Namens Guordo verfasst, wohl aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und spätestens um 1250^, ist in lyrischer Form, aber dem Inhalte nach gehört es ganz zu den beiden ei*wähnten Werken^.

Arnaut Guillem de Marsan, ein edler Herr, dessen unter den Gönnern der Dichtkunst am Ende des 12. Jahrhunderts Eaimon Vidal erwähnt '^, dichtete in der üblichen Form der sechssilbigen Reim- paare eine Unterweisung für einen Junker, welche in der Pariser Hand- schrift La Valliere 14, Bl. 133, sich findet^*'. Auffallend ist darin die zeitige Einmischung französischer Sprachelemente ^ ^

Im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts^^ lebte und dichtete Amanieu des Escas, aus dem Bisthum Urgel in Catalonien, nach der einzigen Hs., die seine beiden Ensenhamens enthält (La Val-

^ Beginnend El termini cCestiu: vgl. Jahrbuch 11, 2. ^ Gedruckt im Jahr-

buche 3, 402—407. •* Milä y Fontanals S. 265. ^ Herausgegeben Denk-

mäler S. 88-94; vgl. dazu Mussafia, Del codice Estense S. 424—426. Ein Stück daraus auch Chrest. 79—82. ^ Herausgegeben nach beiden Denkmäler 94—101 ;

nach E, Mahn, Gedichte 111; zum Texte von D vgl. Mussafia S. 426. 'Denn

der Dichter stand schon in der Vorlage von a: vgl. Jahrbuch 11, 15. ** Nach

R, der einzigen Hs., herausgegeben Denkmäler 85 88. ^ Denkmäler 168, 22.

Herausgegeben LB. 132—139; im Auszuge bei Rayn. 5, 41 44. " An-

merk. zu LB. 132, 39. '^ Ein Brief von ihm trägt die Jahreszahl 1278; ein

anderer ist zwischen 1291—94 entstanden: Milä j Fontanals S. 403.

^*

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liere 14), mit dem Namen dieu dJamors geehrt ^^. Beide sind erzählend eingeleitet, wie auch das vorher erwähnte Gedicht, das eine an einen Knappen, das andere an ein junges Mädchen, etwa eine Kammerjungfer (donzela) gerichtet^*: beide haben die formelle bei .Guiraut Riquier bemerkte Eigenthümlichkeit einer reimlosen Zeile am Schlüsse ^^

§. 34.

Noch bleiben die wissenschaftlichen Lehrgedichte zu er- wähnen. Bei dem ältesten derselben steht der Gegenstand in nächster Verbindung mit dem praktischen Leben; er ist einer der Lieblings- beschäftigungen der ritterlichen Kreise, der Falkenjagd, entnommen. Daude de Pradas, den wir schon als Verfasser eines anderen didaktischen Werkes kennen lernten (§. 31, 4), verfasste im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts sein Lehrgedicht von den Jagdvögeln, // auzel cassador, welches wir nur in einer verhältnissmässig jungen Ab- schrift eines älteren Originals besitzen, der Barberinischen Handschrift XLVI. 29, früher 2777 ^ Eine sehr fehlerhafte Copie davon, aus wel- cher alle bisherigen Abdrücke geflossen sind, befindet sich in der Pariser Arsenalbibliothek unter den Papieren von St. Palaye; eine alte cata- lanische üebersetzung besass Raynouard^, eine andere ebenfalls cata- lanische befindet sich in Vich^. An einer kritischen Ausgabe fehlt es noch*.

Einem anderen wissenschaftlichen Gebiete gehört ein Gedicht über den Computus an, welches Kaimon Feraut (§. 20) verfasste, das wir aber nur aus seiner Erwähnung im Eingang des heiligen Honorat kennend

In encyklopädischer Weise versuchte einen Abriss des Wissens der Zeit Peire de Corbiac in seinem Schatze, tezaur, zu geben: eine Bezeichnung, die für derartige Werke im Mitt^elalter üblich war^. Der Dichter lebte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wie sich daraus ergibt, dass Aimeric de Belenoi, der um 1240 dichtete, sein Neffe war^, und dass sein Schatz sich in der 1254 geschriebenen Esten- sischen Handschrift findet. Wir besitzen ihn in zwei verschiedenen

13 Denkmäler S. 101. " Das erste, Bl. 146 der Hs., ist gedruckt Denk-

mäler 101—114; ein Stück Eayn. 2, 268—271. Das zweite, Bl. 145, LB. 140—148; zum Theil auch Chrest. 319—324. Rayn. 2, 263-268. »'^ Vgl. §. 32, 23.

§. 34. 1 Jahrbuch 11, 32. 36. * Lex. Rom. 5, 610». " Vgl. Sachs'

Ausgabe S. 5. * Les auzels cassadors p. p. Sachs, partie, Brandebourg

0. J. 4; vgl. meine Anzeige im Jahrbuch 6, 343 350. Einzelne Stücke LB. 127 bis 130. Chrest. 173— 180; der Anfang bei Mahn, Gedichte 200. Auszug bei Rayn. 5j 126 136. Galvani 355 372. ^ eU verses del covipot tornar rolc en vers plan

Lex. Rom. 1, 573. " Auch Brunetto Latini nannte seine französisch geschrie-

bene Encyklopädie iresor, und seinen Auszug in italienischen Versen tesoreito.

' Vgl. Jahrbuch 4, 230.

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Redactionen, einer kürzeren und ursprünglicheren, die im cod. Estensis und dem Vaticanus 3206, und einer längeren, die in der Pariser La Valliere 14 sich findet**; die Interpolationen beziehen sich hauptsächlich auf die biblische Geschichte, in welcher auch ein Schreiber am leich- testen seine Kenntnisse entfalten konnte. Der Dichter entwickelt in Alexandrinern, die sämmtlich auf einen Reim (ens) ausgehen, sein Wissen in der biblischen und profanen, auch Sagengeschichte, und in den sieben freien Künsten.

In mehr gelehrtem Zuschnitt und mit umfassenderen Kenntnissen schrieb Matfre Ermengau sein Breviari d'amor, wie er der Richtung der Zeit gemäss, die alles auf die Liebe bezog, seine gereimte Encyklopädie des damaligen Wissens nannte. Der Dichter, Ton dem wir auch Lieder und einen früher erwähnten Brief (§. 31, 6) besitzen, war später Mönch in Beziers, aber als er das Breviari schrieb, das im Früh- jahr 1288 begonnen wurde, noch nicht ins Kloster getreten; denn er nennt sich darin mehrmals senher en leys^ hatte also Rechtsstudien gemacht. Dagegen in dem Briefe bezeichnet ihn die Ueberschrift als Mönch. Er lebte noch 1322^. Von der Beliebtheit des Breviari zeigen die zahlreichen Handschriften, welche sich erhalten haben. Wir kennen im Ganzen fünfzehn Handschriften: 1, Pariser Hs. fran^. 857, anc. 7226. 3, 3 ; 2, Pariser Hs. suppl. frauf. 2001 ; 3, Pariser Hs. fran9. 858, anc. 7227 ; 4, British Museum, Reg. 19 C 1 ; 5, British Museum, Harlei. 4940; 6, Hs. zu Lyon; 7, Hs. zu Carpentras; 8, Hs. zu St. Peters- burg; 9, Wiener Hs. 2563; 10, Wiener Hs. 2583; 11, Hs. in der Escurialbibliothek, S. 1. 3; 12, Hs. zu Barcelona; 13, Pariser Hs. fran9. 1601, anc. 7619; 14, Pariser Hs. St. Germain fran^. 137, ent- haltend eine prosaische Auflösung; 15, eine ebensolche, aber mit dem Prolog in Versen, in Madrid. Einzelne Abschnitte daraus, selbständig ausgehoben, finden sich ferner in der Pariser Hs. fran?. 1745, Bl. 122 bis 125 und Bl. 130 134. Auch ins Catalanische wurde es übersetzt^". Die Leys d'amors erwähnen es mehrfach ^^. Die von Azais begonnene Ausgabe, deren Text im Wesentlichen P. Meyer bearbeitet hat, ist leider ins Stocken gerathen^^. Das Werk umfasst das ganze theo-

* Ausgabe von C. Sachs: Le Tresor de Pierre de Corbiac, Brandebourg 1859.4; dazu meine Recension im Jahrbuch 4, 229—237. Zu Grunde gelegt ist hier La Vall. 14. Nach D wesentlich vollständig bei Galvani 321—336. Auszug bei Eayn. 5, 310 bis 312. Grössere Stücke LB. 149—151. Chrest. 208—212. » Azais, Les Trou-

badours de Beziers, 2«= edition S. 128 f. »•> Milä, Trovadores en Espana S. 482.

" LA. 1, 138. 3, 104. '2 Erschienen ist der erste Band, und vom zweiten

eine Lieferung (Beziers und Paris), zusammen 2Ü912 Verse; vgl. meine ßecension im Jahrbuch 4, 421 432. Mussafia, Jahrbuch 5, 401 405. Derselbe, Handschrift- liche Studien 3. Heft, Wien 1869. Einzelnes ist gedruckt durch Raynouard, Lex» Rom. 1, 515-^37; Mahn, Gedichte Nr. 299; Sachs im Archiv 2f>, 413-426, 26, 49

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logische und naturhistorische Wissen des 13. Jahrhunderts, unter Be- nutzung der verschiedensten Quellen, die des Verfassers Gelehrsamkeit und Belesenheit darthun. Er beginnt mit der Scheidung zwischen himmlischer und irdischer, unerschaifener und erschaffener Liebe und stellt sie unter dem Bilde des Baums der Liebe dar, der in den Hss. abgebildet und mit einer prosaischen Beschreibung begleitet ist^^. Die himmlische Liebe behandelnd, erläutert er das Wesen Gottes, sowie der Engel und Teufel. Zu der irdischen Liebe übergehend, beschreibt er Himmel und Erde, Himmelskörper, Elemente, die Edelsteine und ihre Kräfte, Wind, Wolken, Eegen; die Theilung der Zeit in Tage, Monate u. s. w., in Weltalter ; die Pflanzen und Thiere. Dann handelt er vom Menschen und seiner Geschichte, von Natur- und Völkerrecht, von Gottes- und Nächstenliebe. Es folgt die Heilsgeschichte; Predigt und Gebet, die verschiedenen Arten desselben. Weiter von der Sünde und den Höllenstrafen; vom jüngsten Gericht. Die Sünden aller Stände werden von oben bis unten herab durchgegangen und getadelt; dieser Abschnitt ist culturgeschichtlich besonders interessant. Dann vom Glauben, den Glaubensartikeln, der Geschichte Jesu, Leben des heil. Andreas, Evangelisten Johannes und Thomas. Von der Liebe zwischen Mann und Weib, den Gefahren derselben. Abhandlung über die echte Liebe, wobei zahlreiche Stellen der Troubadours, zuweilen auch der Trouveres, angeführt, zum Theil auch widerlegt werden. Dieser Theil ist literarisch der wichtigste. Hierauf kommt er zur Gattenliebe, der Liebe zwischen Eltern und Kindern, und zur Erziehung, womit das Ganze schliesst.

§. 35.

Die dramatische Poesie hat bei den Provenzalen keine so reiche Entwicklung wie bei den Franzosen. Do~ch fehlt es nicht an Spuren von dem Vorhandensein einer solchen. Früher galt das in Bruchstücken erhaltene Spiel von den klugen und thörichten Jungfrauen des Evangeliums für den ältesten, nicht nur provenzalischen, sondern überhaupt romanischen dramatischen Versuch^; mit grösserem Eechte aber darf man es dem französischen Idiom zuschreiben.

Dagegen hat sich ein Bruchstück eines provenzalischen My- steriums aus dem 13. Jahrhundert, im Ganzen freilich nur 22 Verse gefunden; man entdeckte es in dem Gesimse der Absis der Cathedrale von Perigueux. Wahrscheinlich gehört es zu einem Spiele vom beth-

bis70. 33, 247— 256 und. im Jahrbuch 2, 325—357; und durch mich im LB. 151-154 und ehrest. 311—320. *^ Eine photographische Abbildung ist dem 1. Bande

der Ausgabe beigegeben.

§. 35. * Gedruckt bei Raynouard 2, 134—143. Monmerqae-Michel, Theatre franfais, Paris 1839, S. 1—9,

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lemitischen Kindermord. Die Verse zerfallen in drei Fragmente: eine Person, Namens Morena, spricht mit dem Könige und dem Seneschall, und räth ersterem, alle Kinder bis zu drei Jahren tödten zu lassen^.

Ganz vereinzelt stand dieser Versuch sicherlich nicht; aber ein hohes Alter werden wir dem provenzalischen Drama wohl nicht zu- schreiben dürfen; vielmehr hat hier wohl schon das Vorbild der fran- zösischen Literatur eingewirkt. Einigen Ersatz geben für den Mangel die Ten Zonen, die jedoch vielleicht gerade die Entwicklung einer dra- matischen Poesie beeinträchtigten.

§. 36.

Die provenzalische Prosa hat ihren Hauptwerth nach der sprach- lichen Seite, und dieser ist, namentlich was das Lexicalische betrifft, nicht gering anzuschlagen. Anders steht es mit dem literarischen Werthe. Hier können nur die Originalwerke als Erzeugnisse des Volksgeistes in Betracht kommen, nicht die üebersetzungen, und diese bilden den Hauptbestandtheil der prosaischen Literatur. Die Prosa diente hauptsächlich dem praktischen Bedürfniss ; so fanden wir sie am frühesten in der Sprache der Urkunden (§. 2). In diesem Zeiträume der Blüthe wird die Volkssprache mehr und mehr auch die Sprache des Verkehrs und des Kechtes. Die früher nur spärlichen provenzalischen Urkunden häufen sich, die Rechtsquellen werden überwiegend in der Landessprache abgefasst.

Von einer volksthümlichen Prosa geben Zeugniss die Sprichwörter, von denen wir allerdings keine alte Sammlung besitzen ^ Mehrfach citiert Sprichwörter Guillelmus Duraudus aus Clermont in Auvergne (f 1336), der bekannte Jurist, z. B. per gent parlar bocca non ca oder juxta provincialium vulgare proverhmm: mais val calar que fol parlar^ . Die Troubadours eitleren ausserordentlich häufig aus dem alten Schatz der Volksweisheit; ein Liebesbrief von Amanieu des Escas^ ist fast ganz aus Sprichwörtern zusammengesetzt. Eine Sammlung derselben wäre ein werthvolles und verdienstliches Unternehmen.

§. 37.

Die geistliche Prosa entwickelte sich schon im vorigen Zeit- raum (§. 12). Das selbständigste Product derselben ist die Predigt in der Volkssprache. Eine Sammlung von Predigten in provenzalischer

* eu te coseil fasas aucire e Ihiorar a cniel martire tots los efans de ton regnat que son de tres ans enksvat: vgl. Milä y Fontanals im Diario de Barcelona 1870, S. 2023.

§. 36. ' Hänel, Catalogus p. 5, citiert eine Foliohandschrift in Aix, Recueil des proverbes provengaux, die aber schwerlich alt ist; doch verdiente sie eine Unter- suchung, ^ Vgl. Histoire litteraire 20, 446. ^ Mila, Trovadores en Espana 422—425. Eayn. 5, 20—24.

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Sprache, aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, hat sich in der Pariser Handschrift lat. 3548 B erhalten. Es sind im Ganzen dreissig, doch ein Theil derselben etwa um fünfzig Jahre später geschrieben und wohl auch jüngeren Datums ; die älteren können ihrem sprachlichen Charakter nach leicht noch in die vorige Periode hinaufreichen, zu deren Bestrebungen sie vollkommen passen würden ^ Eine vollständige Ausgabe wäre schon aus sprachlichen, aber auch aus sachlichen Kück- sichten erwünscht^. Einige sind in doppelter Fassung überliefert: es sind also zum Theil wohl nur Predigtentwürfe.

Dem 13. Jahrhundert gehören einige Predigten an, die sich in der Oxforder Handschrift Douce 162, Bl. 24 f., finden^; von der ersten scheint nur der Schluss erhalten, dann folgt eine de panthacosta, und eine zweite de la assumpcio de nostra dona sanhta Maria.

Dem Interesse der Laien kam nächst der Predigt in der Volks- sprache die Uebersetzung der heiligen Schrift entgegen. Wir wissen, dass Petrus Waldus bereits 1179 auf dem Lateranischen Concil dem Papste Alexander ÜI seine Uebersetzung der Bibel überreichte; 1199 zog Lmocenz HI beim Bischof von Metz nähere Erkundigung darüber ein, man fand es bedenklich, den Laien auf diese Weise den Zutritt zur Schrift zu öffnen, und so wurde 1229 der Gebrauch dieser Uebersetzung durch das Concil von Toulouse verboten*. Petrus Waldus bediente sich offenbar der damals herrschenden provenzalischen Literatur- sprache, nicht aber der waldensischen Mundart^. Ob wir von seiner Uebersetzung jüngere Abschriften besitzen oder ob diese ganz unab- hängig von seiner Arbeit sind, lässt sich nicht entscheiden.

Das alte Testament haben wir in keiner vollständigen alten Uebersetzung; die historischen Bücher in freier Bearbeitung finden sich in einer Pariser Handschrift, allerdings erst des 15. Jahrhunderts, fran^. 2426, anc. 8086. 3, aber sprachlich reicht sie doch wohl in diese Periode zurück. Gedruckt sind davon bis jetzt die Bücher von Tobias, Esther und Susanna ^.

Das neue Testament hat sich wegen seiner grösseren Wich- tigkeit in zahlreicheren Handschriften erhalten, die bis ins 13. Jahr- hundert hinaufreichen und mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf die Arbeit von Petrus Waldus zurückgeführt werden können. Bis jetzt ist auch diese wichtige Sprachquelle erst theilweise bekannt gemacht; eine

§. 37. * Vgl. Diez, Grammatik P, 104. Chrest. 23—26, wo zwei derselben abgedruckt sind. ^ Besprochen und theilweise herausgegeben von P. Meyer,

Jahrbuch 7, 74—84. '' P. Meyer, Troisieme rapport sur une mission litteraire

S. 167. 268 f. * Grüzmacher im Jahrbuch 4, 372. » Jahrbuch a. a. 0. 401.

® Durch J. Wollenberg : lo libre de tesioria e de la vida de Tobias Bl. 242 258, im Archiv 32, 337—352; lo libre de Ester la reyiia Bl. 309— 317, Archiv 30, 159-167; und Susanna, Archiv 28, 85-88.

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kritische Bearbeitung ist allerdings wegen der weitzerstreuten Hand- schriften nicht leicht. Die älteren unter ihnen, die Pariser und die in Lyon, sind in provenzalischer Sprache, eine zweite Pariser in einer zum Fran- zösischen neigenden Mundart ; die jüngeren, die in Grenoble, Zürich und Dublin^, in der waldensischen Mundart späterer Zeit. Herausgegeben ist bis jetzt das Evangelium Johannis, in älterer und jüngerer Gestalt^, und der Brief Pauli an die Epheser in der älteren Fassung^.

Von mehr legendenhaften Geschichten, die sich an die Bibel an- lehnen, ist zu erwähnen die Legende von Seths Sendung ins Paradies, welche sich in zwei Handschriften des Breviari d'amor, der Pariser fran^. 858 und der Londoner Keg. 19 C 1, findet, und wahrscheinlich von Matfre Ermengau herrührt^".

Von Stoffen des neuen Testaments die Zerstör ungJerusalems, d. h. die Geschichte der Juden von Christi Passion bis zur Zerstörung der Stadt durch Titus. Von dem im Lex. Rom. oft citierten Werke ist nur eine Pariser Hs. (fonds Gaiguieres 41) erhalten. In der Hs. findet sich eine geschichtliche Bemerkung auf 1373 bezüglich, welche also die Zeit bezeichnet, in der die Hs. geschrieben wurde. Von dem Werke, das im Hauptinhalt mit den apokryphischen Evangelien übereinstimmt, aber viele eigene Züge enthält ^S gibt es auch eine altcatalanische Uebersetzung^^.

Eine Sammlung von Marienwundern in provenzalischer Prosa findet sich in einer Hs. des British Museum, addit. 17920, Bl. 1 6; sie beruhen auf lateinischer Quelle ^^.

Sodann ein in schwungvoller Sprache geschriebenes kleines Denk- mal, die Vision des Apostels Paulus und des heil. Michael von den Strafen der Hölle, in der Pariser Handschrift La Vall. 14, Bl. 139^*. Die Quelle ist die lateinische Historia Pauli descendentis cum archangelo Michaele ad inferos^^

^ Eine vollständige Abschrift der Dubliner Hs. von Herzog befindet sich in der Berliner Bibliothek: vgl. Grüzraacher im Jahrbuch 4, 372—402. « In jener

von Wollenberg: L'evangile selon Saint Jean en vieux proveu^al, Berlin 18'^8. 4; nach der Pariser Hs. 8086. 3; in dieser durch St. Gilly: The roraaunt version of the gospel according to St. John, London 1848. 8, nach der Dubliner, Trinity College Cl. A, Tab. IV, Nr. 13, jedoch mit Gegenüberstellung des Pariser Textes, ^ Archiv

28, 7.5—85; ein Stück daraus Chrest. 323—326. Ungedruckt; im Auszuge

bei Fauriel 1, 263—268 nach der Pariser Hs., die er allein kannte, lieber die Sage vgl. Mussafia, Sulla leggenda del legno della croce, Vienna 1870, und C. Schröder, Van deme holte des hilligen cruzes, Erlangen 1869. " Ich verdanke diese No-

tizen P. Meyers Gefälligkeit. Eaynouards Bezeichnung, Nr. 7498, trifft nicht zu.

*^ Milä, Trovadores en Espana S. 482. '^ P. Meyer in Archives des missions scientifiques et litteraires, serie, 3, 307. " Gedruckt Denkmäler 310—313.

Vgl. Fauriel 1, 260—262. '* Wiener Hs. 876 des 14. Jahrh. ,Dies dominicus

est eleclus'n.s.w. Tabellae codicum 1, 147. Andere Hss., die eine Visio Pauli ent'

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Damit im Zusammenhange stehen zwei andere visionsartige Werk- chen, die ebenfalls die Strafen der Verdammten schildern: die Vision des heil. Patricius und die Vision des irischen Kitters Tun gdalus^^ Der Bearbeiter der ersteren nennt sich Perilhos. Auch von ihnen gibt es eine alte catalanische üebersetzung ^ '.

Von prosaischen Heiligenleben dieses Zeitraums besitzen wir das Leben der heil. Doucelina^*, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts lebte: es ist die einzige wirklich originale Prosa- legende der Epoche, auf mündlicher Tradition beruhend und bald nach dem Tode der Heiligen verfasst. Sie findet sich in der Pariser Hand- schrift franc. 13503, anc. suppl. fran9. 766*».

Ein Mönch von St. Michel, Aumeric, übersetzte aus dem Latei- nischen das Leben der heiligen Catharina. So gibt Raynouard an^^; ich weiss nichts Näheres darüber zu sagen, nicht einmal ob dieUeber- setzung in Versen oder in Prosa ist^*^.

§. 38.

Nächst der Bibel und den Legenden lag es nahe, die Kegeln der Mönchsorden in die Volkssprache zu übersetzen. So finden wir schon im 1 3. Jahrhundert dieBenedictinerregel ins Provenzalische über- tragen, in mehreren Handschriften, bei denen freilich noch zu unter- suchen sein wird, ob sie verschiedene Abschriften einer und derselben Uebersetzung, oder verschiedene Uebersetzungen sind: 1, Paris, fran9. 2428, anc. 8087. 2; 13. Jahrhundert, Bl. 1-38^; 2, Aix, Regia de San Benezeg, Pergamenths. ^ ; 3, Avignon, Regia de mossenher sang Benezeg, Pergamente

Den Zwecken der Laien dienten Aufzeichnungen über die Sacra- mente, die sieben bonitates, die sieben Todsünden, die sieben christ- lichen Tugenden, die zehn Gebote, säramtlich iil der Pariser Hand- schrift La Vall. 14, Bl. 139'^. Ferner eine Abhandlung über die Beichte in der Pariser Hs. fran9. 1745, anc. 7693, Bl. 144 - 147 ^ während das Verzeichniss der dreizehn Messen, ebenda Bl. 147, für die

halten, sind in Wien Nr. 362. 1629. Ein deutscher Text in einer Hs. der Zeisberg- schen Bibliothek zu Wernigerode : Serapeum 16, 23. '"^ Beide herausgegeben von DuMege, Voyage au purgatoire de Saint Patrice par Perilhos et lo libre de Tindal. Toulouse 1832. Ueber die lateinische Quelle vgl. Visio Tnugdali ed. 0. Schade, Halis 1869. 4; und die über die Legende Mussafia, Sulla visione di Tundalo, Vienna 1871. 8. " Milä a. a. 0. 482. Ein Abschnitt daraus Chrest.

299—302. '" Lex. Rom. ,5, 590 . '•**' Das vielleicht Aufschluss gebende

Buch von Pierre Crespet, Vie de Sainte Catherine ou discours sur la vie et passion de Sainte Catherine, en vers, Sens 1577, ist mir nicht zugänglich.

§. 38. ' Daraus ein Stück Chrest. 225—228. « £ex. Rom. 5 608.

3 Hänel, Catalogus p. 57. * Gedruckt Denkmäler S. 306. ^ AyfssoJ es la cqfessio et en cal manyeyra deu hom cofeasar sos peccatz e sos falhimens.

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Geistlichen bestimmt ist. Auch die Anweisung für die Fasten in der Handschrift fran^. 2428, Perg., 13. Jahrhundert, anc. 8087. 2, Bl. 80 81, wendet sich an die Mönche.

Einen gelehrtereu Charakter trägt die Uebersetzung vonBeda's liber scintillarum^ in der Pariser Handschrift 1747, anc. 7694, Bl. 19—84, eine sachlich geordnete Sammlung von Aussprüchen der Kirchenväter. Auch eine kleinere Sammlung von moralischen Sentenzen in der- selben Hs., Bl. 1 8, ist wohl aus dem Lateinischen übersetzt. Die Handschrift ist allerdings erst aus dem 14. Jahrhundert, aber die Sprache weist auf ältere Zeit hin, die Fehler der Abschrift deuten ebenso auf eine ältere Vorlage. Auch das unmittelbar darauf folgende Werkchen über die sieben Todsünden, Bl. 9 18, welches zu unterscheiden ist von einem grösseren Werke der folgenden Periode, gehört derselben Zeit an und ist ausdrücklich für den des Lateinischen unkundigen Laien bestimmt*.

§. 39.

Die geschichtlichen Prosawerke beziehen sich entweder auf die zeitgenössische Literatur- und politische Geschichte, oder es sind Werke von allgemeinerem Inhalt.

Den ersten Platz unter jenen behaupten unbestritten die Bio- graphien der Troubadours. Dieselben finden sich in den Lieder- handschriften (§. 24), theils unmittelbar vor den Liedern jedes Dichters (in den alten Handschriften), theils eine besondere Abtheilung derselben bildend (in den jüngeren). Ihrer Abfassungszeit nach reichen sie wenigstens in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts hinauf: zwei von ihnen geben als ihren Verfasser ausdrücklich Uc von Saint Circ an\ der etwa von 1200 1240 lebte und dichtete. Als Verfasser einer anderen^ nennt sich ein Schreiber von Nimes, Miquel de la Tor. Aber ins 12. Jahrhundert gehen die Aufzeichnungen wohl kaum zurück, denn was über die älteren Dichter des 12. Jahrhunderts gesagt wird, ist meist ziemlich allgemein gehalten und bietet wenig positive Daten. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die grossen Sammlungen der Lieder redigiert, in diese aber fast nur kurze Lebensnachrichten aufgenommen^, die gleichwohl mitunter die Existenz längerer Nach-

» Ein Stück vom Anfang Chrest. 227—232. ^ Anfang: Tot peehaz es obra.

tota obra es de volontat. donc es o totz peehaz de volontaf. laissa V escuzament. nengus hom non pecha no volevi. nurimens e disdplina fant cosdumnes e en aquo viu chascus que apren, per aisw deu li bona cosdumnes socodre aquo que li mala e<seniet u. s. w.

* Es beginnt : Saber pol per aquest romans qui non o sap e qui lati non enient.

§. 39. * Die von Bernart de Ventadom und Savaric de Mauleo. * Der

von Peire Cardenal. ^ Mit Ausnahme von Bertran de Born, dessen historische

Gedichte einen Commentar am meisten nothwendig machten: hier geht jedem Liede seine razos, die Erzählung des Anlasses, voraus.

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richten voraussetzen und abgebrochen erscheinen. Der Umstand, dass die ausführlicheren Biographien sich fast nur in jüngeren Handschriften finden, berechtigt noch nicht an ihrer älteren Existenz zu zweifeln. Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts sind Biographien fast gar nicht mehr verfasst worden; von den späteren Dichtern besitzen wir daher nur einzelne biographische Notizen, meist in Ueberschriften ; dafür sind ihre Gedichte häufiger mit Jahreszahlen versehen ^. Einige der längeren Erzählungen sind aber entschieden jüngeren Ursprungs und beruhen zum Theil auf mündlicher Ueberlieferung, zum Theil auf Deu- tung der Lieder, daher sich Widersprüche zwischen kürzerer und wei- terer Fassung finden. Andere sind in Italien entstanden, novellistisch ausgeschmückt, namentlich die in P, am meisten die Biographie von Guillem de Cabestaing, die hier ganz zu einer italienischen Novelle ausgebildet erscheint, die aber schon in ihrer kürzesten Fassung manche romantische und unhistorische Züge enthält^. Die Schreiber der Hand- schriften waren zum Theil mit der Literatur wohl vertraute Männer, die sich auch wohl nicht scheuten, die Texte und Biographien selbst- ständig zu redigieren. Anziehend in dieser Hinsicht sind die Bemer- kungen von Bernart Amoros, einem Kleriker aus St. Flor de Planeza in Auvergne, dem Schreiber der Vorlage von a^. Die Biographien sind wiederholt gesammelt, aber noch nicht kritisch herausgegeben worden ^ Ich lasse als Vorläufer einer kritischen Ausgabe ein Ver- zeichniss der uns erhaltenen mit Angabe der Handschriften und Drucke folgen.

Ademar lo Negre AIK. E. 5, 56. PO. 359. M. 57. Aimeric de Belensi ABEIKPß. M. 14 B. K. 5, 4. PO. 204. Aimeric de Peguillan ABEIKß. M. 17 B. ß. 5, 8. PO. 169. M.

49. MW. 2, 158. ^

Aimeric de Sarlat ABIK. M. 32 B. ß. 5, 13. PO. 238. Albert Cailla IK. K. 5, 14. PO. 354. M. 50. Albert marques IK. ß. 5, 15. PO. 94. M. 51. Albertet AA»IK. ß. 5, 15. M. 52. Almuc de Castelnou H. ß. 5, 18. PO. 356. M. 53. Anfos d'Arago IK. M. 45 I. ß. 5, 19. PO. 36. MW. 1, 126. Arnaut Daniel ABEIKßa. M. 2 B. ß. 5, 31. PO. 253. M. 54.

MW. 2, 69.

* So bei Giraut Riquier und Johan Esteve. ^ Vgl. Hüff'er, Der Trobador

Guillem de Cabestanh, Berlin 18Ü9. •* Jahrbuch 11, 12. ^ Raynouard,

Choix des poesies originales des Troubadours, Bd. 5. Parnasse Occitanien, Tou- louse 18iy. Die Biographien der Troubadours, herausgegeben von C. A. F. Mahn, Berlin 1853. Einzelne sind gedruckt LB. 157—162. Chrest. 231— 238. Vgl. meine Abhandlung in Gödekes deutscher Wochenschrift 1854, Nr. 26.

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Arnaiit de Maroill ABEIKPKa. M. 11 B. LB. 160 E. R. 5, 45.

PO. 15. MW. 1, 147. Augier IK. R. 5, 52. PO. 96. M. 55. Azalais de Porcaraigas IK. R. 5, 56. PO. 27. M. 56.- Berenguier de Palazol AIK. R. 5, 62. PO. 117. M. 58. Bernart de Ventadorn ABEIKR. M. 9 B, 48 I. R. 5, 69. PO. 3.

MW. 1, 10. Bertolomeu Zorgi AIKi. M. 41 I. R. 5, 57. PO. 209. Bertran d'Alamano A. R. 5, 72. PO. 110. M. 59. Bertran de Born ABEFIKR. M. 34 B. R. 5, 76. PO. 64. MW.

1, 255. Bertran de Born lo fiUs PIK. R. 5, 97. M. 60. Bertran del Pojet IK. R. 5, 103. PO. 364. M. 61. Blacasset I. R. 5, 106. PO. 121. M. 63. Blacatz IK. M. 46 I. R. 5, 105. PO. 119. MW. 2, 135. Cadenet ABIK. M. 18 B. R. 5, 110. PO. 113. Castelloza AIK. R. 5, 111. PO. 245. M. 64. Cercamon IK. R. 5, 112. PO. 250. M. 65. Dalfi d'Alvergne ABHIK. M. 36 B. R. 5, 124. 104. PO. 84.

MW. 1, 130. M. 62. Daude de Pradas ABIK. M. 29 B. R. 5, 126. PO. 86. Elias de Barjols IK. R. 5, 140. PO. 96. M. 67. Elias Cairel AIK. M. 42 I. R. 5, 141. PO. 108. M. 68. Elias Fonsalada HIK. R. 5, 142. PO. 366. M. 69. Elias d'üisel H. R. 5, 143. M. 70. Ferrari de Ferrara D. R. 5, 147. M. 71. Folquet de Marseilla ABEIKORa. M. 6 B. R. 5, 150. PO. 58.

MW. 1, 315. Folquet de Romans AHIK. R. 5, 152. PO. 121. M. 72. Garin d'Apchier IK. R. 5, 155. PO. 10. M. 73. Garin lo Brun IK. R. 5, 156. M. 74. Gaucelra Faidit ABEHIKPRa. M. 7 B. R. 5, 158. PO. 99. M. 76.

MW. 2, 80. Gauceran de Saint Leidier ABIK. M. 31 B. R. 5, 163. PO. 288. Gausbert Amiel AIK. R. 5, 157. PO. 268. M. 75. Gausbert de Poicibot AEIKPRa. M. 38 E. R. 5, 51. PO. 218. Graf von Poitou IK. R. 5, 115. PO. 1. MW. 1, 1. Graf von Rodes H. R. 5, 122. PO. 84. M. 66. Gräfin von Dia ABIK. M. 24 B. R. 5, 123. MW. 1, 84. Gui de Cavaillon H. R. 5, 173. PO. 269. M. 79. Gui d'üisel ABEIKPRa. M. 27 B. R. 5, 175. PO. 259. Guillem Ademar ABEIKR. M. 12 B. R. 5, 178. PO. 258. Guillem de Balaun HR. R. 5, 180. PO. 30. M. 80.

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Guillem del Baus H. K. 5, 184. PO. 271. M. 81. Guillem de Bergueda AIK. E. 5, 186. PO. 152. M. 82. Ouillem de Cabestaing ABHIKPE. Chr. 231 B. M. 8 B. LB. 157

E. E. 5, 187. PO. 38. MW. 1, 104. Hüffer S. 7-13. Guillem Figueira BIK. M. 35 B. E. 5, 198. PO. 243. Guillem Magret IK. E. 5, 201. PO. 173. M. 83. Guillem de Montaignagout a. Jahrb. 11, 19. Guillem Eainols d'At IK. E. 5, 206. PO. 72. M. 84. Guillem de Saint Leidier ABEIKPEa. M. 33 B. E. 5, 207. PO.

281. M. 85. MW. 2, 37. Guillem de la Tor IK. E. 5, 211. PO. 156. M. 86. Guiraudo lo Eos IK. M. 39 I. E. 5, 172. PO. 64. Guiraut de BorneiU ABEIKEa. M. 1 B. E. 5, 166. PO. 123. MW.

1, 184. Guiraut de Calanso IK. E. 5, 168. PO. 142. M. 77. Guiraut de Salignac IK. E. 5, 172. PO. 371. M. 78. Iseut de Capnio H. E. 5, 18. PO. 356. M. 53. Jaufre Eudel ABIK. M. 15 B. E. 5, 165. PO. 19. MW. 1, 61. Jordan Bonel IK. E. 5, 239. PO. 202. M. 89. Lanfranc Cigala IKPa. M. 40 I. E. 5, 244. PO. 157. Lombarda H. E. 5, 249. M. 90. Marcabrun A(I)K. E. 5, 251. PO. 175. MW. 1, 47. Maria de Ventadorn H. E. 5, 257. PO. 266. M. 91. Mönch von Montaudo ABEIKPE. M. 13 B. E. 5, 263. PO. 294.

M W. 2, 57. Palazi und Tomier IK. E. 5, 274. M. 92. Peire d'Alvergne ABEIKE. M. 4 B. E. 5, 29 J. PO. 135. MW.

1, 89. \

Peire de Barjac IK. E. 5, 296. PO. 34. M. 94.

Peire Bremon lo Tortz AIK. E. 5, 300. PO. 377. M. 95.

Peire de Bussignac ABIK. M. 37 B. E. 5, 301. PO. 292.

Peire Cardenal IK. E. 5, 302. PO. 306. M. 96. MW. 2, 180.

Peire Guillem de Toloza IK. E. 5, 315. PO. 379. M. 97.

Peire de Maensac IK. M. 43 I. E. 5, 317. PO. 304.

Peire de la Mula A. Jahrbuch 11, 21.

Peire Pelissier H. E. 5, 321. M. 98.

Peire Eaimon de Toloza ABIK. M. 26 B. E. 5, 323. PO. 29. MW.

1, 133. Peire Eogier ABEIKE. M. 26B. E. 5, 330. PO. 24. MW. 1,116. Peire de Valeira IK. E. l\ 333. PO. 380. M. 99. Peire Vidal ABEHIKPEae. Bartsch S. 2—4 ABEHIKE. M. 10 B.

E. 5, 334. PO. 178. M W. 1, 216.

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Peirol ABEIKRa. M. 19 B. l\. 5, 281. PO. 88. MW. 2, 1. Perdigo ABEIKRa. M. 21 B. R. 5, 278. PO. 114. M. 93. Pistoleta IK. R. 5, 349. PO. 381. M. 100. Pons de Capdoill ABEIKPRab. M. 5 B. R. 5, 352. PO. 10. MW.

1, 337.

Raimbaut de Vaqueiras ABEHIKPRa. M. 22 B. LB. 161 R. R. 5,

416. PO. 73. MW. 1, 358. Raimon de Durfort IK. R. 5, 370. PO. 73. M. 102. Raimon Jordan ABIKR. M. 16 B. R. 5, 376. PO. 199. Raimon de Miraval ABEHIKPRa. M. 3 B. R. 5, 382. PO. 220.

M. 104. MW. 2, 113. Raimon de las Salas IK. M. 46 I. R. 5, 393. PO. 328. Rainaut de Pons IK. R. 5, 430. PO. 384. M. 105. Richart I von England IK. R. 5, 430. MW. 1, 127. Richart de Berbezill ABIKP. M. 23 B. R. 5, 433. PO. 275. Richart de Tarascon ABIK. M. 30 B. R. 5, 436. PO. 385. Saill de Scola IK. M. 44 I. R. 5, 439. PO. 386. Savaric de Mauleon IKR. R. 5, 439. PO. 147. M. 106. MW. 2,

142. Sordel AIKa. R. 5, 444. PO. 145. M. 107. MW. 2, 246. Tibors H. R. 5, 446. PO. 328. M. 108. Tomier s. Palazi.

üc de la Bacalaria IK. R. 5, 218. PO. 375. M. 87. üe Brunet ABEIKRa. M. 28 B. R. 5, 218. PO. 111. Uc de Pena AIK. R. 5, 221. PO. 325. M. 88. Uc de Saint Circ ABIKP. M. 20 B. R. 5, 222. PO. 161. MW.

2, 147.

Andere Quellen, aus denen wir unsere Kenntniss der persönlichen Verhältnisse bereichern würden, scheinen verloren. Francesco da Barberino (geb. 1264) benutzte für sein Documentum Amoris, das er 1290 begann, eine Anzahl provenzalischer Werke novellistischen und moralischen Inhalts, in welche viele Zeitgeschichten, Anekdoten u. dergl. verwebt waren ^. Ein Sammelwerk der Art waren die Flores dtctorvm nohüium provincialmm^. Daraus sind wahrscheinlich die Erzählungen entnommen, als deren Gewährsmänner Peire Raimon^, Peire Vidal, Guillem Ademar, Raimon de Miraval und der Mönch von Montaudon genannt werden^*'. Auch wenn von den illusiones von Guillem de Berguedan gesprochen wird^\ sind wohl derartige Quellen gemeint.

^ Aus solchen Quellen stammen mehrere auf Troubadours bezügliche Erzäh- lungen, die sich bei italienischen Novellisten finden, die in den Biographien der Troubadours nicht erhalten sind. ® Jahrbuch 11, 57. " Jahrbuch 11, 56.

" Jahrbuch 11,

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Eaimon von Anjon, Kaimimdus de Andegavia, der wahrschein- lich auch provenzalischer Dichter war, verfasste mehrere von Francesco benutzte Werke ^^. So einen Tractatus de conversattone humana, wohl eine Art von enseignamen (§. 33), und wahrscheinlich in Versen. Ferner einen Tractatus de sollicitudine quae juvenihus est indicta, von ähnlichem Inhalt. Ein drittes war der Tractatus de societate fraterna. Kaimon war ein Zeitgenosse von Guillem Ademar und lebte also an der Grenze des 12. und 13. Jahrhunderts. Von seinem Kuhnie bei den Zeitgenossen legt der umstand Zeugniss ab, dass Hugolinus aus Forcalquier eines seiner Werke mit einer Glosse versah ^ ^, wahr- scheinlich mit einer poetischen, wie wir eine solche Glossierung von Guiraut Kiquier besitzen'*.

Ein Buch mit provenzalischen Geschichten und Novellen verfasste ein nicht näher bezeichneter Kaembaut, unter dem möglicherweise einer der als Dichter bekannten Raimbauts zu verstehen ist; auch dieses benutzte Francesco ^^. Eine Sammlung von Liebesstreitfragen scheinen die Gontentiones ^^ von Blanchemain, einer in ihrer Jugend durch Schönheit wie Geist ausgezeichneten Dame, gewesen zu sein, ein Werk das Francesco vor sich hatte ^^.

§. 40.

Dem rein historischen Gebiete gehört zunächst die Geschichte des Albigenserkrieges, eine Prosaauflösung des älteren Gedichtes (§. 16), die sich in mehreren Handschriften erhalten hat und mehrmals herausgegeben worden ist ^

Eine provenzalische Genealogie der Grafen von Toulouse hat CateP veröffentlicht; ein Verzeichniss der römischen Päpste mit historischen Notizen in provenzalischer Sprache enthält die Pariser Handschrift fonds Gaignieres 99.

Auf das Gebiet der historischen Sage führt uns das bekannte Werk des P s e u d 0 - T u r p i n u s, von welchem sich neuerdings auch eine provenzalische Uebersetzung in einer Handschrift des British Museum, addit. 17920, Bl. 7 ff., gefunden hat^ Das Werk wurde in seiner ursprünglichen Gestalt um die Mitte des 11. Jahrhunderts, der zweite

»2 Jahrbuch 11, 57 f. ^^ Jahrbuch 11, 58. " Vgl. §. 32, 21. »^ Jahr-

buch 11, 58. prov. co7itensos: vgl. §. 25, 25. " Jahrbuch 11, 58.

§. 40. * Vaissette, Histoire de Laiiguedoc, Tome III, preuves, p. 1—108. Bouquet, Recueil des historiens des Gaules XIX, 114 192. Histoire anonyme de la guerre des Albigeois. Nouv. ed. revue et corrigee, avec un glossaire, des frag- meuts de langue romane depuis le XI«' siecle jusqu' ä nos jours, Toulouse 1863. Uebersetzt von Guizot, CoUection des memoires 15, 1—202 Eine Hs. in St. Omer (Nr. 725) scheint einen Pierre Desvaux de Cernai, einen Cisterciensermönch, als Verfasser zu nennen : Hänel, Catalogus p. 251. ^ Histoire des comtes de Toulouse» Toulouse 1623. fol. ^ P. Meyer in Archives des missions serie, 3, 310.

65

Theil im zweiten Jahrzehnt des 12. von einem Geistlichen in Vienne verfasst^ Verwandten Geistes ist der Prosaroman Philomena der ebenfalls dem Sagenkreise Karls des Grossen angehört und die Thaten des Kaisers vor Carcassonne und Narbonne erzählt. Als Verfasser wird ein angeblicher Secretär Karls, Namens Philomena, bezeichnet. Der sagenhafte Inhalt ist dürftig; das meiste sind mönchische Erfindungen, die auf die Verherrlichung des Klosters de la Grasse hinauslaufen. Das Werk, welches wenigstens der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört, ist uns in zwei Handschriften erhalten: A, British Museum, addit. 21218, aus Narbonne stammend; eine Abschrift des 17. Jahr- hunderts in Paris fonds Doat t. VII; B, Paris, Iran?. 2232, anc. 10307. 2, am Anfang unvollständig. Jene enthält den besseren Text. Eine lateinische Uebersetznug wurde von Guillaume von Padua auf Ver- anlassung des Abtes Bernhard III von la Grasse (1237—1255) verfasst^.

§. 41.

Die übrigen wiss enschaftlichen Prosawerke in provenza- lischer Sprache gehören theils der Philologie; theils den Naturwissen- schaften und der Medizin, theils endlich der Rechtswissenschaft an.

In nächster Beziehung zu der Literatur stehen die pliilologischen Arbeiten, die Versuche, die Volkssprache grammatisch und lexikalisch darzustellen. Der älteste derselben, aus dem Anfang des 13. Jahr- hunderts, wurde von Uc Faidit unternommen. Sein Werk führt in Anlehnung an die im Mittelalter verbreitetste lateinische Schul- grammatik den Titel Donatus provincialis'^. Wir besitzen es in meh- reren Handscliriften, die ausser dem Original eine lateinische Uebersetzung entli alten. Der Umstand, dass alle Handschriften in Italien sich be- finden, deutet darauf hin, dass man hier das Werkchen zum Studium der eifrig betriebenen provenzalischen Sprache benutzte und zu diesem Zwecke auch die lateinische Uebersetzung, ursprünglich in interlinearer Form, wie sie sich in einer Handschrift (A) findet, hinzufügte. Wir kennen

* O. Paris, De Pseudo-Turpino, Paris 1865. 8. ^ Herausgeg. ist diese Ueber- setzung von Ciampi : De gestis Caroli Magni ad Carcassonam et Narbonam, Florentise 1823, nach der Laurent. Hs. plut. GG. cod. 27. Vgl. G. Paris, Histoire poetique de Cliarlemagne S. 89—91. Pertz, Archiv 10, 238. In einer andern Hs. wird ein Vidal als Uebersetzer genannt: les faits de Oharlemagne par Philomena en roman et traduit en latin par Vidal par ordre d'un abbe de Grasse. Perg. hs. in Carcas- sonne, Nr. 5204. Hänel, Catalogus p. 115. Sie scheint danach auch das Original zu enthalten.

§. 41. * Grammaires provon9ales de Hugues Faidit et de Kaymond Vidal de Besaxidun, edit. p. F. Guessard, Paris 1858; die erste Ausgabe erschien in der Bibliotheque de l'Ecole des chartes t. I (1839—10). Ein Stück Cbrest. 18i;— 192. Vgl. noch Wildennuth, Die drei ältesten süd- und niirdfranzösischen Grammatiken Tübingen 1857. 4 (Programm des Gymnasiums).

Bartsch, GruuUriss. 5

66

folgende Hss.: 1, Laiirentiana, fonds S. Maria del Fiore Nr. 187, Bl. 1-28. 13. Jahrhundert; 2, Laurent. Plut. XLI. 42, Bl. 67—78. 14. Jahrhundert; Abschrift davon in der Pariser Hs. lat. 7534; 3, Riccar- diana Nr. 2814, Bl. 1—15. 16. 17. Jahrhundert, am Ende defect; 4, Ambrosiana in Mailand, D 465 inf., 17. Jahrhundert, unter Nr. 26 dieses Sammelbandes, und mit italienischer Uebersetzung in Nr. 35. Unter diesen scheidet sich der Eiccard. durch einen vielfach abweichenden und selbständig redigierten Text aus. Der Grammatik schliesst sich unter der Aufschrift De las rimas ein metrisch wie lexikalisch wichtiges Eeimlexikon an^, an dessen Ende der Verfasser angibt, er habe sein Buch auf Bitten des Jacob von Mora und Conrad von Sterleto ge- schrieben: waren diese Italiener, wie es den Anschein hat, dann wurde wohl das Werk eigens für Italiener verfasst.

Die zweite Grammatik verdanken wir dem schon als Novellendichter (§. 19) erwähnten Eaimon Vidal aus Besaudun. Sie führt den Titel Las rasos de trohar und ist in den vorhin erwähnten Hss. 2, Bl. 79 83, und 3, Bl. 15 28 enthalten, von denen wieder die letztere, die auch den Titel allein hat, durch ihren abweichenden Text bemerkens- werth ist. Das Werk von Eaimon Vidal ist für Provenzalen bestimmt, für diejenigen, die sich im Dichten der rechten Spraclie befleissigen wollen, und entnimmt zu diesem Zwecke die Belege den classischen Dichtern, deren Verstösse gegen die grammatische Correctheit getadelt werden. Auch in Spanien verschaffte diese Grammatik sich grosses Ansehen: eine catalanische Erklärung dazu verfasste Jofre Foxä^, und noch der Marquis von Santillana kannte und citiert sie in der Ein- leitung zu den proverbiis von Don Inigo Lopez de Mendoza'^.

Eine Art Poetik, eine Anweisung zum Diöliten, mit Analysierung einzelner Lieder und Strophen, enthält die Vaticanische Handschrift 3207, Bl. 47—495.

Ein provenzalisch-italienisches Wörterbuch, jedenfalls zum Ge- brauch von Italienern angelegt, die Provenzalisch lernen wollen, findet sich in der Handschrift der Laurentiana Plut. XLI. 42, Bl. 78—79«: es scheint zunächst für die Hs. selbst angefertigt, denn die Wörter kommen meist in den Formen vor, wie sie in den provenzalischen Texten der Hs. erscheinen'.

§. 42. Unter den belehrenden Werken, welche ihren Stoff aus der Natur- geschichte entnehmen, stellen wir wegen ihrer populären Haltung

2 Guessard S. 40—65. ^ Mila, Trovadores en Espana S. 480. * In seinem

bekannten Schreiben über die altspanische Literatur bezeichnet er Rairaon Vidal von ßeralü als den Begründer des Consistoriums der gaya sciensa in Toulouse (§. 48). * Ein Stück daraus Chrest. 291—294. * Abschrift desselben in

der Pariser Hs. lat. 7534. ' Zum Theil (A— E) gedruckt Jahrbuch 11, 6—8.

67

und Verbreitung im ganzen Mittelalter eine Sammlung von Fragen und Antworten voran, welche in längerer und kürzerer provenzalischer Version vorliegt: die kürzere, in der Pariser Handschrift La Vall. 14, Bl. 138, hat den Titel Episcopus declaramens de motas demandas^; die längere steht in den Pariser Hss. fran9. 1745, anc. 7693, Bl. 153 156^; fonds Gaignieres 41, und Arsenalbibliothek espagnol 10'. In jener wird ein junger Mann, Pictaus, vor den Kaiser geführt und von ihm befragt. Jener Name ist aus Epictavus und dies aus Epictetus entstellt; der Kaiser wird in andern Quellen Hadrian genannt. Die gemeinsame Quelle der Bearbeitungen in den verschiedensten mittel- alterlichen Sprachen ist ein lateinisches Werkchen, welches unter dem Titel Joca monachorum in einer Handschrift des 9. Jahrhunderts zu Schlettstadt sich findet* und seine Entstehung durch diesen Titel am besten bezeichnet^. Im 14. Jahrhundert war es unter dem Namen L'enfant sage, in Spanien unter dem der Donzella Theodor^ bekannt und verbreitet.

Eine Naturgeschichte in kürzester Form ist das Werkchen über die Natur einiger Thiere und Vögel, ein gedrängter Physiologus, all die wunderlichen Eigenschaften aufzählend, welche das Mittelalter den Thieren beilegte, aber ohne die dabei geläufigen allegorischen Deutungen auf Christus, die wir schon in den griechischen und lateinischen Origi- nalen, und ebenso in den altfranzösischen, altdeutschen, altenglischen Nachahmungen finden. Es steht in der Pariser Handschrift La Valliere 14, BL 140^

Von einem provenzalischen Lapidar ins in Prosa, aus dem 13. Jahrhundert, haben sich ein paar Blätter in Paris gefunden (suppl. fran9. 98. 19. 2, zwei Blätter in kl. 4), welche eine üebersetzung eines Theils von Marbods Gedichte sind^.

Von grösserer Bedeutung sind die medizinischen Schriften, weil sie meist in naher Beziehung zu der berühmten medizinischen Schule von Montpellier stehen. Die Handschrift der Baseler Universi- tätsbibliothek D II 11, aus Pergament und Papier gemischt, enthält eine Sammlung medizinischer Werke in provenzalischer Sprache. Das

§. 42. * Gedruckt Denkmäler 306—310, » Mittheilungen daraus Denk-

mäler S. 342 f. Germania 4, 308—315. ^ Die beiden letztgenannten erwähnt

P. Meyer in der Bibliotheque de TEcole des chartes serie, 3, 162. ■• Vgl.

Germania 4, 310. ^ In der Münchener Hs. cod. germ. 77, Bl. 102—106, als

Altercatio Adriani Aug. et Epictavi. ^ Vgl. über diese Germania 4, 310. Knust

im Jahrbuch 10, 150—153; und überhaupt über dieses Werk und seine Verbreitung Köhler in Germania 7, 350-354. Wilmanns in Zeitschrift für deutsches Alter- thum 14, 530—555. 15, 166—180. ' Gedruckt LB. 162—66, und theilweise

ehrest. 325—330. * Cap. 1—3. 30. 4-7. 43-56, in dieser Eeihenfolge. Ge-

druckt in Notices et extraits des Mss. 5, 689—708. P, Meyer im Jahrbuch 4, 78—84,

5*

68

älteste darunter ist die Chirurgie des bekannten Eoger von Parma, Bl. 131—144 der Hs., welcher in Montpellier lebte und wirkte. Nach Häser^ fällt er um 1214, und in den Anfang des 13. Jahrhunderts reichen die lateinischen Handschriften zurück. Roland von Parma, der um 1264 seine Chirurgie verfasste, war ein Schüler Rogers, dessen Werk nach Gui de Chauliac das erste im Mittelalter über Chirurgie geschriebene war. Es beruht hauptsächlich auf Abul Chasem und blieb lange Zeit hindurch in Ansehen. Der provenzalische Text ist wahrscheinlich erst aus dem Latein übersetzt. Ihm folgt in der Hs. ein kleineres anonymes Werk (Bl. 144 154), eine Harn- lehre nebst Mitteln gegen verschiedene Krankheiten^". Das dritte ist eine Schrift über Anatomie nach Galenus, Galian wie er hier heisst, mit einer grossen anatomischen Zeichnung versehen (Bl. 155 162). Daran schliesst sich eine Augenheilkunde (Bl. 163—169), wahrscheinlich auch von einem Italiener, da der Verfasser bemerkt, dass er ein be- stimmtes Augenleiden vielfach in Toscana und der Marca angetroffen habe. Mehrere kleinere medizinische Sachen haben sich ausserdem zer- streut in Handschriften erhalten: so eine Aufzeichnung über die dem Aderlass günstigen Tage in zwei Pariser Handschriften, La Valliere 14, Bl. 141, und fran9. 1745, Bl. 147. Dann eine Schrift über die Wirkung des Branntweins, aiga arden, in medizinischer Hinsicht, in der Hs. des Arsenals, espagnol 10, Bl. 19 ^^ Dieselbe findet sich auch in catalanischer Sprache in einer Madrider Handschrift des 13. 14. Jahrhunderts (A 115)^^. Vielleicht ist das Werkchen aus dem lateinischen übertragen; in der Wiener Hs. 2466 des 14. Jahrhunderts, Bl. 88 90 ^^ findet sich ein lateinischer Tractatus de aqua vitCe von etwa gleichem Umfange ^ *. Ein Fragment einer provenzalischen R e c e p t e n s a m m 1 u n g, 2 Blätter des 13. Jahrhunderts, findet sich in der Pariser Handschrift suppl. fran9. 98. 19. 2^\ Auch Raynouard führt im Lex. Rom.^" eine Sammlung von Recepten an, die von jener verschieden scheint, deren Quelle ich nicht habe entdecken können.

§.43.

Von rechts historischen Werken ist zunächst zu nennen eine Compilation nach dem Codex Justiniani, welche sich in zwei Pariser Handschriften, A: espagnol 254, anc. 8164. 2, B: frauf. 1932,

8 Geschichte der Medizin, 2. Auflage, Jena 1853, 1, 341. " Hieraus ist

die kurze Diätetik mitgetheilt durch W. Wackernagel in Haupts Zeitschrift 5, l(j f.

»' Gedruckt Denkmäler 314—315. »2 Denkmäler S. XXV. " Tabulae

codicum Vindohon. 2, 79. " Anfang Hu'c sunt rirlutes, Scliluss aqua non

exlhiguilur, genau wie im Catalanisclien Aquestes »on leg virtuls de fai/gua ardent,

'^ Die erste Spalte herausgeg. durch P. Me^'er, Jahrbuch 4, 80 f. "^ Lex.

Rom. 2, 107. 120. 246. 417. 3, 236. G, 21 u. s. w.

69

anc. 7893. 2. 2 A findet. Eine freie, auf mittelalterliche Verhältnisse und Anschauungen übertragene Bearbeitung, in welcher z. B. von den Kriegen gegen die Sarazenen die Rede ist^ was auf das Zeitalter der Kreuzzüge, also spätestens die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hin- deutet. Bis jetzt ist nur ein Abschnitt aus dem Erbrecht gedruckt^.

Sodann die zahlreichen Rechtsbücher, unter welchen wir nur die Statuten von Montpellier 1204, in doppelter Red action, als grand talaraus und petit talamus de Montpellier, vorhanden, ferner die von Avignon, Cahors, Marseille, Condom, Montcuq, und die Sammlung der von den Königen von England ertheilten Privilegien anführen wollen, alle wichtig als Sprachquellen, namentlich für die Kenntniss der älteren Mundarten, aber ebenso wenig wie die im 12. und 13. Jahrhundert sehr zahlreichen Urkunden in provenzalischer Sprache in das eigentliche Gebiet der Literatur gehörend.

Anhangsweise erwähnen wir noch eines provenzalischeu Calen- dariums in der Pariser Handschrift fran9. 1745, Bl. 148 153, worin unter Anderem über Wetterprophezeihungen und den Einiiiiss des Mondes gehandelt wird^ und einer Münztabelle in der Handschrift des Arsenals, espagnol 10, aus dem 14. Jahrhundert, beide also in naher Beziehung zum praktischen Leben stehend, und nur in sprachlicher Beziehung für uns beachtenswerth.

§.44.

Die Sprache dieses Zeitraums zeigt eine Erscheinung, wie sie kaum in einer andern mittelalterlichen Literatur in diesem Umfange begegnet. Die provenzalische Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts, zunächst die poetische, hat es bis zu einem gewissen Grade zu einer allgemeinen Schriftsprache gebracht. Zwar bestanden von Alteis her in den verschiedenen Theilen des südlichen Sprachgebietes verschiedene Mundarten, wie aus den Urkunden und den dem praktischen Leben dienenden Schriftwerken ersichtlich ist; auch in den Prosawerken, die meist dem Schlüsse der Periode angehören, tritt der mundartliche Charakter mehr oder weniger hervor. In der Poesie aber flössen die Eigenthümlichkeiten der Dialekte in eine Literatursprache zusammen, deren die Troubadours aus den verschiedensten Gegenden Südfrankreichs sich bedienten. Diese Erscheinung erklärt sich aus dem ausserordentlich regen literarischen Verkehr, aus dem ununterbrochenen Wanderleben der Dichter, welches die mundartlichen Besonderheiten abschliff. Aller- dings finden wir bei den Dichtern verschiedene Sprachformen in Ge- brauch, aber nicht so, dass Dichter einer bestimmten Gegend auch

§. 43. ' ehrest. 298, 10. 12. » Chrest. 293—298, nach beiden Hs.s. be-

arbeitet. 3 Dieser Theil ist gedruckt Denkmäler 315—318.

70

bestimmter Sprachformen sich bedienen, 'sondern ein und derselbe Dichter braucht sie neben einander. Ursprünglich waren diese verschiedenen Formen sicher mundartlich, aber sie gehen neben einander her in der allgemeinen Dichtersprache. Aehnliche Erscheinungen bieten seit dem Ende des 12. Jahrhunderts auch Nordfrankreich und Deutschland, seit dem Ende des 13. auch Italien, aber keines dieser Länder hat eine Literatursprache so frühe und in so ausgedehntem Masse entwickelt.

Erscheint die sprachliche Gestaltung aus diesem Grunde wenig mannigfaltig, so ist die Entwicklung der Kunstformen eine um so reichere. Am reichsten natürlich im Mittelpunkte der Literatur, in der Lyrik. In der nichtstrophischen Poesie war der alte achtsilbige Vers, paarweise gereimt, bei weiblichem Keime neunsilbig, das herr- schende Mass : in ihm sind die höfischen Romane, die Novellen, Legenden, die meisten Lehrgedichte, endlich auch die dramatischen Fragmente geschrieben. In der zur Lyrik hinüberleitenden Form des Liebesbriefes waltet er ebenfalls, und in der ältesten Form der Lyrik, dem vers, spielt er eine bedeutende Rolle (§. 25). Das Versmass der nationalen epischen Dichtung ist der zehnsilbige Vers\ entweder mit der Cäsur nach der betonten vierten, weiblich nach der fünften Silbe, oder wie im Girart von Rossilho nach der sechsten Silbe, die auch die alt- französische Poesie kennt ^. Auch in die Lyrik gieng er über, mit Beibehaltung der Cäsur nach der vierten Silbe, nur dass dieselbe hier auch auf eine unbetonte fallen darf^. Weniger häufig ist der zwölf- silbige Vers, der Alexandriner, mit der Cäsur nach der sechsten Silbe: in der Lyrik kommt er fast nur in der einreimigen Strophe vor, in der Epik und Didaktik ist er auch nicht gerade oft verwendet. In der didaktischen Poesie wird dagegen sehr häufig der sechssilbige, paar- weise gereimte Vers gebraucht; so in den meisten enseignamens und in vielen lehrhaften Briefen. Die Versformen der Lyrik sind ungleich mannigfaltiger ; die Zahl der Silben, aus denen ein Vers besteht, steigt von 1 bis 12, die zwischen den einzelnen Versarten vorkommenden Combinationen in der Verbindung zur Strophe sind sehr zahlreich*- Besonders hervorzuheben ist der elfsilbige Vers, mit einer Cäsur nach der achten, oder wenn männlich, nach der siebenten Silbe, eine auch bei den Nordfranzosen vorkommende volksthümliche Form, deren hohes Alter schon durch die häufige Anwendung bei dem ältesten Troubadour, Guillera von Poitou, bestätigt wird: sie ist ihrem Ursprünge nach celtisch.

§. 44. ' Vgl über diesen Diez, Altromanische Sprachdenkmale S. 75—132. Kochat im Jahrbuch 11, 65—93. Gautier, Les epopees franfaisee 1, 192 flF. '^ Meine Romanzen und Pastourellen I, 5, Anmerk. ^ Die epische Weise, nach der

fünften Silbe, ist selten: vgl. Sancta Agnes S. XXVII. LB. 78, 40 Anm. Peire Vidal S. LXXIII. * Vgl. meine Abhandlung Der Strophenbau in der deutschen

Lyrik, Germania 2, 257—298, wo auch die romanische Lyrik berücksichtigt ist.

71

Die Verse werden zur Strophe, cobla, verbunden. Die Gliederung derselben in drei Theile ist auch bei den Provenzalen nachzuweisen, aber mit der eigenthümlichen Moditication, dass die Keime der beiden ersten, gleichen Strophentheile in umgekehrter Folge zu stehen pflegen^. Die Reime gehen gewöhnlich durch alle Strophen eines Liedes hin- durch, seltener treten in jeder Strophe neue Reime ein, mitunter nach je zwei Strophen; auch kann ein Theil der Reime neu hinzutreten, ein anderer Theil bleiben. Die Kuust der Reim Verwendung ist eine sehr mannigfaltige ^ die Künsteleien steigern sich, je weiter wir im 13. Jahrhundert vorrücken: grammatische, rührende, gebrochene, Binnen- reime u. s. w. tragen dazu bei, die Formen sehr bunt und wechsel- reich zu machen. Manche Dichter erfreuten sich daran, besonders schwierige Reime und dunkle Ausdi'ucksweise anzuwenden: man nannte diese Dichtungsart trohar clus, esciir, oder trohar en rimas caras. Der älteste Dichter, den wir sie anwenden sehen, ist Raimbaut d'Aurenga, vereinzelt auch Peire d'Auvergne, häufiger Guiraut de Borueill, und am meisten Arnaut Daniel, der wohl das Möglichste darin geleistet hat^ Jedes Lied ist begleitet von seiner Melodie, so, aonet, die die Dichter meist selbst erfanden. Beliebte Melodien wurden vielfach nachgeahmt, und dann mit Beibehaltung derselben Reimklänge, nicht Reimworte; das letztere findet nur Statt bei den Nachahmungen der Sextine (§. 28, 1). Am Schlüsse des Liedes steht die tornada^, das Geleit, eigentlich Wendung, weil der Dichter sich damit von dem Gegenstande seines Liedes ab- und an eine Person, entweder einen Gönner oder einen Freund, die Dame seines Herzens oder den Spiel- mann wendet, oder er redet das Lied selbst an. Das Geleit bildet eine kürzere Strophe und schliesst sich in der Form dem letzten Theile der Strophe an, selten ist es länger als die Hälfte derselben ; bei mehreren Geleiten, die dann meist an verschiedene Personen sich wenden, pflegt jedes folgende kürzer zu sein als das voraufgehende, aber man findet auch mehrere Geleite von gleicher Länge. Diese Andeutungen mögen genügen, um eine ungefähre Vorstellung von dem Reichthum der pro- venzalischen Kunstformen im 12. Jahrhundert zu geben.

^ Vgl. Germania 2, 289 f. Jahrbuch der Dantegesellschaft 3, 335. « Vgl.

meine Abhandlung Die Reimkunst der Troubadours, Jahrbuch 1, 171—197. ^ Vgl. Diez, Poesie 100. Leben und Werke 131 132. 351. Jahrbuch 1, 195—197.

^ Kalischer, Observationes in poesim Romanenseni, Berol. 1866. 8; vgl. dazu Liter. Centralbl. 1867, Nr. 21, und Revue critiquc 1866, II, 298 flf.

_ 72 - -

Dritte Periode.

Das vierzehnte und fünfzehnte Jahrhundert.

§. 45.

Die wirkliche Lebensfähigkeit der provenzalischen Literatur, zumal der Poesie, ist mit dem 13. Jahrhundert erschöpft. Die beiden letzten Jahrhunderte des Mittelalters können höchstens als eine Nachblüthe gelten, in welcher die alten Traditionen noch fortwirkten. Die nationale Bedeutung der Literatur ist mit der politischen Selbständigkeit Süd- frankreichs gefallen ; die Poesie hat daher, wo sie noch gepflegt wird, überwiegend einen gelehrten Charakter. Es war ein ernstliches, ja auch wohl ein nationales Streben, welches diese gelehrten dichterischen Be- mühungen herbeiführte, aber sie vermochten nicht dem geschichtlichen Gange der Ereignisse sich entgegenzusetzen, um so weniger als kein einziges bedeutendes Talent auftrat, welches im Stande gewesen wäre, der Poesie einen neuen Lihalt zu geben oder auch nur im Geiste der alten Troubadourspoesie lebendig zu wirken. So linden wir allerdings alle Kichtungen der Literatur des vorigen Zeitraums auch in diesem vertreten, aber es sind spärliche Trümmer, sind Nachzügler einer ver- gangenen Zeit, die sich ausgelebt hatte.

§. 46.

Die epische Poesie hatte schon in der Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts keine bedeutende Stellung und trat hinter der französischen sehr zurück; jetzt, wo Frankreich auch politisch im Süden herrschte, wo französische Sprache mehr und mehr eindrang, übte die französische Epik einen um so grösseren Einfluss, aber auch sie hatte in dem- selben Zeiträume ihren Höhepunkt lange überschritten. Kein einziges episches Gedicht ans dem Kreise nationaler Sage begegnet uns, und auch auf dem Gebiete des Kunstepos finden wir nur einen vereinzelten Spätling des Eitterromans.

Arnaut Vidal von Castelnoudari verfasste im Jahre 1318 seinen Guillem de la Barra, welcher sich in einer beinahe gleich- zeitigen Handschrift im Besitze des Marquis de la Garde erhalten hat^ Zu Ende des Mai des genannten Jahres wurde, laut der Schlussschrift, dieser Roman d'aventure beendet^, der, in der gewöhnlichen Form der Reimpaare verfasst, von den ritterlichen und Liebesabenteuern des Helden handelt, welcher einem Könige jenseits Ungarn, genannt König von der

§. 46. * Guillaume de la Bane. Eoman d'aventure. Notice accompagnee d'un glossaiie publice par P. Meyer, Paris 1868. 8; vgl. Literat. Centvalblatt 1868, Sp. 1386 f. ^ P. Meyer S. 7, vgl. S. 47.

^ 73 -

Serra (de la Serra) dient. Der Stoff ist ganz Erfindung des Dichters, armselig genug und zusammengeborgt aus Motiven, die wir sonst in der erzählenden Dichtung und Sage häufig finden und unter denen das altepische Motiv eines Kampfes zwischen Vater und Sohn hervorzu- heben ist. Dem Dichter werden wir auf lyrischem Gebiete wieder begegnen; er gehört jenem toulousanischen Kreise an, der eine Er- neuerung der provenzalischen Poesie beabsichtigte.

§. 47.

Zahlreicher sind die geistlichen Stoffe in erzählender Form vertreten. Ein ungenannter Dichter bearbeitete, wie es scheint im "14. Jahrhundert, die Evangelien geschieht e auf Grund eines apo- kryphischen Evangeliums. Die einzige Handschrift des noch ungedruckten Werkes, das in achtsilbigen Eeimpaaren verfasst ist, besass Raynouard, der in seinem Lexique Roman es vielfach citiert^

Ebenfalls nach einer apokryphischen Quelle, dem sogenannten Evangelium Nicodemi, wurde im 14. Jahrhundert in gleicher Form- von einem Meister Eneas, der sich am Schlüsse nennte eine pro- venzalische gereimte Bearbeitung verfasst, die sich in der Pariser Hand- schrift fran^. 1745, anc. 7693, Bl. 106—122, findet*.

Das evangelium infantiae^, ebenfalls apokryph, diente als Quelle dem ungenannten Dichter der Kindheit Jesu, die in derselben Handschrift Bl. 170—181 steht '^. Doch ist der Theil der Handschrift jünger als das Uebrige; durch den aus Nordfrankreich gebürtigen Schreiber, der das Gedicht 1374 schrieb, Simon Bretelli aus Tournay^ hat die Sprache manchen französischen Einfluss erfahren. Der poetische Werth dieser wie der meisten Legenden des Zeitraums ist sehr gering, die Darstellung trocken, farblos und monoton.

Von Heiligenleben wurde bearbeitet die Legende vom heiL Alexius, einer der beliebtesten geistlichen erzählenden Stofte im Mittel- alter, ebenfalls in der genannten Handschrift, Bl. 158 166^

Auf localer Grundlage beruht das Leben des heil. Trophimus, welches in der Gegend von Arie seine Heimat zu haben scheint. Wir besitzen davon nur eine Abschrift aus dem 16. Jahrhundert in Paris,

§. 47. z. B. Lex. Rom. 2, 1. 12. 50. 52. 78. 80. 89. 149. 158. 164. 165. 192. 5, 118. 206. 338. 524. 6, 13. 24. 37. 38. ^ Nur die beiden Anfangszeilen

(LB. XII) Bind, wohl felileihaft, zehnsilbig. ^ Q,jer jgt damit nur der Schreiber

geraeinty * Der Anfang Chrest. 371—376; ein anderes Stück Lex. Rom. 1,

577—578, wiederum ein anderes Die Erlösung (Quedlinb. 1858) S. XXIV— XXIX.

° Liber de infantia Marias et Christi salvatoris ed. 0. Schade, Halis 1869. 4.

^ Herausgeg. Denkmäler 270 305; einzelne Stücke Lex. Rom. 1, 579 f. LB. 38—41. Chrest. 377—382. ' Denkm. 305, 34 ist Tornaco für Tornaro zu

lesen: s. Anmerk. zu 278, 6, ^ Anfang E nom de dieu lo Salvador, Ein Stück

Lex. Rom. 1, 575 f.

74

fran9. 13514, welche von einer älteren Handschrift vom Jahre 1379 genommen ist. Etwa dieser Zeit wird auch das Gedicht angehören. Dasselbe unterscheidet sich in der Form von den übrigen Legenden, indem es in paarweise reimenden zehnsilbigen Versen verfasst ist^.

Ein gereimtes Leben des heil. Georg in der Pariser Handschrift fran9. 14973, Bl. 27—44 (Papierhs. des 14. Jahrhunderts), welches Dr. Hertz herausgeben wird, ist in stark catalanisch gefärbter Sprache, daher wohl auf spanischem Boden geschrieben ^°.

§. 48.

Den grössten Keichthum zeigt auch in dieser Periode die lyrische Dichtung, die freilich an nationaler und nach aussen wirkender Be- deutung sich nicht entfernt mit der Lyrik des 12. und 13. Jahrhunderts messen kann. Sie ist eine künstliche Blume, eine Treibhauspflanze, welcher der nationale stärkende Boden, der befruchtende Sonnenschein fehlte. Toulouse ist der Ausgangspunkt und der Sitz dieser zünftigen, gelehrten Lyrik. Hier thaten sich im Jahre 1323 sieben Bürger zu einer Gesellschaft unter dem Namen la sohregaya companhia dels set trohadors de Tolosa zusammen und forderten ihre Mitbürger zu einer Versammlung in einem Garten der Augustinerstrasse auf ^ Diese sieben Begründer waren Bernat de Panzac, Guilhem de Lobra, Berenguer de San Plancat, Peyre de Mejanaserre, Guilhem de Gontaut, Peyre Camo und Bernat Oth^. Jeden ersten Sonntag im Mai vereinigte man sich zu poetischen Wettkämpfen. Um jeden politischen Anstrich zu ver- meiden, nannten sie sich Liebhaber des gay saber, der gaya sabensa, der fröhlichen Wissenschaft, und eine harmlose Fröhlichkeit war es sicherlich. Die Preise, welche für die besten Gedichte ertheilt wurden, hiessen joyas del gay saber; die Gesellschaft selbst, die sich 1324 förmlich constituierte, nannte sich Consistori de la gaya sciema. An ihrer Spitze stand ein Kanzler und sieben mantenedors. Der erste Preis, bestimmt für die beste Dichtung im Genre der Canzone, des vers, des descort, war ein goldenes Veilchen, violeta d'aur: die erste Auszeichnung dieser Art erhielt 1324 der oben (§. 46) erwähnte Ar- naut Vidal. Der zweite, eine wilde Rose von Silber, ayglentina, war für das beste Sirventes, Pastorelle oder Marienlied bestimmt; die sil- berne Ringelblume als drittel* Preis für die beste dansa und für ge- ringere Gedichte der ersten Classe. Da die alten poetischen Traditionen ziemlich vergessen waren, so wurde der Kanzler Guillem Molinier mit

» Ein Stück vom Anfang Chrest. 381—384; Einiges auch Lex, Eoni. 1, 571 bis 572. '0 Anfang El nom de dieu omnipotent.

§. 48. Das poetische Einladungsschreiben, beginnend Als honorahles et als pro8, steht bei Mary-Lafon, Tableau de la langue parlee dans le midi de la France, Paris 1842, S. 151. » Vgl. Cambouliu im Jahrbuch 3, 132.

75

der Abfassung eines poetischen Gesetzbuches beauftragt, welche Arbeit 1356 vollendet wurde (§. 56). Seit der Zeit gewann die Gesellschaft einen bedeutenden Aufschwung; man nahm die Einrichtungen der Uni- versitäten zum Muster und ertheilte förmliche Grade in Grammatik und Poesie'. Um einen Grad zu erlangen, war erforderlich, dass man als orthodox auf religiösem Gebiete, d. h. als streng katholisch, und als correct in sprachlicher Beziehung sich auswies. Merkwürdig ist es, dass die Liebe, welche den Mittelpunkt der Lyrik bildete und auch dem Gesetzbuch der Gesellschaft, leys cTamors, den Namen gegeben, so gut wie ausgeschlossen war: kein Dichter durfte individuelle Liebesempfin- dungen besingen, nur die Liebe im Allgemeinen und die zur heiligen Jungfrau war gestattet; unter der Dame Amor verstand man gradezu Maria mit dem Jesuskinde auf den Armen. Die Frauen waren von der Mitbewerbung um dichterische Preise ganz ausgeschlossen*. Jeder Be- werber musste sich persönlich einstellen, ausgenommen wenn er eine sehr hohe gesellschaftliche Position einnahm. Nicht zugelassen wurde, wessen Lebenswandel und religiöse Gesinnung nicht makellos war. Die Berufung zu den Versanmüungen geschah in poetischer Form: eine solche Citation haben wir von Matieu d'Artigualoba aus dem Jahre 1468^. Die Preisrichter mussten schwören, aufrichtig und wahr zu entscheiden und sich von keiner Rücksicht leiten zu lassen. Die ein- gereichten Werke durften von ihnen vorher nicht corrigiert werden, höchstens durften sie die Autoren auf Fehler aufmerksam machen. Der Dichter musste eidlich versichern, dass er seine Dichtung ohne fremde Hilfe verfasst und kein Plagiat verübt habe; das bezog sich namentlich auf die Form, auch die Weise musste eine neue, selbständige sein. Wer drei Preise gewonnen hatte, hiess trohador. Die ganze Einrichtung und der Betrieb hat auffallende Aehnlichkeit mit den deutschen Meister- sängerschulen, nur dass hier die Mitglieder ausschliesslich dem Hand- werkerstande angehörten.

Die Wirksamkeit der Gesellschaft blieb nicht auf Toulouse be- schränkt; es bildeten sich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts Zweig- gesellschaften mit gleicher Einrichtung, auch in Catalonien und Ara- gonien. Gegen Ende des folgenden Jahrhunderts finden wir dagegen die poetische Akademie von Toulouse in Gefahr des Verfalls : dem Inter- esse einer reichen Bürgerin, Clemence^, verdankte sie neue Anregung und vielleicht ihre Erhaltung. Dieselbe, früher irrthümlich als die Be-

3 Etwas Aehnliches ist schon der von Guiraut Riquier vorgeschlagene Name doclor de trobar: §. 21, 8. ■• Erst am Ausgange des 15. Jahrhunderts finden

wir Frauen an der Gesellschaft theilnehmend. ° Joyas del gay saber S. 235.

ehrest. 379; eine andere s. Joyas S. 281. « Vgl. Chrest. 407, 3. Dass sie

Clemence Isaure geheissen, wie man meist angegeben findet, ist nicht erwiesen, aber ebensowenig darf man ihre Existenz in Abrede stellen.

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gründerin der Gesellschaft betraclitet und ins 14. Jahrhundert gesetzt, stiftete 1484 neue Blumenpreise und sorgte durch testamentarische Schenkung für die Fortexistenz der Akademie, die ihre poetischen Uebungen fortan jeux floraux, Blumenspiele, nannte. In dieser neuen Gestalt trat sie aus dem Mittelalter in die neuere Zeit und hat sich unter manchen Wechselfällen bis in die Gegenwart erhalten''.

Die Acten der Gesellschaft sind leider nicht vollständig auf uns gekommen: das Vorhandene besteht aus drei Registern, in welchen die gekrönten Stücke aber mit einer Menge anderer Gedichte, die nicht an der Bewerbung Theil nahmen, gemischt sind. Das älteste Manu- script gehört dem 14. Jahrhundert an und beginnt mit 1324, reicht aber nur bis in die 30^"^ Jahre; das zweite, 1458 beginnend, enthält zum Theil ältere Stücke, zum Theil die Preisgedichte von 1458 1484 ; das dritte stammt bereits aus dem 16. Jahrhundert.

§. 49.

Ausserhalb des toulousanischen Kreises stehen einige Dichter, deren dichterische Thätigkeit noch vor die Begründung der Gesellschaft fällt: sie finden sich fast alle in der Handschrift f (§.24). So Rostanh Beren guier aus Marseille, der am Anfang des 14. Jahrhunderts dichtete und den auch Nostradamus (S. 102) erwähnt ^ Vielleicht noch dem 13. Jahrhundert und dem Beginn des folgenden gehören Johan de Pennas^, Ponson^ und Berenguier Trobel* an. Die Leys d'amors^ führen von einem sonst unbekannten Dichter, Peire Arquier, eine Strophe in einer vielgebrauchten Strophen- form an^; der Dichter gehört wie alle in dem genannten Werke mit Namen angeführten wohl noch ins 13. Jahrhundert, aber ans Ende des- selben. In den Anfang des 14. fällt ein Sirventes von Johann Nicolaus aus Piniac vom Jahre 1303, gerichtet gegen den Geist- lichen Regier von Piniac: ein Beispiel von dem Fortleben und Wirken des persönlichen Rügeliedes'. Ein Nachzügler des Kreuzliedes ist das

^ Vgl. zur Geschichte: Poitevin Peitavi, Memoiies pour seivir ä Thistou-e des jeux floraux, Toulouse 1815. Joaquin Rubio, Sobre los juegos florales, in: Arte, Mayo 1857 (vgl. Milä, Trovadores S. 482). F. R. Cambouliu, Renaissance de la poesie proven^ale ä Toulouse, Jahrbuch 3, 125—145 (vgl. Meyer in Bibliotheque de l'Ecole des chartes, 5" sciie, 5, 51 ff.). V. le Clerc, Histoire litteraire 24, 475 ff. Gatien-Arnoult, Monuments de la litterature romane, Paris 1841, und dazu P.Wolf, Studien zur Geschichte der spanischen und portugiesischen Nationalliteratur, Berlin 1859, S. 235-270.

§. 49. ' P. Meyer, Les derniers tvoubadours de la Provence S. 481 503.

2 P. Meyer S. 50o<— 505. Chrest. 319. ^ P. Meyer ö. 505—510. * P. Meyer S. 510 f. 5 1, 316. « Andere Beispiele in Haupts Zeitschrift 11, 157.

' J*. Meyer in der Revue des societes savantes, serie, 10, 10—16.

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Sirventes des Ritters Lunel von Monteg oder Moncog^ vom Jahre 1326, in welchem zu einer Zeit, wo man den Gedanken das heilige Laud zu erobern bereits aufgegeben hatte, zu einem Kreuzzug aufgefordert wird^. Von demselben Dichter besitzen wir eine Anzahl Coblas esparsas, die sich wie jenes Sirventes in die Pariser Hs. La Valliere 14 nachgetragen finden, und die zusammen die Form eines Liedes mit Geleit bilden ^°, wie man seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auch in Deutschland Sprüche, meistens drei, zu Liedern vereinigte.

Unbekannt ist der Name des Dichters, der dem Tode Roberts von Sicilien (6. Januar 1343), wahrscheinlich als Augenzeuge be- richtend, ein Klagelied widmete ^^; dasselbe steht in der Pariser Hand- schrift fran9. 1049, anc. 7337, Bl. 14, in welcher dem Gedichte ein Bild vorausgeht, das den König umringt von den Seinen im Tode dar- stellt, und hat ausser dem literarischen auch geschichtliches Interesse. Vom Eingreifen der Poesie ins Leben, dem die toulousanische Dichter- schule sich ganz fern hielt, gibt noch am Ende des 14. Jahrhunderts (1380) ein Process Zeugniss, welchen Antoine Barjae gegen Johan Pellenc wegen eines Liedes führte ^^.

Wir sehen in der Lyi'ik die Hauptformen der alten Troubadoui-s- poesie fortleben, den Vers, die Canzone, das Sirventes : dagegen hat die Tenzone alle Bedeutung verloren und wird auch fast gar nicht mehr cultiviert. Von den zum Volksthümlichen neigenden Gattungen finden wir ausserdem die dansa, aber fast nur in geistlicher Wendung, ver- einzelt die Pastorelle, auch diese zum Theil nur mit Bewahrung des Namens, ohne den früheren Inhalt. In den Leys d'amors werden aller- dings sämmtliche früher vorkommende Dichtungsarten erwähnt, aber sie scheinen nach den bis jetzt bekannten Proben nur zum kleinsten Theil in wirklichem Gebrauche gewesen zu sein. Dem volksthümlichen Elemente, das wir schon in der classischen Zeit sehr zurücktretend fanden, war die künstliche Poesie der Toulousaner noch weniger hold; doch entnehmen wir aus Andeutungen der Leys d'amors, dass noch im 14. Jahrhundert neben der Kunstpoesie die Volksdichtung in Südfrank- reich fortdauerte.

§. 50.

Den Reigen der lyrischen Dichter der toulousanischen Zunft ^ er- öffnet Aruaut Vidal von Castelnoudary, welcher durch ein Ge-

8 Gedruckt Denkmäler 124— 12G. « Vgl. Denkmäler S. XIX. »" Gedruckt

Denkmäler 131—132. " Denkmäler 50—57. " Bouillon - Landais, Un

proces pour une chanson (Marseille 1380). Antoine Bariac contre Jean Pellenc, Marseille 1865.

§. 50. * Ein Verzeichniss der gekrönten Dichter des 14. und 15. Jahrhunderts, soweit sie in den Akten vorkommen, geben die Joyas del gay saber S. 297 f.

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dicht auf die Jungfrau Maria in grammatischen Reimen im Jahre der Stiftung das goldene Veilchen, den ersten überhaupt ertheilten Preis, errangt. Es wird als Sirventes bezeichnet, ein Beweis, wie wenig man damals die alten Dichtungsgattungen aus einander zu halten wusste.

Von den sieben Dichtern, welche die Gesellschaft begründet hatten (§.48, 2), wissen wir nichts als ihre Namen; doch ist Peire Camo wohl derselbe wie Peire Camor, dem die Handschrift C ein Peire Bremen gehöriges Lied^ beilegt.

Im folgenden Jahre (1325) gewann den ersten Preis Raimon d'Alayrac, Kaplan aus Albigeois, mit einem in schweren Reimen, rimas caras (§. 44, 7), verfassten Gedichte auf die Liebe*. Raimon de Cornet errang die Violeta 1333: auch er gehörte dem geist- lichen Stande an und wird als frayre bezeichnet. Sein Preisgedicht ist uns nur verstümmelt erhalten^, ein Loblied auf die heil. Jungfrau mit durch alle Strophen hindurchgehenden Reimen. Wir besitzen von ihm ausserdem Canzonen, Verse, Sirventes, Tenzonen und Briefe^. Unter den Sirventes ist namentlich die mit Unrecht Peire Cardenal beigelegte geata hervorzuheben, in welcher alle Stände scharf mitgenommen werden'. Hier erscheint er bedeutend genug um wünschen zu lassen, dass mehr von ihm bekannt werde.

Pons de Prinhac gewann den ersten Preis 1345: er beklei- dete in Toulouse schon 1309 die hohe Stellung eines Capitols, zu welchem Amte er 1349 nochmals gewählt wurde. Sein Gedicht, als vers bezeichnet^, vergleicht in guter Durchführung die Welt mit einem Garten, in welchem der Mensch als Blume wächst. Austorc de Galhac siegte 1355 mit einer canso retrogradada auf die Jungfrau Maria: er war Doctor der Rechte zu Vilalongua in Nieder-Languedoc und leistete Guilhem Molinier bei der Abfassung seines poetischen Gesetzbuches durch seine Kenntnisse gute Dienste^.

Guilhem Molinier, der mehrfach erwähnte Kanzler der Ge- sellschaft, war, wie sich erwarten lässt, auch Dichter. Wahrschein- lich rühren von ihm die meisten der in den Leys d'amors angeführten Musterverse und Mustergedichte her. Ausserdem besitzen wir von ihm einige Verse, worin er den mantenedors, den Beiständen, für ihre Hilfe bei Abfassung seines grossen Werkes dankt ^". Auffallen müsste es, ihn nicht unter den Preisgekrönten zu finden, wenn wir nicht wüssten, dass die Listen jener Zeit uns nur unvollständig erhalten sind.

^ Las joyas del gay saber p. p. Gatien-Arnoult (Monuments de la litterature romane depuis le 14« siecle, publication, Toulouse 1849), S. 3—6. Chrest. 351 bis 354. " Nr. 330, 7 des Verzeichnisses. * Joyas S. 7—9. ^ Joyas

S. 246. Joyas S. 247. ' Ein Stück Chrest. 355—358. Vollständig, aber

unter dem Namen P. Cardenal, Lex. Rom. 1, 464—473. " Joyas S. 10—12,

vgl. S. 247. Chrest. 865-366. » Joyas S. 13—15; vgl. S. 247. " Vgl.

Joyas S, 247.

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Huc del Valat, Arzt in Montpellier, erhielt die Violeta 1372 mit einem Gedichte ^\ welches die Form der Canzone und des Tanz- liedes mischt, einer canso e dansa mesclada, so dass die ungraden Strophen der Canzone, die graden der dansa gehören. Dass diese wenig geschmackvolle Manier eine Neuerung war, deutet er selbst an^^

Im folgenden Jahre (1373) wurde die Violeta Peire Du ran für einen Vers auf die Liebe zu TheiP^. Dasselbe Lied wird jedoch von einer anderen Handschrift dem Ritter Peire de Monlasur bei- gelegt und dieser als Sieger des Jahres 1373 bezeichnete^. Um die- selbe Zeit wurde Arnaut Donat, Licentiat des Rechtes, wegen eines geistlichen Vers gekrönt e^.

Nach einer langen Lücke in der Ueberlieferung sehen wir 1436 Martin de Mons, einen Kaufmann aus Toulouse und vielleicht einen Nachkommen von Nat de Mons, den zweiten Preis, die Aiglen- tina, gewinnen: sein vers ßgui-at^^ d. h. ein allegorisches Gedicht, stellt das Concil von Basel unter dem Bilde eines Gartens dar, dessen Fruchtbäume die Cardinäle und Prälaten sind. Andere Sachen desselben Verfassers sind eine ABC-Canzone vom Jahre 1433, mit Bezug auf die damalige Theuerung^', und mehrere Chronogramme in Versen auf Er- eignisse der Jahre 1392, 1415 und 1436 ^^

Guilhem de Galhac, Licentiat des Rechts und königlicher Procurator des Appellhofes, später (1455) Capitol in Toulouse, wurde dreimal mit Preisen gekrönt: er gewann 1446 die Aiglentina mit einem Sirventes figurat, worin er bildlich das Gemeinwesen von Toulouse darstelltet^. Vermuthlich schon vorher, hatte er einen geringeren Preis, lo gauch, mit einer dansa dJamors auf die Jungfrau Maria erlangt^''; endlich, 1453, wurde ihm auch der höchste Preis zuTheil: mit einem Gedichte über die sieben Gaben des heil. Geistes -^ Seine Verdienste ehrte die Gesellschaft durch Ernennung zum mantenedor ; ihm verdanken wir eines der Mauuscripte, welches die gekrönten Lieder enthält, und ein Verzeichniss der damaligen mantenedors^-.

1450 erlangte Johan del Pegh, ein Studierender, den Preis der Aiglentina durch ein Sirventes auf Karl VII von Frankreichs^. Ramon Valada, königlicher Notar in Toulouse, später (1475) Capitol daselbst, gewann im folgenden Jahre (1451) die Violeta durch einen Vers zu Ehren Karls VII und Dorvals, gerichtet an den König

" Joyas 16—19. Chrest. 375—378. Dass der Schluss (S. 20) einem anderen Gedichte angehört, ist zu Chrest. 378, 10 bemerkt. " Chrest. 375, 17.

" Joyas 25—28. " Joyas 248—250. «^ Joyas 21—24. »« Joyas

105—107. Chrest. 389—392. " Joyas 256-267. »« Joyas 270—272.

Ein paar andere Chronogramme auf 1350 und 1463 ebenda S. 268. 273. '* Joyas 108—110. ^^ Joyas 190-192. " Joyas 33—38. Joyas S. 250 f.

Joyas 119—123; vgl. S. 274.

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von England^*. 1458 wurde er zum Secretär des Consistori der gaya sciensa ernannt und führte als solcher 1464 das noch erhaltene Proto- koll der Wahl von Johan de Sayses zum Kanzler der Gesellschaft^^. In demselben Jahre errang Johan Johanis de Gar gas, der 1441 Capitol von Toulouse war, die Aiglenlina durch einen Vers auf die Pest, welche 1450 in Toulouse geherrscht hatte ^*'. Der kleine Preis, lo gauch, wurde gleichzeitig Johan de Calmo, Baccalaureus des Rechtes, später (1474) Capitol von Toulouse, für eine Dansa auf die heil. Jungfrau zu TheiP^. 1464 gewann er die Violeta mit einem vers capcoat^^ geistlichen Inhalts^''.

Anthoni de Jaunhac, Rector von Sant-Sarni in Toulouse, erhielt die Violeta 1455 durch eine Canzone auf Maria ^". Auch die beiden anderen Preise erlangte er, den zweiten durch einen allegorischen Vers^*, den dritten durch eine Dansa auf Maria ^^. Ausserdem ver- fasste er 1455 eine Canzone zu Ehren des heil. Exuperius, die aber noch nicht aufgefunden ist^^.

Johan Gombaut, Kaufmann in Toulouse, 1472 Capitol, er- langte ebenfalls alle drei Preise; zuerst die gauch 1456 durch eine Dansa auf Maria'^, die Violeta 1466 durch eine ebenfalls an die heil. Jungfrau gerichtete Canzone^'', und im folgenden Jahre die Aiglentina durch ein Sirventes, welches die Verderbniss der Zeit straft ^*^.

Bertran de Roaix, Baccalaureus des Rechts, gewann die Violeta 1459 durch eine Mariencanzone^'' und 1461 durch eine Liebes- canzone ^ ". 1 459 erlangte Berenguier del Hospital, damals Student in Toulouse, mit einem allegorischen Gedichte auf die ober- sten Behörden der Stadt die Aiglentina^-', 1467 den dritten Preis mit einem Lobgedicht auf Toulouse*", und 1471 den ersten mit einem Klageliede der Christenheit über den Türkenkrieg* *. Er war sehr eifrig für die Gesellschaft thätig ; er hauptsächlich veranlasste ihre Erneuerung am Ende des 15. Jahrhunderts. Noch 1513 war er am Leben. *^

Danis Andrieu, Kaufmann in Toulouse, gewann 1460 den ersten Preis für eine Canzone auf Maria in grammatischen Reimen*^. Im folgenden Jahre erhielt ihn Anthoni del Verger aus Per- pignan, damals Student, mit einem Vers auf die heil. Jungfrau **. 1462 wurde die Violeta Thomas Luys, Baccalaureus des Rechts,

^ Joyas 29—32. ^d joyas S. 250. ^e joyas 124—127; vgl. S. 274.

*' Joyas 199—201. ^^ d.h. mit Aufnahme des Sclilussreimes jeder Strophe in den Anfang der folgenden. ^9 joyas 59— G3. »o Joyas 42—44 und

251—253, nach zwei verschiedenen Hss. Joyas 111—115. •'* Joyas

196-11^8. •''=' Joyas 253. •'■* Joyas 205—207. ^'^ Joyas 78— 7G.

88 Joyas 159— IGl. ''' Joyas 45—47. =*" Joyas 136—138. Joyas

131—135. Joyas 220— 223. Joyas 83— 88. " Joyas 255. Joyas 48—50. ** Joyas 51—55.

81

für einen Vers zn Ehren des Königs von "Frankreich zuerkannt*^. Der, selbe erhielt 1465 die Aiglentina für ein Sirventes, auf Diejenigen, die die christliche Liebe nicht üben*".

Johan de Kecaut*^ gewann die Aiglentina drei Jahre vorher (1462) durch einen allegorischen Vers *^. Der dritte Preis wurde in diesem Jahre Peire de Blays, einem Studenten, für eine Dansa verliehen *^ Hellas de Solier, Baccalaureus des Rechts und der Medizin, bekam 1464 die Aiglentina für ein Sirventes übei" den gros- sen Brand von Toulouse 1463 ^'^. Derselbe Gegenstand ist wahr- scheinlich von dem Dichter selbst in anderem Versmass nochmals behandelt worden ^^ In dem genannten Jahre (1464) gewann Peire de la Roqua, Baccalaureus, später (1470) Capitol in Toulouse, den dritten Preis durch ein Sirventes, welches ebenfalls den Brand von 1463 zimi Gegenstande hat ^^, Die Vialeta erhielt er 1465 für einen Vers über den Antichrist^'' und die Aiglentina 1468 für ein Kampf- gespräch zwischen Krieg und Frieden^*, also einen Nachzügler der alten Tenzone.

Peire Duran de Vilamur, Baccalaureus des Rechtes, später (1476) Capitol, erlangte mit einer Dansa d'amors 1465 den dritten Preis •'•^ Im folgenden Jahre wurde die Violeta Johan Salvets, einem Carmelitermönche, für einen Vers auf die Passion Christi ver- liehen ^^. Doch wird bemerkt, dass auch Johan Gombaut in diesem Jahre die Violeta bekam^'; vielleicht also, dass ausnahmsweise zwei Preise ertheilt wurden. Gleichzeitig erwarb Bertran Brossa, Bac- calaureus des Rechtes, den zweiten Preis mit einem allegorischen Vers''^ Den dritten in diesem Jahre bekam für ein geistliches Tanzlied ^^ Prances de Morias, Baccalaureus des Rechts, aus einer edlen Familie in Toulouse, die eine Reihe von Capitols des 15. Jahrhunderts geliefert hat. Zwei Jahre nachher wurde er mit der Violeta gekrönt für eine Canzone auf Maria "", und 1471 gewann er die Aiglentina für ein po- litisches Sirventes ^^ Auch einen ausserordentlichen Preis, einen silber- nen Zweig, erhielt er 1468, und zwar für ein mit vorher bestimmtem Refrain versehenes Lied^^ In demselben Jahre bekam RaimonStai- rem, ebenfalls Baccalaureus des Rechts, für ein geistliches Tanzlied*'^ den dritten Preis.

*^ Joyas 56 58. *'^ Joyas 152—154. *' Ein Capitol dieses Namens

von 1410 kann nicht derselbe sein: Joyas S. 275. ** Joyas 139 142.

*9 Joyas 208-210. Joyas 143— 147. ^> Joyas 148—151; vgl. S. 275.

ehrest. 393—396. -^ Joyas 211—213. ="' Joyas 64—68. ^* Jo}as

162—167. ^ Joyas 214—216. Chrest. 395—398. ^ Joyas 69—72.

" Anmerk. 35. ** Joyas 155—158. Joyas 217-219. «» Joyas

77—79. Gl Joyas 163—170. «^ Joyas 237—238. «^ jo^^s 224—226.

Bartsch, Gnindriss». 6

82

Anthoni Cousa, Baccalaureus des Rechts, erlangte 1471 die Violeta mit einem allegorischen Vers auf Maria ^*, die er unter deni Bilde eines Baumgartens, ihre Tugenden als die Obstbäume darin dar- stellt. Doch liegt vielleicht ein Irrthum in der Zahl vor, denn in dem- selben Jahre bekam auch Berenguier del Hospital den erwähnten Preis *^^. Der gleiche Zweifel waltet bei Anthoni ßacaud, einem Kaufmann aus Toulouse, der 1471 die Aiglentiua durch eiii Sirventes*^^ erlangt haben soll, während doch Frances de Morias auch als Sieger bezeichnet wird^'. Den dritten Preis des genannten Jahres gewann Raimon Benedict!, Baccalaureus des Rechts, für eine geistliche Dansa'^^ Einen ausserordentlichen Preis erhielt in diesem Jahre der Baccalaureus des Rechts Peire de Janilhac, aus Paris gebürtig, damals Student in Toulouse, für eine letra d'amors, aber in lyrischer Form^'^.

Bernart Arnaut, CoUegiat aus Perigord, bekam 1472 die Vio- leta für einen vers claus'^^, ein Gedicht in allegorischer Einkleidung. 1474 wurde sie Bernart Nunho, einem Arzte, für ein Marienlied' ^ verliehen. Den zweiten Preis desselben Jahres bekam Johan Cathel, Kaufmann in Toulouse, für ein Sirventes capcoat'^^. Den dritten erhielt Johan Bemonis, Collegiat von Saint-Raimond in Toulouse, für ein mit Refrain versehenes Tanzlied'^. Im Jahre 1474 sehen wir die Vio- leta an Arnaut de Bernart, Baccalaureus des Rechts, für eine Canzone, die die politischen Ereignisse in der Grafschaft Foix betrifft, verliehen'*.

1498 bekam Bertran de Roaix zum ersten Male die neue Ai- glentina, welche Clemence gestiftet hatte, für eine Canzone auf Maria'-''; es ist dies ohne Frage ein anderer als der früher (1459—1461) vor- kommende Dichter gleiches Namens"^.

Nicht näher lässt sich die Zeit einiger anderer Dichter bestimmen, die ebenfalls Preise gewannen; vermuthlich fallen sie in die Lücke zwischen 1373 und 1436.

Arnaud Algar, Baccalaureus des Rechts und Richter in Feno- Ihedas, erlangte die Violeta für eine Canzone auf Maria"; die Aiglen- tina bekam GuillemBru, Richter in Toulouse, für